Herpes ist zwar landläufig ein Synonym für Lippenbläschen und Ausschläge. Doch Herpesviren können noch ganz andere Erkrankungen verursachen. Das Epstein-Barr-Virus (EBV) kann bei Erstkontakt beispielsweise Pfeiffersches Drüsenfieber auslösen. Bei Kindern verläuft diese Herpes-Erkrankung meist mild, bei Jugendlichen und Erwachsenen hingegen mit ausgeprägtem Fieber sowie Kopf-, Glieder- und Halsschmerzen.
Darüber hinaus kann EBV bei Reaktivierung verschiedene Krebsarten verursachen, darunter Tumore im Nasen-Rachen-Raum und Magen sowie verschiedene Lymphome. Ein Großteil aller Menschen trägt das Epstein-Barr-Virus in sich, meist jedoch ohne Symptome zu entwickeln oder etwas davon zu merken.
Krebstreiber Cytomegalie-Virus
Ebenfalls eines der am weitesten verbreiteten Herpesviren ist das Cytomegalie-Virus (CMV), mit dem 40 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland infiziert sind. Die CMV-Erstinfektion verläuft in der Regel harmlos und ohne Symptome. Bei Ungeborenen kann dieses Herpesvirus aber auch Fehlbildungen wie Hörschäden oder eine Schädelfehlbildung verursachen, wie sie auch nach einer Zika-Infektion im Mutterleib auftreten kann. Im Alter kann das Cytomegalie-Virus zudem zu einer Immunschwäche führen.
Lange wurde außerdem angenommen, dass CMV Hirntumore auslöst. Das ist neueren Untersuchungen zufolge jedoch wahrscheinlich nicht der Fall. Allerdings kann das Virus eine bestehende Krebserkrankung verschlimmern. Denn das Cytomegalie-Virus regt nachweislich das Wachstum von Krebszellen an. „Zum einen bilden Tumorzellen, die mit dem Virus infiziert sind, mehr und schneller Metastasen aus als nicht infizierte Zellen“, erklärt Jindrich Cinatl vom Interdisziplinären Laboratorium für Tumor- und Virusforschung in Frankfurt. Zweitens seien infizierte Tumorzellen wesentlich unempfindlicher und sprechen schlechter auf Chemotherapeutika an.
Kaposi-Sarkom durch Herpesviren
Tumore können bei Menschen mit schwachem Immunsystem auch infolge einer Infektion mit dem Kaposi-Sarkom-assoziierten Herpesvirus (KSHV oder HHV-8) auftreten, darunter das namensgebende und oft tödliche Kaposi-Sarkom. Diese Krebsart wurde vor allem im Rahmen der Aids-Pandemie bekannt, weil viele immungeschwächte HIV-Patienten daran erkranken. Typisch dafür sind dunkle Flecken – sogenannte Läsionen – auf der Haut und den inneren Organen.
Zudem lässt dieses Herpesvirus ähnlich wie das Cytomegalie-Virus die Tumore schneller wachsen. In Europa kommt das Virus bei etwa zehn Prozent der Bevölkerung vor, in Afrika wegen der höheren HIV-Infektionszahlen bei bis zu 40 Prozent.
Herpesviren als Anti-Krebs-Mittel?
Doch Herpesviren können uns nicht nur krank machen, sondern künftig möglicherweise auch wieder gesund: Forschende haben die DNA des Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) gentechnisch so verändert, dass sich das Virus als Waffe gegen Krebs nutzen lassen könnte. „Die genetische Veränderung sorgt dafür, dass unsere Viren, die wir direkt in den Tumor injizieren, nur in Krebszellen eindringen und nicht in gesunde“, erklärt Susanne Bailer vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart.
„Dort vermehren sie sich und bringen die Zellen zum Platzen.“ Infolgedessen wird auch das körpereigene Immunsystem gegen den Tumor aktiv. Diese experimentelle Technologie ist jedoch noch nicht für die Therapie zugelassen und muss zunächst weiter erforscht werden.