Trillionstel Sekunden für einen Schnappschuss: US-Forscher haben ein Transmissions-Elektronenmikroskop erstmals so umgebaut, dass es eine zeitliche Auflösung von wenigen Attosekunden erreicht. Das neuartige Atto-Mikroskop kann dadurch einige der schnellsten Prozesse in der Chemie, Physik oder Biologie einfangen – mit einem einzigen ultraschnellen Schnappschuss. Möglich wird dies durch eine geschickte Kombination von Laserpulsen, die als Elektronengeneratoren und Pulsfilter zugleich agieren.
Ob bei chemischen Reaktionen, in der Zellbiologie oder der Physik: Viele Prozesse laufen zu schnell ab, um sie mit unseren Augen oder gängigen Mikroskopen und Kameras einzufangen. Wissenschaftler arbeiten daher an Abbildungstechnologien mit entsprechend hoher zeitlicher Auflösung. Zu diesen gehören optische Kameras, die sogar Lichtpulse einfangen können, Quantenmikroskope mit Femtosekunden-Auflösung und ultraschnelle Elektronenmikroskope. Letztere können sogar schon Serien von Elektronenpulsen im Attosekunden-Abstand erzeugen.
Ein Turbo für das Elektronenmikroskop
Das Problem jedoch: Bei bisherigen Attosekunden-Elektronenmikrospen bombardiert immer gleich eine ganze Serie von Elektronenpulsen die Probe. Einzelne Pulse von wenigen Attosekunden Dauer sind hingegen nicht möglich. „Die aufgezeichneten Schnappschüsse erzeugen daher ein Video, das die durchschnittliche Dynamik der abgebildeten Prozesse zeigt“, erklären Dandan Hui und seine Kollegen von der University of Arizona in Tucson. Damit sind diese Mikroskope gut für Prozesse geeignet, die sich wiederholen.
„Um jedoch nichtperiodische Attosekunden-Prozesse aufzulösen, wie die Ladungsbewegung, elektronenbasierte Phasenübergänge oder die Elektronenbewegung in Festkörpern, muss man im Mikroskop einen einzelnen Attosekunden-Puls genieren können“, erklären die Forscher. Genau diese Technik haben sie nun erstmals für ein Transmissions-Elektronenmikroskop (TEM) entwickelt.
Wie aus Laserstrahlen Elektronenpulse werden
Basis des neuartigen Atto-Elektronenmikroskops bildet ein Laser, der ultrakurze Infrarot-Laserpulse im Femtosekunden-Abstand erzeugt. Dieser gepulste Laserstrahl wird nun mehrfach aufgeteilt. Rund zehn Prozent seines Lichts wird über einen Frequenzumwandler in Ultraviolett-Laserpulse umgewandelt und auf eine Photokathode im Elektronenmikroskop geleitet. Dies erzeugt Elektronenpulse von ebenfalls einigen hundert Femtosekunden Dauer. Die Elektronenpulse werden nun im Mikroskop durch magnetische Linsen beschleunigt und in Richtung Probe geschickt.
Dann kommt der Hauptteil des Laserstrahls zum Einsatz: Ein Teil von ihm regt die Probe an, der Rest fungiert jedoch als Pulsfilter für den Elektronenstrahl: Die Laserpulse treffen seitlich auf ein Aluminiumgitter und erzeugen dort ein gestreutes Lichtfeld. Dieses interagiert mit den von oben eintreffenden Elektronenpulsen: „Die Elektronen koppeln an den linear polarisierten Teil des gestreuten Felds und es kommt zum Energieaustausch“, erklären Hui und sein Team. Dies verkürzt und komprimiert die Elektronenpulse.
Erste TEM-Aufnahmen in Sub-Femtosekunden-Auflösung
Das Ergebnis sind einzelne Elektronenpulse, die jeweils nur einige hundert Attosekunden lang sind. „Damit erhöht sich die zeitliche Auflösung der Transmissions-Elektronenmikroskopie in den Sub-Femtosekundenbereich“, erklären die Forscher. Als ersten Test der Methode nutzten sie ihr neues Atto-Mikroskop, um die Elektronenstreuung in einer Graphen-Probe abzubilden. Dabei gelang es, die sich zeitlich schnell verändernden Muster der Elektronenverteilung in den TEM-Schnappschüssen einzufangen.
„Unsere Arbeit ebnet damit den Weg, um die Elektronenbewegung künftig in vier Dimensionen von Raum und Zeit aufzuzeichnen“, schreiben Hui und seine Kollegen. „Das öffnet uns ein Fenster in die Quantenwelt realer Systeme und kann fundamentale Fragen der Physik beantworten.“ Aber auch chemische und biologische Reaktionen können damit in Echtzeit abgebildet und gefilmt werden. „Das könnte Fachgebiete wie die Materialsynthese, die Arzneimittel-Entwicklung und die personalisierte Medizin auf ein neues Niveau heben“, so das Team. (Science Advances, 2024; doi: 10.1126/sciadv.adp5805)
Quelle: University of Arizona