Erdgeschichte

Zurück ans Ende des Perm

Nordhessen vor gut 255 Millionen Jahren

Drehen wir das Zeit-Rad um 255 Millionen Jahre zurück. Vor uns liegt eine traumhafte Südsee-Idylle. Die See plätschert sanft an den flachen Strand, es herrscht tropisches Wüstenklima. Rochenartige Platthaie durchstreifen die tiefblaue Lagune auf der Suche nach Beute. Die Riffe im flachen Wasser des Zechsteinmeeres bieten Fischen und muschelähnlichen Armfüßern einen reichen Lebensraum. An Land, über der rötlich gefärbten Küstenebene, flimmert die Luft. Dackelgroße Reptilien wuseln durch den nahe gelegenen, Schatten spendenden Hain aus Nadel- und Gingkobäumen.

Zechsteinmeer
Ausdehnung des Zechsteinmeers in Mitteleuropa vor 255 Millionen Jahren. © San Jose/ Drdoht, CC-by-sa 3.0

Ein tropisches Flachmeer

Zu dieser Zeit, im Oberperm (Zechstein), liegt fast der gesamte Norden Deutschlands unter Wasser – immer wieder machen Meeresvorstöße die Landschaft zu einem weiten Flachmeer, um sich dann wieder zurückzuziehen. Über einen schmalen Meeresarm, die „Hessische Senke“, dringt das Zechsteinmeer sogar bis nach Süddeutschland vor. In seiner größten Ausbreitung bedeckt dieses Zechsteinmeer rund einer Million Quadratkilometer – mehr als die doppelte Fläche des heutigen Schwarzen Meeres.

Das heutige Nordhessen liegt vor 255 Millionen Jahren an der westlichen Küstenlinie des Zechsteinmeeres. Der 562 Meter hohe Eisenberg nahe der hessischen Stadt Korbach ragt dabei wie eine dem Festland vorgelagerte Insel aus dem Flachmeer empor. Immer wieder schleudert die Brandung hier Geröll und Schutt an den Strand. Die dabei entstehenden terrassenartigen Brandungsplattformen sind noch heute am Eisenberg zu erkennen. Aber auch an anderen Stellen dieser zum Geopark GrenzWelten zusammenfassten Region sind die Spuren dieser urzeitlichen Küste noch erhalten.

Zechsteinkalk und Kupferschiefer

Das warme, trockene Klima am Ende des Perm lässt enorme Mengen Wasser aus dem flachen Zechsteinmeer verdunsten – immer wieder fallen weite Gebiete trocken. In ihnen bilden sich zunehmend dickere Ablagerungen aus feinkörnigem Kalkschlamm und Salzen. Gleichzeitig sorgen wiederholte Meeresvorstöße dafür, dass diese Region erneut überschwemmt wird und der Zyklus aus Verdunstung und Ablagerung von vorn beginnen kann.

Kupferschiefer
Neben dicken Kalksteinschichten hat das Zechsteinmeer auch dunkle Ablagerungen in Form des Kupferschiefers hinterlassen. © Ion Tichy/ CC-by-sa 3.0

Heute zeugen dicke Schichten aus dem feinkörnigen Zechsteinkalk von diesem Geschehen. Weiter im Norden verdanken die zahlreichen Steinsalzvorkommen ihre Entstehung ebenfalls dem Zechsteinmeer. Die Untergrenze der Zechstein-Formation wird durch den sogenannten „Kupferschiefer“ gebildet – eine tonige Kalkschicht, die durch organische Substanz, fein zermahlener Pyrit und metallhaltige Minerale dunkel gefärbt ist.

Mit Schiefer im geologischen Sinne hat diese Gesteinsformation allerdings nichts zu tun, denn sie entstand durch Ablagerung, nicht durch hohen Druck oder andere metamorphische Prozesse. Aber ähnlich wie der echte Schiefer hat auch der Kupferschiefer eine blättrige, leicht spaltbare Struktur, was ihm seien Namen verlieh. Die markante Schicht bildet einen wichtigen geologischen Leithorizont für das späte Perm in Deutschland und Europa.

Coelurosauravus
Anders als Pterosaurier und Vögel flogen Weigeltisaurus und seine Verwandten nicht mithilfe von zu Flügeln umgebildeten Vorderbeinen. © Nobu Tamura (http://spinops.blogspot.com)/ CC-by-sa 3.0

Das erste fliegende Wirbeltier

Spannend sind Zechsteinkalk und Kupferschiefer aber auch in paläontologischer Hinsicht: In den Ablagerungen aus dem Zechsteinmeer wurden viele Überreste von Tieren und Pflanzen der damaligen Zeit eingeschlossen und konserviert. Sie liefern heute einen einzigartigen Einblick in die Lebenswelt am Ende des Perm-Zeitalters – einer erdgeschichtlich reichlich turbulenten Zeit.

In dieser Ära erhob sich mit der ungewöhnlichen Flugechse Weigeltisaurus wahrscheinlich zum ersten Mal ein Wirbeltier in die Luft. Anders als später bei den Pterosauriern oder den heutigen Vögeln bestanden die mit Flughäuten bespannten Gleitflügel dieses urtümlichen Reptils jedoch nicht aus umgewandelten Vorderbeinen. Stattdessen spannten lange, dünne Knochenfortsätze der Hautschuppen im seitlichen Brustbereich des Tieres die Flughäute auf.

In der Pflanzenwelt lösten damals die ersten Nadelgehölze die Bärlapp- und Schachtelhalm-Wälder der vorangegangenen Steinkohlezeit ab. Und am Ende des Perm löste eine globale Katastrophe das größte Massensterben der Erdgeschichte aus: Bis zu 90 Prozent aller Meeresbewohner und 70 Prozent aller landlebenden Organismen starben aus.

  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. weiter
Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Zeitreise ans Zechsteinmeer
Von Tropenklima, Urzeitdackeln und dem großen Goldrausch

Zurück ans Ende des Perm
Nordhessen vor gut 255 Millionen Jahren

Die Korbacher Spalte
Begegnung mit unseren Urahnen

Das Rätsel des Handtieres
Fossile Abdrücke im Urzeit-Strand

Und heute?
Fossilien, Bergbau und verborgenes Gold

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema