Wenn Perowskit-Solarzellen also hohe Wirkungsgrade haben, sich erstaunlich schnell weiterentwickeln, fast optimal für Tandem-Solarzellen geeignet sind und sich auch noch günstig herstellen lasse: Weshalb sind dann immer noch überall Siliziummodule zu sehen, aber von Perowskiten ist auf den Dächern quasi keine Spur?
Schneller Verschleiß
Der Grund für dieses Mysterium: Perowskitzellen sind im Vergleich zu anderen Solarmodulen relativ instabil und empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen. Denn Solarzellen müssen über Jahrzehnte auch unter Schneefall, Hagel und praller Sonne intakt bleiben und eine möglichst gleichbleibende Leistung bei der Stromerzeugung erbringen. Doch während beispielsweise Silizium-Module teilweise auch noch nach 25 Jahren bis zu 90 Prozent ihres Energieoutputs produzieren, neigen Perowskitzellen dazu, bei Feuchtigkeit, Hitze und Licht zu degradieren, was im Laufe der Zeit zu einer erheblichen Leistungsminderung führt.
„In Punkto Lebensdauer können Solarmodule auf Basis von Perowskit-Halbleitermaterialien noch nicht mit etablierten Silizium-Modulen mithalten“, erklärt Steve Albrecht vom Helmholtz-Zentrum Berlin. „Wenn Perowskit-Solarzellen jedoch fest verbaut werden, sollten sie eine stabile Leistung über mehrere Jahrzehnte liefern.“
Lange haltbares Perowskit gesucht
Aus diesem Grund versuchen Forschende zurzeit, das Problem der Degradation von Perowskit-Solarzellen zu beheben. So hat beispielsweise ein Team der University of California in Los Angeles Koffein als stabilisierenden Zusatz in die Perowskit-Ausgangs-Lösung gemischt. Mit Erfolg: Nach 1.300 Stunden zeigte die Koffein-Solarzelle noch immer 86 Prozent ihres anfänglichen Wirkungsgrads. Forschende aus Nürnberg haben 2021 eine länger anhaltende Leistung erzielt, indem sie eine besonders stabile Perowskit-Variante identifizierten. Diese Zelle hatte nach 1.450 Betriebsstunden sogar rund 99 Prozent ihres Wirkungsgrads.
Anfang 2024 gelang es einer schwedischen Forschungsgruppe eine Perowskitzelle mit einem nahezu unmerklichen Leistungsverlust selbst nach mehr als 4.500 Stunden, also fast 200 Tagen herzustellen. Eine Extrapolation dieser Daten ergab zudem, dass die Solarzelle erst nach neun Jahren auf 80 Prozent seiner ursprünglichen Leistung absinken würde. „Soweit wir wissen, handelt es sich dabei um den stabilsten bisher berichteten Perowskitfilm,“ sagt Jiajia Suovom Ångström Forschungszentrum in Uppsala.
Hoher Bleigehalt
Doch die Perowskitzellen bergen ein weiteres Problem: Das Blei, das in vielen der Zellen enthalten ist, könnte bei Beschädigung der Module austreten und in die Umwelt gelangen. Dieses Schwermetall ist jedoch toxisch und verursacht bei Menschen und Tieren sowohl akute als auch schleichende Schäden an Organen und Nervensystem. Bei Kindern kann eine längere Bleibelastung das Gehirn dauerhaft schädigen und beispielsweise die Intelligenz beeinträchtigen, wie Studien zeigen.
Um solche Umwelt- und Gesundheitsfolgen zu verhindern, wird bereits an Alternativen zu Blei im Perowskitmix geforscht. Zwar könnte das Blei auch durch alternative zweiwertige Metalle wie Zinn ersetzt werden. „Solche Perowskite stehen jedoch vor Herausforderungen wie geringer Stabilität und effizienter Ladungsextraktion“, erklärt Syed Hasnain von der Prince Muhammad Bin Fahd Universität.
Markteintritt in zwei bis fünf Jahren
Laut Yana Vaynzof vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung gilt es deshalb, noch einige entscheidende Herausforderungen zu überwinden, bevor die Perowskitzellen zur Marktreife gebracht werden können. Diese betreffen die Fertigung großflächiger Module, deren Stabilität und Nachhaltigkeit. Doch dann sieht sie hoffnungsvoll in die Zukunft. „Bedingt durch die rasante Steigerung der Effizienz und die Einfachheit der Herstellung von Perowskit-Solarzellen wird erwartet, dass diese einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten werden“, erklärt Vaynzof.
Auch andere Experten sehen einem baldigen Markteintritt der Module nichts mehr im Wege stehen. „Erste Bauteile mit Perowskit-Solarzellen sind bereits auf dem Markt, zum Beispiel von der Firma Saule. Ein realistischer Markteintritt scheint auf einer Zeitskala von zwei bis fünf Jahren zu liegen“, erklärt Albrecht. Laut ihm könnten Perowskite dann einen beträchtlichen Beitrag zur Energiewende leisten.