Geniale Giganten: Buckelwale gehören womöglich zum elitären Club jener intelligenten Tiere, die Werkzeuge nicht nur benutzen, sondern sie auch selbst herstellen und an ihre Zwecke anpassen, wie Meeresbiologen herausgefunden haben. Die Art, wie Buckelwale Netze aus Luftblasen fertigen, um damit Krill und kleine Fische zusammenzutreiben, ist demnach noch komplexer als gedacht und mit dem Bau simpler Werkzeuge vergleichbar, wie er zum Beispiel auch bei Schimpansen und Krähen vorkommt.
Viele Tiere benutzen Werkzeuge, um mit ihrer Hilfe an Nahrung zu gelangen. So verwenden Seeotter zum Beispiel Steine, um damit Muscheln aufzuschlagen. Doch die wenigsten Tiere bauen und verändern ihre Werkzeuge auch selbst. Neben dem Menschen wurde dieses Verhalten bislang nur bei Menschenaffen, Krähen und Kakadus beobachtet. Sie basteln zum Beispiel Holzstäbe mit Widerhaken, um so besser an Insekten, Früchte, Pflanzen und Samen heranzukommen.
Ein neues Clubmitglied?
Dieser elitäre Club der cleveren Werkzeugbauer könnte jetzt ein unerwartetes neues Mitglied bekommen: Buckelwale. Denn nach Einschätzung von Andy Szabo von der Alaska Whale Foundation und seinem Team sind auch diese Meeressäuger dazu fähig, Werkzeuge für den Beutefang herzustellen und diese gezielt an die aktuellen Erfordernisse anzupassen.
Damit beziehen sich die Forschenden auf die für Buckelwale einzigartige „Blasennetzjagd“: Um ihre Beute – in der Regel kleine Heringe, Lachse oder Krill – in den Weiten des Ozeans zu mundgerechten Bällen zusammenzutreiben, stoßen Buckelwale systematisch Luftblasen aus ihrem Blasloch aus. Dabei entstehen für die Fische und Krebse unüberwindbare, spiralige Blasenvorhänge. Ihre eingesperrte Beute können die Wale dann mit einem einzigen beherzten Happs „abernten“.
Auf Beutezug mit Buckelwalen
Um mehr über die Details dieser cleveren Strategie zu erfahren, statteten Szabo und seine Kollegen fünf Buckelwale vor Südostalaska mit Saugnapf-Sendern aus, die die Bewegungen und Vitalwerte der Tiere aufzeichneten, und filmten über 80 Blasennetzjagden mit einer Drohne aus der Luft. Obwohl Buckelwale häufig gemeinsam auf die Jagd gehen, beschränkten sich die Forschenden auf allein jagende Wale, um so die reine Blasentechnik ohne den Einfluss von Kooperation besser beobachten zu können.
Dabei werteten Szabo und sein Team erstmals auch die genauen Muster der Blasennetze aus: von der Anzahl der Blasen über ihren Abstand zueinander bis hin zum Durchmesser der einzelnen spiraligen Ringe, die in ihrer Gesamtheit die Form eines nach unten geöffneten Trichters ergeben.
Blasennetze als Werkzeuge
Das Ergebnis: Alle untersuchten Wale arbeiteten bei der Konstruktion ihrer Blasennetze mit derselben Grundtechnik. Die Meeresgiganten begannen ihren Netzbau im Schnitt in 22,40 Meter Tiefe und gestalteten ihr Netz immer engmaschiger und schmaler, je mehr sie sich damit der Oberfläche näherten.
Doch die Forschenden beobachteten auch verschiedene individuelle Variationen, die den Abstand zwischen den Blasen, die Anzahl der Spiralringe sowie die Größe und Tiefe des Netzes betrafen. Szabo und seine Kollegen gehen allerdings nicht davon aus, dass es sich dabei um Präferenzen der einzelnen Wale handelt, sondern dass die Meeressäuger ganz gezielt all diese Parameter steuern, um in jeder Situation das Maximum an Beute herauszuholen.
Anpassung mit Mehrwert
Die Blasennetzjagd ist somit noch komplexer als ohnehin bereits angenommen und erfordert von den Walen viel Situationsbewusstsein, Geschick und Cleverness. Für Szabo und sein Team ist damit klar: „Blasennetze erfüllen die allgemeinen Kriterien für die Herstellung und Verwendung von Werkzeugen.“ Wie ein Schimpanse, der sich einen geeigneten Stock aussucht, diesen dann entrindet und so lange bearbeitet, bis er ihm beim Beutefang hilfreich ist, manipulieren auch Buckelwale gezielt die dreidimensionale Form ihrer Netze, um so größere Jagderfolge zu erzielen.
Wie sehr die Wale von diesem cleveren Werkzeuggebrauch profitieren, zeigt eine Hochrechnung des Teams. Demnach kann ein Buckelwal mit geschickt konstruiertem Blasennetz pro Beutezug siebenmal mehr Nahrung aufnehmen als ein Artgenosse, der seine Beute zuvor nicht zusammengetrieben hat und einfach so mit geöffnetem Maul das Wasser filtert. Interessanterweise verbrauchen beide dabei gleich viel Energie, wie die aufgezeichneten Vitalwerte nahelegen.
Derart effizient Beute zu machen, sichert den Buckelwalen ihr Überleben, denn sie können nur im Sommer und Herbst jagen, während sie sich in kühlen, ertragreichen Gewässern aufhalten. Den Winter und Frühling hingegen verbringen die Wale fastend in den Tropen und ziehen dort auch ihre Kälber auf. (Royal Society Open Science, 2024; doi: 10.1098/rsos.240328)
Quelle: University of Hawaii at Manoa