Geowissen

Ein „Golden Spike“ für den Schneeball Erde

Geologen finden vollständigste Schichten der Eiszeit vor rund 720 Millionen Jahren

Snowball Earth
Vor rund 717 Millionen Jahren begann eine globale Eiszeit, die knapp 60 Millionen Jahre anhielt und fast die ganze Erde in einen "Schneeball" verwandelte. © Mihail Ulianikov/ iStock

Einzigartiges Zeugnis: Auf einer schottischen Inselgruppe haben Geologen die vollständigste Gesteinsabfolge aus der „Schneeball“-Phase unseres Planeten entdeckt. Nirgendwo sonst ist ein stratigrafisches Zeugnis dieses vor rund 720 Millionen Jahren einsetzenden Eiszeitalters so gut erhalten. Die rund 1.100 Meter dicken Schichten der Port-Askaig-Formation dokumentieren den Wandel von einer tropischen zu einer vereisten Landschaft. Damit könnte dieser Ort zum internationalen stratigrafischen Marker – einem „Golden Spike“– für diese Ära werden.

Die Erdgeschichte hat steinerne Spuren hinterlassen: Schichtabfolgen im Untergrund dokumentieren, wie sich Umwelt, Geologie und Klima im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt haben. Stellen, an denen bestimmte Schichtwechsel besonders deutlich zutage treten, dienen als Referenzpunkte – markiert durch einen „Golden Spike“, eine goldfarbene Stele. Welche Gesteinsformationen zum „Global Stratotype Section and Point“ (GSSP) gekürt werden, entscheidet eine Kommission der Internationalen Union der Geowissenschaften.

Einer dieser Golden Spikes liegt beispielsweise seit dem Sommer 2021 bei Salzgitter in Niedersachsen, wo Kalkschichten den Übergang zwischen zwei Stufen der Kreidezeit dokumentieren. Der GSSP für das Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren ist die El Kef-Formation in Tunesien, der Golden Spike für das Perm-Trias-Massensterben liegt dagegen im chinesischen Meishan.

Gesteinsformation
Diese Gesteinsformationen auf der schottischen Garvellach-Inselgruppe konservieren den Übergang zum urzeitlichen Eiszeitalter des Cryogeniums so gut wie nirgendwo sonst. © Elias Rugen

Marker für den „Schneeball Erde“ gesucht

Jetzt könnten Geologen den Marker für eine weitere Zäsur der Erdgeschichte entdeckt haben – die sturtische Eiszeit vor rund 717 Millionen Jahren. Diese rund 57 Millionen Jahre andauernde Vergletscherung leitete das Cryogenium ein, ein Eiszeitalter mit vielleicht sogar globaler Vereisung. Diese auch als „Schneeball Erde“ bezeichnete Phase begann mit dem Auseinanderbrechen des Urkontinents Rodinia und endete erst vor rund 635 Millionen Jahren mit dem Beginn des Ediacariums – des Zeitalters, in dem die ersten mehrzelligen Tiere ihren Aufschwung erlebten.

Doch ausgerechnet für diese einschneidende Phase der Erdgeschichte fehlte bisher ein geeigneter GSSP-Marker. „In viele Bereichen der Welt fehlt dieser bemerkenswerte Übergang, weil urzeitliche Gletscher die Gesteine unter ihnen abgetragen und erodiert haben“, erklärt Erstautor Elias Rugen vom University College London. „Aber wie durch ein Wunder ist dieser Wandel in Schottland sichtbar geblieben.“

Schottische Inseln als Zeitzeugen

Wie die Geologen feststellten, konserviert die von Schottland bis nach Irland reichende Port-Askaig-Gesteinsformation Ablagerungen aus dem Cryogenium und dessen Anfängen. Am besten und vollständigsten treten diese Schichten auf der schottischen Inselgruppe der Garvellachs und auf der Insel Islay zutage. „Die auf den Garvellachs freiliegenden Gesteinsschichten sind weltweit einzigartig“, sagt Rugen. „Unsere Studie liefert die erste eindeutige Altersbestimmung dieser Gesteine und bestätigt ihre globale Bedeutung.“

Der vor rund 720 Millionen Jahre beginnende Übergang zum Cryogenium zeigt sich in der Port-Askaig-Formation besonders detailreich und in ununterbrochener Schichtfolge: „Die Schichten dokumentieren erst eine tropische Meeresumgebung mit florierendem Cyanobakterien-Leben“, schildert Rugen. „Dann ist zu erkennen, wie es allmählich kälter wurde.“ Die darauf folgenden Ablagerungen zeigen deutliche Spuren von Gletschern und Vereisungen, unterbrochen von Perioden eines vorübergehenden Gletscherrückzugs. Vor rund 662 Millionen Jahren endete dann die sturtische Vereisung.

Bekommt die Formation den „Goldenen Nagel“?

Nach Ansicht der Geologen liefert ihre neue, präzise Datierung nun den Beleg, dass sich diese Gesteinsformation als stratigrafischer Marker für das Cryogenium eignet. Tatsächlich hat ein Team der für die GSSP zuständigen Internationalen Kommission für Stratigrafie die Gravellach-Inseln im Juli 2024 bereits besucht und sich die Port-Askaig-Formation angeschaut. Sie werden nun darüber beraten, ob diese schottische Gesteinsformation künftig zum „Golden Spike“ für den „Schneeball Erde“ wird. (Journal of the Geological Society, 2024; doi: 10.1144/jgs2024-029)

Quelle: University College London

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