Im Jahr 1839 reiste der deutsche Mineraloge Gustav Rose durch Russland. Bei einer Expedition im Ural-Gebirge nahm der Wissenschaftler Gesteinsproben. Hier soll er das Material entdeckt haben, dessen Abkömmlinge heute die Solartechnologie revolutionieren sollen.
Bei Roses mineralischer Entdeckung handelte es sich um Calciumtitanat (CaTiO3), eine kristalline Verbindung mit charakteristisch würfelförmiger Kristallstruktur. Benannt wurde dieses Material nach dem russischen Politiker und Mineralogen Graf Lew Alexejwitsch Perowski – Perowskit.
Mit der Zeit entdeckten Forscher immer mehr Minerale mit einer ähnlichen Kristallstruktur. Doch statt sich immer wieder einen neuen Namen für diese Materialien mit der Summenformel XYO3 aus dem Ärmel zu schütteln, etablierte es sich, alle Mineralien mit der entsprechenden Kristallstruktur Perowskite zu nennen. Wenn wir heute von Perowskit sprechen, beschreiben wir damit eigentlich eine Materialklasse, die dieselbe spezifische Kristallstruktur besitzt wie das ursprüngliche Mineral CaTiO3.
Halogenide statt Oxide
Relativ schnell erwiesen sich die Perowskite als nützlich für verschiedene Technologien, etwa in Kondensatoren, bei der Herstellung von Farbpigmenten oder Photokatalysatoren. In den späten 1970er Jahren publizierten deutsche Wissenschaftler dann erste Arbeiten über sogenannte Metall-Halogenid-Perowskite. Der Unterschied zu den bisher bekannten Mineralvarianten: Statt einer Oxid-Gruppe enthält dieses Perowskit ein Halogenid – das Anion eines Elements aus der Halogengruppe wie Iod, Brom oder Chlor. Die beiden anderen Plätze in diesen ABX3-Molekülen nehmen Metalle und metallhaltige organische Moleküle ein.
Die Entdeckung der Metall-Halogenid-Perowskite ermöglichte neue technische Entwicklungen. Denn im Gegensatz zu Oxid-Perowskiten, die größtenteils Isolatoren sind, ist die Halid-Variante ein guter Halbleiter. Schon in den 1990er Jahren entwickelten Wissenschaftler in New York die ersten aus organisch-anorganischen Halid-Perowskiten basierenden Photo-Transistoren. Im Jahr 2009 konstruierte eine Forschungsgruppe um Tsutomu Miyasaka von der Universität Tokio die erste Perowskit-Solarzelle.
Rasante Steigerung
Während die ersten Perowskit-Solarzellen noch gerade mal 3,8 Prozent des einfallenden Sonnenlichts in Strom umwandeln konnten, entwickelten sie sich schnell weiter. Heute, nur 15 Jahre später, erreichen sie bereits Laborwirkungsgrade von bis zu 26,7 Prozent. Damit haben sie bereits die polykristallinen Siliziumzellen überholt, welche derzeit den Solarmarkt dominieren. Diese erreichen derzeit „nur“ 23,3 Prozent.
Während der Wirkungsgrad von Silizium-Solarmodulen sich nur langsam weiterentwickelt oder sogar stagniert, hat sich derjenige der Perowskite seit 2009 mehr als versiebenfacht. „Bedingt durch die rasante Steigerung der Effizienz und der Einfachheit der Herstellung von Perowskit-Solarzellen wird erwartet, dass diese einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten werden“, kommentiert Yana Vaynzof vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung.
Perowskit-Silizium-Tandemsolarzellen
In den letzten Jahren werden Perowskite vermehrt in sogenannten Tandem-Solarzellen verbaut. Dabei stapelt man – vereinfacht gesagt – verschiedene Solarzellentypen übereinander, um so höhere Wirkungsgrade zu erreichen. Die Idee: Das für die Solarzelle verwendete Material bestimmt, welchen Teil des Lichts das jeweilige Material effizient absorbieren und in Strom umwandeln kann. Beim Bau von Tandem-Solarzellen kombiniert man daher verschiedene Materialien, die jeweils unterschiedliche Wellenlängenbereiche des Lichts nutzen, um so die Photovoltaik noch effizienter zu machen.
Die erste Perowskit-Silizium-Zelle erreichte auf diese Weise direkt einen Wirkungsgrad von 14,3 Prozent. Doch auch die Tandem-Zellen haben sich seit ihrer Erfindung rasant weiterentwickelt – besonders in den letzten Jahren gab es eine kontinuierliche Steigerung der Wirkungsgrade. Im Dezember 2022 lag der Weltrekord mit 32,5 Prozent bei einer Tandem-Solarzelle des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB). Mittlerweile kann der chinesische Solarhersteller Longi eine Perowskit-Silizium-Tandemzelle mit sogar 33,9 Prozent bauen.
Industrielle Zellen
Mittlerweile werden die ersten Perowskit-Silizium-Solarzellen schon industriell gefertigt. Das Unternehmen Oxford PV fertigt solche Pjotovoltaik-Zellen mit einem Wirkungsgrad von 26,8 Proz
ent in seiner Fabrik in Brandenburg. Im Jahr 2024 soll die kommerzielle Produktion der Tandem-Solarzellen beginnen. „Dieser neue Weltrekord beweist, dass unsere Tandem-Solarzellen eine rekordverdächtige Leistung erbringen können, wenn sie zu Solarmodulen montiert werden“, sagt David Ward von Oxford PV.
„Damit ist d(ie Tandem-Solarzelle) effizienter als jedes Silizium-PV-Modul im industriellen Format, das je gebaut wurde“, sagt Stefan Glunz, Bereichsleiter Photovoltaik am Fraunhofer ISE. „Das für seine Herstellung massenfertigungskompatible Technologien eingesetzt wurden, belegt das enorme Potenzial der Tandem-Technologie für die PV-Industrie.“ Einige Wissenschaftler sehen in den Perowskiten sogar die Nachfolgetechnologie von Silizium. Doch welche Eigenschaft machen Perowskite derartig leistungsstark?