Drehen wir das Zeit-Rad um 255 Millionen Jahre zurück. Vor uns liegt eine traumhafte Südsee-Idylle. Die See plätschert sanft an den flachen Strand, es herrscht tropisches Wüstenklima. Rochenartige Platthaie durchstreifen die tiefblaue Lagune auf der Suche nach Beute. Die Riffe im flachen Wasser des Zechsteinmeeres bieten Fischen und muschelähnlichen Armfüßern einen reichen Lebensraum. An Land, über der rötlich gefärbten Küstenebene, flimmert die Luft. Dackelgroße Reptilien wuseln durch den nahe gelegenen, Schatten spendenden Hain aus Nadel- und Gingkobäumen.
Ein tropisches Flachmeer
Zu dieser Zeit, im Oberperm (Zechstein), liegt fast der gesamte Norden Deutschlands unter Wasser – immer wieder machen Meeresvorstöße die Landschaft zu einem weiten Flachmeer, um sich dann wieder zurückzuziehen. Über einen schmalen Meeresarm, die „Hessische Senke“, dringt das Zechsteinmeer sogar bis nach Süddeutschland vor. In seiner größten Ausbreitung bedeckt dieses Zechsteinmeer rund einer Million Quadratkilometer – mehr als die doppelte Fläche des heutigen Schwarzen Meeres.
Das heutige Nordhessen liegt vor 255 Millionen Jahren an der westlichen Küstenlinie des Zechsteinmeeres. Der 562 Meter hohe Eisenberg nahe der hessischen Stadt Korbach ragt dabei wie eine dem Festland vorgelagerte Insel aus dem Flachmeer empor. Immer wieder schleudert die Brandung hier Geröll und Schutt an den Strand. Die dabei entstehenden terrassenartigen Brandungsplattformen sind noch heute am Eisenberg zu erkennen. Aber auch an anderen Stellen dieser zum Geopark GrenzWelten zusammenfassten Region sind die Spuren dieser urzeitlichen Küste noch erhalten.
Zechsteinkalk und Kupferschiefer
Das warme, trockene Klima am Ende des Perm lässt enorme Mengen Wasser aus dem flachen Zechsteinmeer verdunsten – immer wieder fallen weite Gebiete trocken. In ihnen bilden sich zunehmend dickere Ablagerungen aus feinkörnigem Kalkschlamm und Salzen. Gleichzeitig sorgen wiederholte Meeresvorstöße dafür, dass diese Region erneut überschwemmt wird und der Zyklus aus Verdunstung und Ablagerung von vorn beginnen kann.
Heute zeugen dicke Schichten aus dem feinkörnigen Zechsteinkalk von diesem Geschehen. Weiter im Norden verdanken die zahlreichen Steinsalzvorkommen ihre Entstehung ebenfalls dem Zechsteinmeer. Die Untergrenze der Zechstein-Formation wird durch den sogenannten „Kupferschiefer“ gebildet – eine tonige Kalkschicht, die durch organische Substanz, fein zermahlener Pyrit und metallhaltige Minerale dunkel gefärbt ist.
Mit Schiefer im geologischen Sinne hat diese Gesteinsformation allerdings nichts zu tun, denn sie entstand durch Ablagerung, nicht durch hohen Druck oder andere metamorphische Prozesse. Aber ähnlich wie der echte Schiefer hat auch der Kupferschiefer eine blättrige, leicht spaltbare Struktur, was ihm seien Namen verlieh. Die markante Schicht bildet einen wichtigen geologischen Leithorizont für das späte Perm in Deutschland und Europa.
Das erste fliegende Wirbeltier
Spannend sind Zechsteinkalk und Kupferschiefer aber auch in paläontologischer Hinsicht: In den Ablagerungen aus dem Zechsteinmeer wurden viele Überreste von Tieren und Pflanzen der damaligen Zeit eingeschlossen und konserviert. Sie liefern heute einen einzigartigen Einblick in die Lebenswelt am Ende des Perm-Zeitalters – einer erdgeschichtlich reichlich turbulenten Zeit.
In dieser Ära erhob sich mit der ungewöhnlichen Flugechse Weigeltisaurus wahrscheinlich zum ersten Mal ein Wirbeltier in die Luft. Anders als später bei den Pterosauriern oder den heutigen Vögeln bestanden die mit Flughäuten bespannten Gleitflügel dieses urtümlichen Reptils jedoch nicht aus umgewandelten Vorderbeinen. Stattdessen spannten lange, dünne Knochenfortsätze der Hautschuppen im seitlichen Brustbereich des Tieres die Flughäute auf.
In der Pflanzenwelt lösten damals die ersten Nadelgehölze die Bärlapp- und Schachtelhalm-Wälder der vorangegangenen Steinkohlezeit ab. Und am Ende des Perm löste eine globale Katastrophe das größte Massensterben der Erdgeschichte aus: Bis zu 90 Prozent aller Meeresbewohner und 70 Prozent aller landlebenden Organismen starben aus.