Biologie

Wie steht es um Deutschlands Wälder?

Unsere Wälder sind wilder, aber keine CO2-Senke mehr

Wald in Herbstfarben
Die Waldinventur zeigt positive und negative Entwicklungen in den deutschen Wäldern auf. © ElsvanderGun / iStock

Baumbilanz: Forscher haben erneut eine Inventur der deutschen Wälder vorgenommen. Demnach werden die Wälder tendenziell vielfältiger und wilder. Zudem gibt es mehr ältere Bäume und etwas mehr bewaldete Fläche. Doch weil darauf weniger Bäume stehen, speichern Wälder immer weniger Kohlenstoffdioxid aus der Luft und wurden in den letzten Jahren sogar zur Kohlenstoff-Quelle statt CO2-Senke.

Alle zehn Jahre werden Deutschlands Wälder professionell inventarisiert. Dabei soll überprüft werden, wie es dem Wald geht und ob die Forstwirtschaft nachhaltig arbeitet. Dafür vermessen Forschende hunderttausende Bäume und beschreiben an 80.000 genau definierten Punkten in den Wäldern, was sie vorfinden. Die Liste der Waldeigenschaften umfasst knapp 150 Kriterien, darunter beispielsweise Anzahl, Art und Durchmesser der Bäume, den Bewuchs darunter und das Totholz. Anschließend werten sie diese Daten der Stichproben aus, um daraus die gesamte Wald- und Holzentwicklung zu berechnen.

2022 fand diese Bundeswaldinventur (BWI) zum vierten Mal statt. Erstmals wurden dabei auch Proben zur Ermittlung der genetischen Vielfalt gesammelt. Das Ergebnis ist die bislang umfangreichste Bestandsaufnahme im deutschen Wald.

Mehr Wald, aber weniger Holz

Der Bilanz zufolge sind die Wälder heute einerseits in einem besseren Zustand als noch zehn Jahre zuvor. Beispielsweise gibt es in Deutschland durch Aufforstung seit 2012 rund 15.000 Hektar mehr Waldfläche. Insgesamt sind es nun 11,5 Millionen Hektar Wald – ein Drittel des Landes. Zudem stehen mehr Laubbäume und weniger Fichten in den Wäldern und die Wälder werden langsam wieder naturnäher, sprich wilder. Die häufigsten Baumarten sind jedoch weiterhin Kiefer (22 Prozent), Fichte (21 Prozent), Buche (17 Prozent) und Eiche (12 Prozent).

Darüber hinaus gibt es auch mehr alte und damit dicke Bäume: Der Wald war im Jahr 2022 durchschnittlich 82 Jahre alt – fünf Jahre älter als noch 2012 – und die meisten Bäume 30 bis 50 Zentimeter dick. Dadurch steigt auch die Artenvielfalt, weil alte Bäume mehr Wohnraum und Nährstoffe für Tiere und Mikroben bieten als junge Bäume.

Andererseits hat der Wald ab 2017 durch Stürme, Trockenheit und Befall durch Schädlinge wie dem Borkenkäfer so stark gelitten, dass trotz größerer Fläche weniger Holz in den Wäldern steht. Einige Bäume starben ab, ältere Bäume wachsen langsamer als junge und es kamen nicht ausreichend junge schnellwachsende Bäume hinzu. Dadurch können die Wälder nun weniger Kohlendioxid (CO2) aus der Luft aufnehmen und speichern. Sie sind daher von einer Kohlenstoff-Senke zu einer Kohlenstoff-Quelle geworden.

Grafik zur CO2-Bilanz der deutschen Wälder
CO2-Bilanz der deutschen Wälder: Veränderungen des Kohlenstoffvorrates in Wald und Holzprodukten. © FNR

CO2-Bilanz: Erst rauf, dann runter

Unterm Strich ist die Kohlenstoff-Bilanz der deutschen Wälder zwar unverändert. „Aktuell ist ungefähr die gleiche Menge Kohlenstoff in der lebenden Biomasse im Wald gespeichert wie vor zehn Jahren“, sagt Thomas Riedel vom Thünen-Institut für Waldökosystem in Eberswalde. Konkret sind das 1.184 Millionen Tonnen Kohlenstoff. Zusammen mit dem Totholz und den Böden sind insgesamt rund 2.200 Millionen Tonnen Kohlenstoff im deutschen Wald gespeichert.

Allerdings ist das das Resultat eines positiven und eines negativen Trends, die sich nahezu aufheben: „Bis 2017 hat die gespeicherte Kohlenstoffmenge um 52 Millionen Tonnen zugenommen. Danach hat die lebende Biomasse allerdings 42 Millionen Tonnen Kohlenstoff in Totholz und Holzprodukte abgegeben“, erläutert Riedel. Totholz zersetzt sich jedoch wiederum und gibt dabei den Kohlenstoff in Form von Humus an den Boden und als CO2 an die Atmosphäre ab.

Netto ist der Wald damit in den vergangenen zehn Jahren CO2-neutral gewesen, wurde in den letzten fünf Jahren des Messzeitraums jedoch zur CO2-Quelle. (Bundeswaldinventur 2022)

Quelle: Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei

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