Drillinge auf Kuschelkurs: Astronomen haben das engste bekannte Dreifach-Sternsystem entdeckt – es bricht einen seit 68 Jahren bestehenden Rekord. Das gesamte Trio aus massereichen, heißen Sternen würde in die Merkurbahn um die Sonne passen, selbst der äußerste der drei Sterne benötigt nur 25 Tage für einen Umlauf, wie das Team im „Astrophysical Journal“ berichtet. Spannend auch: In rund 20 Millionen Jahren könnten alle drei Sterne miteinander verschmelzen und eine Supernova auslösen.
Die meisten Sterne werden nicht einzeln gebildet, sondern sind Mehrlinge: Sie entstehen zu zweit, zu dritt oder sogar zu fünft gemeinsam in den staubigen Sternenwiegen des Kosmos. Selbst unsere Sonne hatte wahrscheinlich einst eine stellare „Schwester“ und auch unser nächster Nachbarstern, Proxima Centauri, ist Teil eines Dreifachsystems. Er umkreist das Sternenpaar Alpha Centauri A und B allerdings in einem sehr weiten Orbit mit einer Umlaufzeit von rund 550.000 Jahren.
Engen Trios auf der Spur
Es gibt aber auch Sternentrios, die ungewöhnlich kompakt sind. Meist wird dabei ein enges Sternenpaar von einem dritten Stern in geringem Abstand umkreist. Diese Trios sind für die Astronomie besonders spannend, weil sie Hinweise darauf liefern, wie solche engen Sternentrios entstehen: „Diese kompakten und typischerweise flachen Mehrlinge bilden und entwickeln sich wahrscheinlich anders als Sternsysteme mit größeren Abständen“, erklären Veselin Kostov vom Goddard Space Flight Center der NASA und seine Kollegen.
Der bisherige Rekordhalter unter den kompakten Trios war das rund 144 Lichtjahre entfernte Dreifachsystem Lambda Tauri (λ Tauri): „Seit mehr als 68 Jahren steht λ Tauri an der Spitze als Trio mit der kürzesten Orbitalperiode des Außensterns von nur 33,02 Tagen“, erklären die Astronomen. Trotz vieler Neuentdeckungen von engen Dreifachsystemen blieb dieses Trios unangefochten das engste: „Kein anderes kam auch nur in die Nähe“, so das Team.
Verräterische Lichtkurven
Bis jetzt: Kostov und sein Team haben nun ein Sternentrio entdeckt, das sogar noch kompakter ist als LambdaTauri. Aufgespürt haben sie dieses TIC 290061484 getaufte System bei der gezielten Suche nach engen Drillingen in den Daten des NASA-Weltraumteleskops TESS. Dabei setzten sie zunächst eine künstliche Intelligenz ein, um nach gegenseitigen Sternbedeckungen solcher Systeme zu suchen. Dann halfen Freiwillige im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts bei der Einengung der Kandidaten und die Astronomen überprüften dies mit Zusatzbeobachtungen.
Das neuentdeckte Dreifachsystem liegt gut 4.900 Lichtjahre von uns entfernt im Sternbild Schwan und besteht aus drei großen, sechs bis sieben Sonnenmassen schweren Sternen. Schon damit hebt sich TIC 290061484 von den bisher bekannten kompakten Trios ab: Die meisten von ihnen bestehen aus Sternen von etwa der Masse unserer Sonne. Gleichzeitig ist massereiche Trio auch ziemlich heiß: Die Oberflächentemperaturen der drei Sterne liegen zwischen 20.000 und 23.000 Grad – bei unserer Sonne sind es „nur“ rund 6.000 Grad.
Engstes jemals entdecktes Dreifachsystem
Das Entscheidende sind jedoch die Umlaufbahnen der drei Sterne: Das innere Paar dreht sich alle 1,8 Tage einmal um sich selbst, während der dritte, äußere Stern dieses Paar in 24,5 Tagen umkreist. „Das ist mit Abstand die kürzeste Orbitalperiode für einen äußeren Stern in einem solchen Trio“, konstatieren Kostov und sein Team. „Überhaupt ist dies ein ungewöhnliches System mit verschiedenen sehr interessanten dynamischen Effekten.“
Nähere Analysen ergaben unter anderem, dass sich die drei Sterne gegenseitig stark in ihrer Bewegung beeinflussen, aber dennoch stabil sind. So verzögern sich die gegenseitigen Bedeckungen der beiden inneren Sterne durch die Schwerkraftwirkung des dritten, äußeren Sterns alle 24,5 Tage um jeweils neun Minuten. Gleichzeitig verschieben sich die Orbits aller drei Sterne im Laufe der Zeit, wodurch der innere und äußere Punkt ihrer Bahn eine rosettenförmige Bewegung beschreibt, wie das Team ermittelte.
Verschmelzung und Supernova schon in 20 Millionen Jahren
Die geringen Abstände in diesem Sternentrio werden jedoch weitere Folgen haben: „Das System ist erst 14 Millionen Jahre alt und damit noch sehr jung“, berichten die Astronomen. Aber Sterne dieser hohen Masse entwickeln sich schneller als unsere Sonne. Daher werden sich die beiden inneren Sterne schon in rund 20 Millionen Jahren genug aufgebläht haben, um miteinander zu verschmelzen. „Dabei entsteht ein Stern von 12,9 Sonnenmassen, der massereich genug ist, um in einer Supernova zu explodieren“, prognostizieren Kostov und seine Kollegen.
Doch kurz zuvor wird der resultierende Riesenstern sogar noch den dritten Stern im Bunde verschlingen: „Das verschmolzene Sternenpaar wird sich so weit ausgedehnt haben, dass es den tertiären Stern in sich aufnimmt“, erklären die Astronomen. Das Ergebnis ist dann ein stellares Schwergewicht von 15 Sonnenmassen, das wenig später explodiert.
Gibt es noch einen vierten im Bunde?
Doch das ist noch nicht alles: Als die Astronomen versuchten, die Dynamik dieses Dreifachsystems in einem Modell abzubilden, zeigten sich subtile Abweichungen von den Beobachtungsdaten. Im langfristigen Verlauf der gegenseitigen Eklipsen gab es noch eine weitere, allmähliche Verschiebung im Timing von rund 18 Minuten. „Dies lässt sich im Kontext des Dreifachsystems nicht erklären“, berichten Kostov und seine Kollegen.
Die Lösung dieses Rätsels zeigte sich erst, als das Team einen weiteren „Mitspieler“ ins Modell, einfügte: einen vierten Stern, der die drei anderen in einem sehr weiten Orbit umkreist. „Wenn wir diesen vierten Stern mit einer Orbitalperiode von rund 3.300 Tagen hinzufügten, stimmte das Modell sehr gut mit der Langzeit-Bedeckungskurve überein“, berichten die Astronomen. Dieser vierte Stern könnte ähnlich schwer und heiß sein wie seine drei Kompagnons und umkreist sie auf einer relativ exzentrischen Bahn.
Die Astronomen hoffen nun, durch weitere Beobachtungen dieses ungewöhnlichen Systems mehr über seine Entstehung und Entwicklung herauszufinden. Zudem wollen sie nach weiteren engen Sternentrios suchen. „Wir haben bisher zwar nur wenige solcher Systeme gefunden, aber sie könnten häufiger sein als es bisherige Beobachtungen nahelegen“, sagt Koautor Saul Rappaport vom Massachusetts Institute of Technology. (The Astrophysical Journal, 2024; doi: 10.3847/1538-4357/ad7368)
Quelle: NASA/Goddard Space Flight Center