Archäologie

Mallorca: Früher besiedelt als gedacht?

Versunkene Steinzeitbrücke beweist menschliche Präsenz schon vor mindestens 5.600 Jahren

Überflutete Steinzeitbrücke
Diese Mauer aus großen Steinblöcken war einst eine Brücke über einen unterirdischen Höhlensee. © R. Landreth

Spannender Fund: Eine Steinzeitbrücke in einem unterirdischen See hat entscheidende Hinweise zur Frühgeschichte Mallorcas geliefert. Denn Kalkränder an den heute überfluteten Steinblöcken verraten, dass diese Passage schon vor mindestens 5.600 Jahren entstanden sein muss – mehr als tausend Jahre vor der vermuteten Ankunft der ersten Menschen auf der Insel. Mallorca muss demnach früher besiedelt worden sein als es bisherige Funde nahelegten, wie die Forscher berichten.

Mallorca ist zwar die sechstgrößte Insel im Mittelmeer und eine der bekanntesten. Doch für unsere Vorfahren lag sie abseits der etablierten Routen: Im Vergleich zu Kreta, Zypern und Co wurde sie erst sehr spät von Menschen besiedelt. Wann genau dies geschah, war jedoch strittig. Zwar ergaben einige Datierungen menschlicher Knochen, die auf der Baleareninsel gefunden worden waren, ein Alter von rund 9.000 Jahren, spätere Analysen widerlegten dies jedoch. Als gesichert gilt die Besiedlung Mallorcas daher erst ab der Zeit vor rund 4.400 Jahren. Ob Menschen die Insel vielleicht doch schon früher erreichten, blieb aber unklar.

Cova de Genovesa
Querschnitt der Höhle Cova de Genovesa an der Ostküste Mallorcas. © Onac et al./ Communications Earth & Environment, CC-by-nc-nd 4.0

Ein unterirdischer Überweg

Jetzt liefert ein ungewöhnlicher Fund mehr Aufschluss: eine unterirdische Brücke. Sie liegt in der Höhle Cova de Genovesa an der Ostküste der Insel, deren bemalte Wände davon zeugen, dass Menschen sie schon früh besuchten und nutzten. Die beiden luftgefüllten Kammern der Höhle sind jedoch durch einen flachen Höhlensee getrennt. In diesem See liegt eine rund 8,60 Meter lange und 50 Zentimeter hohe Passage aus großen Steinblöcken – eine steinzeitliche Brücke.

Die Menschen dieser Gegend müssen die Passage gebaut haben, um sich Zugang zum hinteren Teil der Höhle zu verschaffen. „Zur Zeit der Konstruktion dieser Brücke diente sie als Überweg in die einzige andere trockene Kammer der Höhle“, erklären Bogdan Onac von der University of South Florida und seine Kollegen. Seither ist der Meeresspiegel jedoch angestiegen, so dass die Steine heute rund einen Meter unter der Wasseroberfläche des Höhlensees liegen.

Kalkrand als Datierungshilfe

Das Spannende jedoch: An den Seiten der Steinblöcke ist noch ein Kalkrand zu erkennen, der den ursprünglichen Wasserspiegel markiert. „Dieses helle, rund 15 Zentimeter breite Band ist entlang der gesamten Brücke deutlich zu erkennen“, berichten Onac und sein Team. „Es ähnelt dem Kalkrand in einer Badewanne.“ Die Calcitkruste muss sich dort gebildet haben, wo einst der Pegel des Sees stand. „Damit spielt dieses Band eine entscheidende Rolle, um zu ermitteln, wann diese Brücke gebaut wurde“, so die Forscher.

Steinzeitbrücke
Blick auf die heute überflutete Steinzeitbrücke. © R. Landreth

Für diese Altersbestimmung entnahmen Onac und seine Kollegen daher zunächst Proben von diesem Kalkrand sowie von Kalkablagerungen an anderen, natürlichen Felsoberflächen im Höhlensee und außerhalb. Diese unterzogen sie Isotopenanalysen und einer Uran-Blei-Datierung. Parallel dazu wertete das Team Daten zur historischen Entwicklung des Meeresspiegels in dieser Region aus. Diese verrieten ihnen, wann das Wasser im Höhlensee wie hoch gestanden haben muss.

5.600 Jahre alt – mindestens

Das Ergebnis: „Eine Konstruktion der Brücke vor rund 4.400 Jahren, der bisher für die früheste Besiedlung der Insel angenommenen Zeit, ist sehr unwahrscheinlich“, berichten die Forscher. „Denn zu jener Zeit hätte die Brücke rund 70 Zentimeter unter Wasser gelegen.“ Der Überweg muss daher früher gebaut worden sein, als der Meeresspiegel noch niedriger lag. Aber wann?

„Der rekonstruierte Meeresspiegel für Mallorca legt nahe, dass die Oberseite der Brücke zuletzt vor rund 5.600 Jahren aus dem See ragte“, berichten Onac und seine Kollegen. Auch die genaueren Isochron-Datierungen von weiteren Wasserrändern in der Höhle ergaben ähnliche Werte: „Sie legen nahe, dass der Wasserspiegel in der Höhle vor 5.964 bis 5.359 Jahre einige hundert Jahre lang relativ konstant blieb“, so das Team.

Neuer Bick auf Besiedlungsgeschichte

Das aber bedeutet: Schon vor mindestens 5.600 Jahren hielten sich Menschen lange genug auf Mallorca auf, um die Höhlenbrücke zu errichten und zu nutzen. Demnach muss die Insel schon mindestens 1.200 Jahre früher besiedelt worden sein als bisher angenommen. „Unsere Daten stützen die Annahme einer frühen menschlichen Präsenz auf Mallorca schon vor 5.600 und wahrscheinlich sogar schon vor 6.000 Jahren“, konstatieren die Archäologen.

Dies wirft ein neues Licht auf die Geschichte von Mallorca und der Balearen insgesamt. Denn damit verringert sich die Kluft zwischen den früh besiedelten Inseln im östlichen Mittelmeer und den „Nachzüglern“ im westlichen Teil. „Unsere Studie unterstreicht zudem die Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit: Durch sie können wir historische Fakten enthüllen und unser Wissen über die menschliche Geschichte voranbringen“, sagt Onac. (Communications Earth & Environment, 2024; doi: 10.1038/s43247-024-01584-4)

Quelle: University of South Florida

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