Extremwetter: Die jüngste Hochwasserkatastrophe in Mittel- und Osteuropa wäre ohne den Klimawandel nicht so gravierend ausgefallen – oder gar nicht erst eingetreten, wie eine aktuelle Attributionsstudie ergeben hat. Demnach hat die Häufigkeit der verursachenden Vb-Wetterlage zwar nicht zugenommen, wohl aber die Intensität des von ihr ausgelösten Starkregens. Dadurch sind schwere Überschwemmungen wie diese doppelt so wahrscheinlich wie ohne die Klimaerwärmung. Erreicht die Erwärmung zwei Grad, könnten sich ihre Häufigkeit noch einmal verdoppeln, wie das Team berichtet.
Tagelanger Starkregen hat vom 12. September 2024 in weiten Teilen des südlichen Mittel- und Osteuropa schwere Überschwemmungen ausgelöst. Flüsse traten über die Ufer und setzten Städte und ganze Landstriche unter Wasser. Wichtige Infrastruktur wurde zerstört, hunderttausende Menschen waren tagelang ohne Strom. Insgesamt waren mehr als zwei Millionen Menschen direkt betroffen, mehrere Länder riefen den Katastrophenfall aus.
Ursache dieser Überflutungen war die sogenannte Vb-Wetterlage – ein Tief, das wassergesättigte Luftmassen aus dem Mittelmeerraum nach Ost- und Mitteleuropa transportierte. Auch einige frühere Hochwasserkatastrophen, darunter die „Jahrhunderthochwasser“ der Jahre 2002, 2010 und 2013 gehen auf diese Wetterlage zurück.
Keine Zunahme der Vb-Wetterlagen…
Welche Rolle der Klimawandel für die aktuelle Hochwasserkatastrophe und ihren Auslöser gespielt hat, haben nun Joyce Kimutai vom Imperial College London und ihre Kollegen von der World Weather Attribution näher untersucht. Für ihre Attributionsstudie analysierten sie mithilfe von Klimamodellen zum einen, ob Vb-Wetterlagen mit dem Klimawandel häufiger geworden sind. Zum anderen gingen sie der Frage nach, ob die Erwärmung den resultierenden Starkregen verstärkt und damit ein Jahrhunderthochwasser wahrscheinlicher gemacht hat.
Das erste Ergebnis: Der Urheber der Extremwetter-Katastrophe, die Vb-Wetterlage, ist durch die Klimaerwärmung bisher nicht häufiger geworden. „Die Analyse analoger Wettersysteme in Beobachtungsdaten seit den 1950er Jahren legt nahe, dass es seither keine robusten Veränderungen in der Zahl der Vb-Tiefdruckgebiete gegeben hat“, berichten die Forschenden. Demnach wäre diese Wetterlage wahrscheinlich auch ohne den Klimawandel aufgetreten.
…aber mehr Starkregen
Wie aber sieht es mit der Intensität des vom Vb-Tief ausgelösten Starkregens aus? „Dieses Niederschlagsereignis war das mit Abstand schwerwiegendste, das je dokumentiert wurde“, berichten Kimutai und ihr Team. „Ein Ereignis dieses Ausmaßes ist sehr selten, es wird normalerweise nur einmal alle 100 bis 300 Jahre erwartet.“ Mithilfe von Klimamodellen verglichen die Forschenden, wie stark solche Starkregen mit und ohne die aktuelle Erwärmung in der betroffenen Region auftreten würden.
Das Ergebnis hier: „Für diese Region sind Vier-Tages-Starkregenereignisse durch den anthropogenen Klimawandel doppelt so wahrscheinlich geworden“, schreibt das Forschungsteam. Außerdem hat sich die Intensität der Regenfälle allein durch die menschengemachte Erwärmung um rund sieben Prozent verstärkt – mindestens. Denn weil die Modelle die Konvektionsprozesse nur in Teilen nachbilden, unterschätzen sie das Ausmaß der Niederschläge eher. „Unserer Resultate sind daher sehr konservativ“, betont das Team.
Risiko steigt weiter
In einer weiteren Analyse haben Kimutai und ihre Kollegen das zukünftige Risiko für solche Hochwasserkatastrophen in Mittel- und Osteuropa untersucht. Dafür simulierten sie die Situation bei zwei Grad Erwärmung gegenüber präindustriellen Bedingungen – dem im Pariser Klimaabkommen als Maximum definierten Klimaschutz-Zielwert. Allerdings hat die globale Erwärmung schon jetzt einen Wert von knapp 1,5 Grad erreicht.
Wie erwartet zeigte sich bei zwei Grad Erwärmung eine weitere Verschärfung der Hochwassergefahr: „Klimamodelle sagen für zwei Grad Erwärmung noch intensivere Vier-Tages-Starkregen voraus“, berichtet das Team. „Gegenüber heute wird sich die Wahrscheinlichkeit um weitere 50 Prozent erhöhen und die Intensität der Regenfälle um weitere fünf Prozent.“ Auch diese Angaben seien wahrscheinlich zu niedrig, weil gängige Klimamodelle extremen Starkregen eher unterschätzen, erklären Kimutai und ihre Kollegen.
Hochwasserschutz hat viele gerettet
Immerhin eine gute Nachricht gibt es: Dank der in den letzten Jahren verbesserten Hochwasserschutz-Maßnahmen hat die aktuelle Hochwasserkatastrophe weniger Todesopfer gefordert als die im gleichen Gebiet aufgetretenen Jahrhunderthochwasser on 1997 und 2002, wie die Forschenden berichten. „Das zeigt die Effektivität der Investitionen, die in Vorhersage, Frühwarnsysteme und Maßnahmen wie Evakuierungen, Hochwasser-Barrieren und prophylaktische Leerungen von Wasserreservoiren getätigt wurden“, so Kimutai und ihre Kollegen.
Allerdings betont das Team auch, dass das zunehmende Risiko für solche Starkregen und Überschwemmungen weitere Anpassungen nötig machen. (WWA-Attributionsstudie, 2024 (PDF))
Quelle: World Weather Attribution