Besser als ihr Ruf: Bei vielen Menschen lösen Vogelspinnen zwar Angstschweiß und Herzrasen aus, doch im Tierreich sind sie überraschend beliebt, wie Biologen herausgefunden haben. Demnach pflegen die achtbeinigen Jäger symbiotische Beziehungen zu einer Vielzahl von anderen Tieren – vor allem zu Kröten und Fröschen, aber möglicherweise auch zu anderen Spinnen und sogar zu Schlangen, Termiten und Ameisen. Diese Beziehungen der Vogelspinnen könnten interessanterweise auch erklären, wieso sie so behaart sind.
Die Angst vor Spinnen zählt zu den am häufigsten genannten Phobien. Einer Vogelspinne (Theraphosidae) mit ihrem zehn Zentimeter großen, haarigen Körper live zu begegnen, wäre für viele Menschen wahrscheinlich ein absoluter Albtraum. Doch tatsächliche Gefahr geht von den achtbeinigen Jägern nicht aus, es sei denn man ist eine Schabe oder Heuschrecke. Auch kleinen Säugetieren und Schlangen sind Vogelspinnen nicht abgeneigt, wenn es ihnen gelingt, sie zu überwältigen.
Freundliche Spinne sucht quakenden Mitbewohner
Doch Vogelspinnen verbreiten im Tierreich längst nicht nur Angst und Schrecken. Immer wieder wird auch von Fällen berichtet, in denen die Achtbeiner enge Beziehungen und sogar Symbiosen mit Tieren anderer Arten wie Fröschen und Kröten eingehen und mit diesen sogar ihren Bau teilen. Wie verbreitet solche Phänomene sind, haben nun Alireza Zamani von der finnischen Universität Turku und sein Team untersucht. Im Rahmen einer umfassenden Literaturrecherche sammelten sie alle bekannten Beobachtungen zu Vogelspinnen-Symbiosen und werteten diese in einer Übersichtsarbeit aus.
Dabei zeigte sich: Allein Symbiosen mit Fröschen und Kröten, die man beide auch als Anuren zusammenfasst, wurden bei Vogelspinnen bereits 83 Mal und in 17 Ländern beobachtet. „Die meisten dieser Beobachtungen beschreiben die Anwesenheit von mehr als einem Anuren-Individuum entweder am Eingang oder innerhalb eines besetzten terrestrischen Baus einer Vogelspinne“, berichten Zamani und seine Kollegen. Die Frösche und Kröten lebten dort offenbar jeweils gemeinsam mit der Spinne und wurden auch nicht von ihr angegriffen.
Win-Win in der WG
„Offensichtlich profitieren die Frösche und Kröten, die in den Unterschlüpfen der Vogelspinnen leben, von dem Schutz vor ihren Fressfeinden“, erklärt Zamani. In einem Experiment aus dem Jahr 1980 beschützte eine Vogelspinne ihre amphibischen Mitbewohner sogar vor einer gefährlichen Schlange. Doch was hat die Spinne von der Zweckgemeinschaft?
Die Frösche und Kröten, die die Spinne bei sich wohnen lässt, ernähren sich von Insekten. Diese wiederum können der achtbeinigen Jägerin selbst, aber vor allem ihren Eiern und Jungen gefährlich werden, wie die Forschenden erklären. „Anuren bieten insbesondere Schutz vor parasitären Fliegen und räuberischen Ameisen“, schreibt das Team. Damit profitieren beide Seiten und auch ihr Nachwuchs gleichermaßen von der ungewöhnlichen WG.
Vielfältige Mitbewohner
Doch Vogelspinnen öffnen ihre Pforten längst nicht nur für Amphibien. Wie Zamani und seine Kollegen herausgefunden haben, sind auch 14 Fälle bekannt, in denen sie ihren Bau mit kleineren Spinnen wie Weberknechten und Geißelspinnen teilten. Inwiefern die Mitbewohner jeweils davon profitieren, ist allerdings noch unklar. Dasselbe gilt für drei Fälle, in denen eine Schlange im Spinnenbau beobachtet wurde, ohne dass es zu Angriffen kam.
Mancherorts gehen bei den Vogelspinnen auch Termiten sowie gefährliche Heeresameisen ein und aus. Diese sind eigentlich dafür bekannt, eine Vielzahl von Gliederfüßern anzugreifen und zu fressen. Doch die Vogelspinnen und ihre Jungtiere verschonen sie meist, wie die gesammelten Beobachtungen nahelegen. Wahrscheinlich bedienen sie sich im Bau der Achtbeiner lediglich an den Überresten ihrer letzten Mahlzeiten und „putzen“ dabei als Nebeneffekt einmal ordentlich durch, wovon auch die Spinne profitiert.
Rätsel der Spinnenhaare gelöst
Komplett harmlos sind die Putzkommandos im Spinnenbau allerdings nicht. Denn einzelne Ameisen gehen trotz reichlich vorhandener Nahrungsreste auch immer mal wieder auf die Spinne selbst los, kommen dabei aber nie weit, wie Zamani erklärt: „Die dichte Behaarung, die den Körper der Vogelspinne bedeckt, macht es den Ameisen schwer, die Spinne zu beißen oder zu stechen. Daher glauben wir, dass sich die Behaarung als Abwehrmechanismus entwickelt haben könnte.“ Aus diesem Grund bedecken einige Vogelspinnen ihre Eiersäcke wahrscheinlich auch mit Brennhaaren.
Ergänzend zu ihren Haaren könnten Vogelspinnen auch ein abwehrendes Sekret nutzen, um sich zu schützen, wie die Forschenden vermuten. „Diese Hypothese wird durch die Beobachtung gestützt, dass Katzen und Hunde, Tiere mit einem hoch entwickelten Geruchssinn, dazu neigen, zusammenzuzucken und sich zu entfernen, wenn sie an einer Vogelspinne schnuppern“, sagt Zamani. Handfeste, wissenschaftliche Beweise für diese chemische Abwehr stehen allerdings noch aus. (Journal of Natural History, 2024; doi: 10.1080/00222933.2024.2382404)
Quelle: University of Turku