Lightshow im Nanomaßstab: Physiker haben einen winzigen Diamanten in eine leuchtende, sich rasant drehende Diskokugel verwandelt. Mit 1,2 Milliarden Umdrehungen pro Minute kreist der Nanodiamant frei im Vakuum und fluoresziert, von Lasern angeregt, in farbigem Licht. Das Entscheidende jedoch: Diese „Diskokugel“ erlaubt das Auslesen von Qubit-Spinzuständen im Kristallgitter des Nanodiamanten – und macht ihn so zu einem hochsensiblen und nützlichen Quantensensor, wie das Team berichtet.
Diamanten sind nicht nur begehrte Edelsteine – sie entwickeln sich auch mehr und mehr zu Stars der Quantenphysik. Denn durch Stickstoff-Fremdatome erzeugte Lücken in ihrem Kristallgitter – sogenannte NV-Fehlstellen – eignen sich hervorragend als Quantenbits. Führt man den Elektronen in diesen Fehlstellen Energie zu, beispielsweise mit einem Laser, werden sie angeregt und wechseln ihren Quantenzustand. Dieser Wechsel des Spin-Zustands entspricht einer digitalen Null oder Eins.
In der Schwebe
Jetzt ist US-Physikern um Yuanbin Jin von der Purdue University ein weiterer wichtiger Durchbruch gelungen: Sie haben einen im Vakuum schwebenden Nanodiamanten erstmals in eine kontrollierbare, schnelle Rotation versetzt – und damit seine Quantenzustände sowohl stabilisiert als auch auslesbar gemacht. „Levitierte Nanopartikel im Hochvakuum bieten einen bemerkenswerten Grad der Isolation von Umwelt-Störeffekten“, erklärt das Team. „Das macht sie besonders geeignet für die Erforschung physikalischer Grundlagen und für Präzisionsmessungen.“
Das Problem jedoch: Bisher konnte man Nanodiamanten zwar zum Schweben bringen, aber die Kontrolle über die winzigen Partikel reichte noch nicht aus, um ihre Spinzustände auszulesen. Auch das nötige Hochvakuum konnte nicht lange genug erhalten werden. Beides ist den Physikern nun erstmals gelungen. „Mithilfe einer speziellen Ionenfalle haben wir den Diamanten im Hochvakuum levitiert. Dabei konnten wir zum ersten Mal das Verhalten der Spin-Qubits in seinem Inneren beobachten und gezielt verändern“, berichtet Seniorautor Tongcang Li von der Purdue University.
Diamant wird zur „Diskokugel“
Konkret besteht die „Nano-Diskokugel“ aus einem 750 Nanometer kleinen Diamanten mit NV-Fehlstellen, die mit einem grünen Laser angeregt werden. Beim Wechsel ihres Spinzustands geben die Diamant-Qubits daraufhin rotes Licht ab, wodurch ihre Quantenzustände auslesbar werden. Um die Rotation des Nanodiamanten zu messen, bestrahlen die Forscher ihn zusätzlich mit einem Infrarot-Laser. Das am Kristall gebrochene Licht erzeugt dann ein farbiges Funkeln wie bei einer Diskokugel.
Entscheidend für das Experiment ist jedoch die Ionenfalle, die den Nanodiamanten zum Schweben bringt und in seiner Position hält. Sie besteht aus einem dünnen, für die Laserstrahlen durchlässigen Saphirplättchen. Auf ihm sind als dünne Goldschicht ringförmige Elektroden aufgebracht, die ein schnell wechselndes elektrisches Feld erzeugen. Dieses versetzt den Diamanten in Drehung. Er rotiert dadurch mit bis zu 1,2 Milliarden Umdrehungen pro Minute – schneller als je zuvor möglich. Parallel dazu erzeugt der Goldschaltkreis hochfrequente Mikrowellen, die die Nano-Diskokugel in ihrer Position halten und ihre Spins stabilisieren.
Quantensensor für das Rätsel der Gravitation
Die schnelle Rotation der diamantenen „Nano-Diskokugel“ ist für ihre Nutzung als Quantensensor entscheidend. Denn der Effekt der Drehung auf die Spin-Zustände kann verraten, welche Kräfte sonst noch auf das System einwirken. „Die Kopplung zwischen Spin und mechanischer Rotation kann als sensitives Gyroskop dienen oder als Materie-Wellen-Interferometer“, erklären die Physiker. „Unser Durchbruch hilft uns damit, die faszinierende Welt der Quantenphysik besser zu verstehen und zu erforschen.“
Sogar einem der größten Rätsel der Physik hoffen die Forscher damit näher zu kommen: Der Kluft zwischen Einsteins klassischer Vorstellung der Gravitation als Raumzeitkrümmung und den Regeln der Quantenmechanik. „Wir wissen immer noch nicht, ob und wie die Gravitation gequantelt ist„, sagt Li. „Die Fähigkeit, die Quanten-Gravitation experimentell zu untersuchen, wäre daher ein gewaltiger Durchbruch.“ (Nature Communications, 2024; doi: 10.1038/s41467-024-49175-3)
Quelle: Purdue University