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Astronomie

Starlink: Neue Satelliten stören Radioastronomie noch mehr

Satelliten der zweiten Generation erzeugen 30-mal mehr und breiter verteilte Radio-Störstrahlung

Satelliten-Konstellation
Satelliten-Konstellationen wie Starlink senden Leckstrahlung im Radiobereich aus, die die Radioastronomie stört. © ESA Science Office

Schlimmer statt besser: Die Starlink-Satelliten der zweiten Generation strahlen noch mehr unerwünschte Radio-Störstrahlung ab als ihre Vorgänger – etwa 32-mal so viel, wie Astronomen ermittelt haben. Außerdem verteilt sich diese Leckstrahlung über einen breiten Frequenzbereich. Dadurch behindert die Satelliten-Konstellation die Radioastronomie und schwächere kosmische Radioobjekte werden millionenfach überstrahlt. Die Menschheit drohe damit, ihr Fenster ins Weltall zu verlieren, warnen die Forschenden.

Das Problem ist nicht neu: Schon vor Jahren warnten Astronomen, dass die neuen Satelliten-Konstellationen die Astronomie behindern. Denn die tausenden von Mini-Satelliten, die uns orbitales Breitband-Internet bescheren, erzeugen unerwünschte Lichtreflexionen und Streulicht, die die sensiblen Sensoren der optischen Teleskope stören. Fast noch gravierender ist das Problem für die Radioastronomie: Die Bordelektronik der Satelliten setzt Radiostrahlung frei, die die eigentlich für die Radioastronomie reservierten Frequenzbereiche kontaminiert.

Das Problem ist inzwischen so gravierend, dass sich im Dezember 2023 erstmals auch die Weltfunkkonferenz mit dieser Störstrahlung und möglichen Gegenmaßnahmen befasste. Starlink-Betreiber SpaceX sagte zudem zu, bei neueren Satelliten Maßnahmen gegen unerwünschte Reflexionen umzusetzen.

Zweite Generation stahlt noch mehr

Doch nun zeigt sich: Die zweite, neuere Generation der Starlink-Satelliten mag zwar besser gegen visuelles Streulicht ausgerüstet sein, aber im Radiobereich hat sich das Problem noch verschlimmert. Das stellten Cees Bassa und seine Kollegen vom niederländischen Institut für Radioastronomie (ASTRON)  fest, als sie im Juli 2024 die Störstrahlung von Satelliten mithilfe der Radioantennen des LOFAR-Observatoriums erneut gemessen haben. Dabei tasteten sie den Himmel über den Teleskopen in zwei Frequenzbereichen ab, von 10 bis 88 Megahertz sowie von 110 bis 188 Megahertz.

Das Ergebnis: Anders als erhofft ist die Störstrahlung der zweiten Starlink-Generation nicht besser, sondern schlimmer geworden. „Die unbeabsichtigte Leckstrahlung der v2-Mini- und v2-Mini-Direct-to-Cell-Satelliten erreicht Intensitäten von hunderten Janskys und in einigen Fällen sogar mehr als einem Kilojansky“, berichten die Astronomen. Damit sei die Störstrahlung dieser neuen Starlink-Satelliten bis zu 32-mal stärker als die der ersten Generation.

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Himmel über einer LOFAR-Radiostation im Radiofrequenzbereich on 60 Megahertz. Die hellen, sich schnell bewegenden Punkte in der rechten, konstrastverstärkten Aufnahme stammen von Starlink-Satelliten.© AstronNL

Über das gesamte Radiospektrum verteilt

Ein weiteres Problem: Während die älteren Starlink-Satelliten vor allem schmalbandige Störstrahlung aussenden, ist die unbeabsichtigte Leckstrahlung der zweiten Starlink-Generation über fast das gesamte untersuchte Spektrum verteilt. Die Satelliten zeigen periodische, breit verteilte Peaks sowohl im niedrigen wie im höheren Frequenzband. Davon betroffen sind auch die für die Radioastronomie reservierten Radiofrequenzbereiche, wie das Team ermittelte.

„Unsere Beobachtungen zeigen, dass die breitbandige Leckstrahlung der v2-Mini und v2-Mini-DTC-Satelliten im reservierten Frequenzbereich von 150,5 bis 153 Megahertz im Schnitt 15 und sieben Dezibel lauter ist als bei den Starlink-Satelliten der ersten Generation“, berichten Bassa und sein Team. Der gleiche Trend zeige sich in weiteren reservierten Radiobereichen. Verschärft wird das Problem noch dadurch, dass die neuere Generation der Starlink-Satelliten die Erde auf niedrigeren Orbits kreisen. Dies verstärkt die Intensität der ohnehin schon stärkeren Störstrahlung noch zusätzlich – gegenüber der ersten Generation um bis zu 130 Prozent, wie die Astronomen ermittelten.

Störstrahlung
Frequenzbereiche und Intensität der Leckstrahlung verschiedener Starlink.-Satelliten. © Bassa et al. / Astronomy & Astrophysics, CC-by 4.0

Millionenfach heller als astronomische Radioquellen

Für die Radioastronomie werden die Satellitenkonstellationen damit zum echten Hindernis: „Verglichen mit den schwächsten radioastronomischen Quellen, die wir mit LOFAR erforschen, ist die Leckstrahlung der Starlink-Satelliten zehn Millionen mal heller“, sagt Bassa. „Der Unterschied ist vergleichbar mit der Helligkeit des Vollmonds zu den schwächsten noch mit bloßem Auge sichtbaren Sternen.“ Da in den nächsten Jahren noch hunderte bis tausende weitere Satelliten von Starlink, Amazon und weiteren Anbietern dazukommen werden, werde die Lage immer schlimmer.

„Die Menschheit nähert sich einem Punkt, an dem wir handeln müssen, wenn wir unser Fenster ins Universum erhalten wollen“, sagt Koautor Federico Di Vruno vom SKA-Radioobservatorium in Südafrika. „Die Minimierung der Leckstrahlung sollte eine Priorität in den Nachhaltigkeits-Richtlinien der Satellitenbetreiber werden.“ Wie der Astronom betont, ist Starlink nicht der einzige Big Player im niedrigen Erdorbit, aber als ein Vorreiter der Mega-Konstellationen habe SpaceX die Chance, auch hier Maßstäbe zu setzen.

Auf Kooperation der Satellitenbetreiber angewiesen

Bisher gibt es noch keine offiziellen Regelungen und Richtlinien bezüglich der unbeabsichtigten Leckstrahlung. Deshalb sind Radioastronomen vorerst darauf angewiesen, dass die Satellitenbetreiber ihnen mit Schutzmaßnahmen entgegenkommen. „Glücklicherweise kooperiert SpaceX in Bezug auf Tests und Gegenmaßnahmen aktiv sowohl mit der optischen wie der Radioastronomie“, erklären Bassa und seine Kollegen.

Die aktuellen LOFAR-Messergebnisse können daher SpaceX nun wertvolle Informationen geben, wo die Starlink -Satelliten noch optimiert werden müssen, damit weniger Leckstrahlung entsteht. „Die astronomische Gemeinschaft muss das Problem der unbeabsichtigten Radiostrahlung aber auch an die Kontrollgremien herantragen, damit entsprechende Regularien erlassen werden“, betont das Team. (Astronomy & Astrophysics, 2024; doi: 10.1051/0004-6361/202451856)

Quelle: Astron

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