Astronomie

Schwarzes Loch hungert seine Galaxie aus

Astronomen "ertappen" Galaxie beim Sternbildungsstopp durch Rohstoff-Entzug

Starburst-Galaxie
Die meisten Galaxien haben eine frühe Phase intensiver Sternbildung hinter sich. Doch was stoppte diesen frühen Boom? © ESA/ NASA, L. Calçada

Kosmische Sabotage: Astronomen haben eine frühe Galaxie entdeckt, die von ihrem eigenen zentralen Schwarzen Loch ausgehungert wird – sie kann kaum noch neue Sterne bilden und ist quasi „tot“. Der Grund dafür: Das als Rohmaterial nötige kühle Gas wird vom Schwarzen Loch ins All hinausgeblasen, wie Aufnahmen des James-Webb-Teleskops enthüllten. Dies bestätigt Theorien dazu, warum Galaxien wie die Milchstraße nach einer frühen Phase explosionsartiger Sternbildung nur noch langsam wachsen, wie das Team in „Nature Astronomy“ berichtet.

Unsere Milchstraße und die meisten anderen Galaxien im heutigen Kosmos sind alt und weitgehend inaktiv: In den massereichen Sternansammlungen entstehen pro Jahr nur wenige neue Sterne. Anders war dies im frühen Kosmos: In ihrer Jugend durchlebten die Galaxien eine Phase intensiver Sternbildung, in der jedes Jahr tausende neuer Sterne hinzukamen. Doch diese Starburst-Phase endete oft schon wenige Milliarden Jahre nach dem Urknall durch ein sogenanntes Quenching – den plötzlichen starken Abfall der Sternbildung.

Galaxie GS-10578
Aufnahme der 11,6 Lichtjahre entfernten Galaxie GS-10578. Sie bildet trotz ihres relativ geringen Altera fast keine neuen Sterner mehr – aber warum? © Francesco D’Eugenio

Galaxien als „kolossale Wracks“

„Die lokalen, massereichen Galaxien erscheinen wie kolossale Wracks einer glorreichen, aber weit zurückliegenden Sternbildungsgeschichte, auf die ein mächtiges, schnelles Quenching folgte“, erklären Francesco D’Eugenio von der University of Cambridge und seine Kollegen. „Solche massiven quieszenten Galaxien haben kaum bis kein kaltes Gas mehr, den Rohstoff für die Sternbildung.“ Das Galaxienwachstum stagniert dadurch, sofern es nicht durch eine Galaxienverschmelzung oder andere Prozesse wieder angeheizt wird.

Doch was ist die Ursache für das abrupte Ende der Sternbildung bei so vielen Galaxien? Bisher können Astronomen darüber nur spekulieren. So könnte die vorhergehende Phase der überaktiven Sternbildung schlicht den gesamten Rohstoff aufgezehrt haben, denkbar wäre aber auch, dass das zentrale Schwarze Loch dieser Galaxien eine Rolle spielt – beispielsweise indem es das kalte, neutrale Gas aus der Galaxie hinausbläst.

Jung und trotzdem fast „tot“

Jetzt liefert eine ferne Galaxie neue Einblicke, denn die Astronomen haben sie quasi auf „frischer Tat“ ertappt. Dies gelang, weil D’Eugenio und sein Team die rund 11,6 Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie GS-10578 erstmals mit dem James-Webb-Weltraumteleskop ins Visier nehmen konnten. „Basierend auf früheren Beobachtungen wussten wir, dass diese Galaxie in einem gequenchten Zustand ist: Sie bildet gemessen an ihrer Größe kaum noch Sterne“, berichtet D’Eugenio. „Doch vor Webb konnten wir diese Galaxie nicht in ausreichendem Detail studieren.“

Die neuen Beobachtungen bestätigen nun, dass die Sternbildung in dieser etwa Milchstraßen-großen Galaxie tatsächlich nahezu zum Erliegen gekommen ist. Pro Jahr bildet sie nur noch rund 19 Sonnenmassen an neuen Sternen, wie die Astronomen ermittelten. Das sei weniger als Fünftel dessen, was für normale Galaxien dieser Größe zu jener Zeit normal war.

Schwarzes Loch weht Gasnachschub davon

Das Entscheidende jedoch: Die Aufnahmen des Webb-Teleskops enthüllten den Grund für diesen Sternbildungsstopp. Die Astronomen entdeckten einen starken Ausstrom kühler, neutraler Gase aus der Galaxie GS-10578. Pro Jahr werden dadurch bis zu 100 Sonnenmassen an Gas in hohem Tempo nach außen und bis ins All hinaus transportiert. „Dieser Ausstrom neutralen Gases reicht aus, um die Sternbildung stoppen, in dem er ihr den nötigen Rohstoff entzieht“, berichten D’Eugenio und seine Kollegen.

Und sogar den „Schuldigen“ für diesen Gasverlust konnte das Team identifizieren. „GS-10578 beherbergt einen aktiven Galaxienkern und auf das Feedback dieses supermassereichen Schwarzen Lochs gehen die Ausströme zurück“, erklären die Astronomen. Die Teilchenströme und Strahlung des aktiven Schwarzen Lochs blasen demnach das kühle, neutrale Gas aus der Galaxie hinaus – und entziehen ihr so den Rohstoff für die Sternbildung.

Bestätigung der Theorien

Damit belegen die Beobachtungen, dass ein zentrales Schwarzes Loch seine Heimatgalaxie tatsächlich „aushungern“ kann. „Wir wussten, dass Schwarze Löcher einen großen Einfluss auf ihre Galaxien haben und wahrscheinlich kommt es durchaus häufig vor, dass sie deren Sternbildung unterbinden. Aber erst mit dem Webb-Teleskop konnten wir dies bestätigen“, sagt Koautor Roberto Maiolino von der University of Cambridge.

Als nächstes wollen die Astronomen die Galaxie GS-10578 mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) in Chile anvisieren, um mithilfe von dessen Radioteleskopen auch die kühlsten, dunkelsten Gasanteile der Galaxie beobachten zu können. Dies könnte noch mehr darüber verraten, wie das Quenching vor sich geht. (Nature Astronomy, 2024; doi: 10.1038/s41550-024-02345-1)

Quelle: University of Cambridge

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