Vor etwa 400 Millionen Jahren war Australien noch kein eigener Kontinent: Er lag gemeinsam mit der Antarktis, Indien, Südamerika, Afrika, Madagaskar, Arabien und Neuseeland in einer riesigen Landmasse namens Gondwanaland – besser bekannt als Gondwana. Dieser uralte Superkontinent – verbogen in den tiefen der Zeit – existierte lange vor uns Menschen, sogar lange vor unseren menschlichen Vorfahren.
Gondwana lag auf der Erde, aber nicht auf einer Erde, wie wir sie heute kennen: Die Welt war in zwei Superkontinente geteilt, ohne Eiskappen an beiden Polen, und der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre war etwa siebenmal höher als heute. Die Erde war heiß, feucht und voller üppiger Vegetation – und die Dinosaurier begannen gerade erst, das Land zu beherrschen.
Vom urzeitlichen Superkontinent…
Doch dann, vor etwa 200 Millionen Jahren, begannen tief unter der Oberfläche die Verbindungen des Superkontinents zu zerbrechen. Eines nach dem anderen trennten sich die Teile des Superkontinents ab und jeder driftete auf seinem eigenen Weg über den Globus – Südasien wanderte in den globalen Norden, die Antarktis zum Südpol, während der Rest von Gondwanas sich über die südlichen Ozeane ausbreitete. Jede Landmasse nahm eine Flora und Fauna mit sich, die von dem Leben zeugt, das sie einst gemeinsam führten.
Aber damit endet die Geschichte von Gondwanaland nicht. Im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts „Gondwana/Land“, das von der University of South Wales (UNSW) in Sydney in Zusammenarbeit mit der Flinders University geleitet wird, wird die moderne Geschichte und auch die Gegenwart – von Gondwanaland aufgedeckt. Dieses Gemeinschaftsprojekt zeichnet die moderne Geschichte von Gondwanaland nach und zeigt, was es für Australien heute bedeutet – ob als Überreste, die wir schützen, als Relikte, die wir verbrennen, oder in der Art und Weise, wie Menschen die Idee von Gondwanaland verwenden – und missbrauchen.
…zum Mythos der Neuzeit
„Wir rekonstruieren die neuzeitliche Geschichte ab den 1880er Jahren von etwas, das mehr als 200 Millionen Jahre alt ist“, sagt die Historikerin Alison Bashford vom Laureate Centre for History & Population der UNSW. Sie ist Leiterin des Gondwana/Land-Projekts, an dem auch Alessandro Antonello von der Flinders University, Pratik Chakrabarti von der University of Houston und Saul Dubow von der University of Cambridge beteiligt sind.
„Wie haben Geologen des 19. Jahrhunderts über die Kontinente der südlichen Hemisphäre und die tiefe Vergangenheit der Erde nachgedacht? Und warum ist der Begriff ‚Gondwanaland‘ heute so populär, in Australien mehr als in jedem anderen Gondwanaland-Fragment?“, fragt Bashford. „Wenn wir die Wissenschaftsgeschichte verstehen, hilft uns das, die Parameter der heutigen Forschungsfragen zu erklären und zu verstehen, wie der aktuelle Konsens über Plattentektonik und eine dynamische Erde zustande kam.“
Das multidisziplinäre Team hinter dem Projekt, zu dem Historiker, Geologen, Anthropologen und andere gehören, setzt sich aus Forschenden von allen Kontinenten des ehemaligen Gondwanalands zusammen. „Alle Teile des ehemaligen Gondwanalands haben sehr unterschiedliche neuzeitliche Geschichten zu erzählen. Nur, wenn wir dieses große Team zusammenbringen, können wir die Geschichte der südlichen Hemisphäre entschlüsseln“, sagt Bashford. „In gewisser Weise bringt unser Projekt Gondwanaland wieder zusammen.“