Unsterbliches Protein: Das Kollagen in tierischen Geweben müsste eigentlich schon nach rund 500 Jahren zerfallen. Trotzdem wurde bereits 195 Millionen Jahre altes Dinosaurier-Kollagen entdeckt. Wie ist das möglich? Chemiker sind der Lösung des Rätsels nun einen großen Schritt nähergekommen. Für die lange Haltbarkeit des Kollagens ist demnach seine besondere Bindungsstruktur entscheidend.
Kein Protein kommt im Körper von Tieren und Menschen häufiger vor als Kollagen. „Kollagen ist das Gerüst, das uns zusammenhält“, erklärt Ronald Raines vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Das Strukturprotein verleiht unseren Knochen und Sehnen ihre Stabilität und macht auch Muskeln, Bänder und Haut widerstandsfähig. Seine robuste Natur hat das Kollagen seiner faserigen Struktur zu verdanken: Es besteht aus langen Proteinsträngen, die sich zu einer zähen Dreifach-Helix verflechten.
Wasser als Schwäche – oder doch nicht?
Doch das vor Kraft nur so strotzende Kollagen hat auch eine entscheidende Schwäche: Wasser. Die Peptidbindungen, die die Aminosäuren des zähen Proteins miteinander verbinden, lösen sich beim Kontakt mit Wassermolekülen. Da dieser Hydrolyse genannte Prozess rund 500 Jahre benötigt, müssen wir uns aber keine Sorgen darum machen, beim nächsten Bad zusammenzufallen.
Erdgeschichtlich betrachtet sind 500 Jahre aber wiederum keine lange Zeit – kaum mehr als ein Wimpernschlag. Es erscheint daher nur logisch, dass die Knochen von vor Millionen von Jahren gestorbenen Tieren längst kein Kollagen mehr enthalten dürften, aber sie tun es doch. Paläontologen konnten das Protein unter anderem bereits in den 68 Millionen Jahre alten Knochen eines Tyrannosaurus rex nachweisen und sogar im 195 Millionen Jahre alten Skelett eines Lufengosaurus. Wie aber ist das möglich?
Der Langlebigkeit auf der Spur
Ein zentraler Erklärungsansatz besagt, dass das Dinosaurier-Kollagen so langlebig ist, weil die trockenen Knochen die Peptidbindungen all die Jahre vor Feuchtigkeit geschützt haben. Während das nicht falsch sein mag, so gehen einige Wissenschaftler trotzdem davon aus, dass die Erklärung noch nicht vollständig ist: Es müssen weitere Gründe auf atomarer Ebene zu finden sein.
MIT-Forschende um Jinyi Yang haben sich daher nun erstmals auf die Suche nach molekularen Mechanismen begeben, mit denen sich das Kollagen womöglich vor Wasser schützt. Dafür analysierten sie die Peptidbindungen im Kollagen und stellten verschiedene Kollagen-Versionen her, anhand derer sie die Auswirkung der Proteinstruktur auf die Wasserfestigkeit testeten.
Schutzschild gegen den Zerfall entdeckt
Das Ergebnis: Mit einem kleinen chemischen Trick gelingt es einigen Kollagen-Proteinen tatsächlich, sich vor eindringendem Wasser und damit vor dem Zerfall zu bewahren, wie Yang und ihre Kollegen herausgefunden haben. Wie genau dieser Schutzschild funktioniert, zeigt demnach ein genauerer Blick auf die Peptidbindungen.
Eine Peptidbindung entsteht immer zwischen einem Kohlenstoffatom der einen und einem Stickstoffatom der anderen Aminosäure. Dabei geht das Kohlenstoffatom aber gleichzeitig auch eine Doppelbindung mit einem Sauerstoffatom der zweiten Aminosäure ein und bildet so eine Molekularstruktur, die man als Carbonylgruppe bezeichnet.
Trans-Konfiguration schützt die Bindung
Genau hier liegt der Clou: Bei der Doppelbindung der Carbonylgruppe bilden die an dieser kovalenten Bindung beteiligten Elektronen ein Pi-Orbital, das normalerweise durch polare Moleküle wie H2O leicht angreifbar ist. Doch in der Dreifach-Helix des Kollagens sind die Pi-Orbitale durch die Wechselwirkung mit benachbarten Elektronen räumlich anders angeordnet. Die Bindung liegt in der sogenannten Transform vor, wie das Team erklärt.
„Eine Peptidbindung ist entweder Cis oder Trans und das Verhältnis beider kann ganz unterschiedlich sein“, sagt Seniorautor Ronald Raines. Als die Forschenden in einer Simulation Kollagen mit verschiedenen Anteilen dieser Bindungsformen auf ihre Anfälligkeit für die Hydrolyse testeten, zeigten sich klare Unterschiede: „Die ungeschützte Cis-Bindung hielt nicht lange“, so Raines. Die in der Dreifach-Helix des Dinosaurier-Kollagens dominierende Trans-Konfiguration blieb dagegen stabil.
„Es gibt kein schwaches Glied“
Diese schützende Konfiguration der Bindungselektronen wurde auch schon in den Helix-Strukturen anderer Proteine beobachtet, doch da diese in der Regel noch aus weiteren, andersförmigen Strukturen bestehen, bleiben weiterhin Einfalltore für Wassermoleküle.
Nicht so aber beim Kollagen. „Kollagen besteht aus Dreifach-Helices, von einem Ende zum anderen. Es gibt kein schwaches Glied“, erklärt Raines. Und genau deshalb konnte das zähe Protein nach Einschätzung der Forschenden auch so lange in Dinosaurier-Fossilien überdauern. (ACS Central Science, 2024; doi: 10.1021/acscentsci.4c00971)
Quelle: American Chemical Society