Evolution

Darwin-Finken: Gesang als Evolutionshelfer?

Akustische Folgen der Schnabelanpassung könnten Arttrennung begünstigt haben

Mittel-Grundfink
Die Artbildung der Darwin-Finken könnte durch ihren Gesang beschleunigt worden sein. © Andrew Hendry

Artbildung durch Gesang? Die Finken der Galápagos-Inseln sind Ikonen der Evolutionsforschung – schon Charles Darwin beschrieb ihre Artbildung durch Anpassung. Jetzt haben Biologen an den Darwin-Finken einen weiteren wichtigen Aspekt der Evolution beobachtet: Als sich die Schnäbel der Finken allmählich an ihr jeweiliges Futter anpassten, veränderte dies auch ihren Gesang. Genau dies könnte für die Trennung der Finkenarten entscheidend gewesen sein, wie das Team in „Science“ berichtet.

Bei kaum einer anderen Tierart lässt sich Charles Darwins Evolutionslehre so plastisch beobachten wie bei den Finken der Galápagos-Inseln. Aus einem Urfinken, der einst vom südamerikanischen Festland auf die Inseln gelangte, entwickelten sich im Laufe der Zeit über zehn verschiedene Arten – mit jeweils perfekt an ihre Umwelt und das Futterangebot angepassten Schnäbeln.

In Gegenden mit reichem Nuss- und Samenvorkommen haben sich bei den Finken zum Beispiel große, kräftige Schnäbel zum Knacken der harten Schalen durchgesetzt, während sich in Regionen mit Insekten als Hauptnahrungsquelle lange, dünne Schnäbel als vorteilhaft erwiesen haben. Irgendwann waren die verschiedenen Inselpopulationen schließlich optisch und genetisch so weit von dem Urfinken entfernt, dass aus ihnen eigene Spezies geworden waren.

Verzerrte Töne durch neue Schnabelform

Doch einige Details dieser Artbildung sind nach wie vor unklar: zum Beispiel, warum sich die verschiedenen Finken-Populationen einer Insel beim Prozess der Artbildung nicht in die Quere gekommen sind. Denn damit in den verschiedenen Lebensräumen ein und derselben Insel unterschiedliche Finkenarten entstehen konnten, müssen die Populationen irgendwann damit aufgehört haben, sich untereinander zu paaren und unvorteilhafte Gene auszutauschen. Aber wie ging das bei den Darwin-Finken vonstatten?

Jeffrey Podos und Katie Schroeder von der University of Massachusetts haben eine eher ungewöhnliche These als Erklärung parat: Sie gehen davon aus, dass die verschiedenen Populationen irgendwann aufgrund ihres Gesangs nichts mehr voneinander wissen wollten. Denn wenn sich die Schnabelgröße und -form eines Singvogels verändern, dann verzerrt das auch die Töne, die er trällert. In der Theorie dürfte ein Weibchen aus dem Insektengebiet irgendwann also nicht mehr auf den Paarungsgesang eines Männchens aus dem Nussgebiet anspringen, wodurch beide Populationen genetisch endgültig voneinander isoliert wären.

Ein Remix aus der Zukunft

Um diese These zu überprüfen, simulierten Podos und Schroeder die Schnabel- und Gesangsveränderungen, die Mittel-Grundfinken (Geospiza fortis) nach sechs aufeinanderfolgenden Dürren durchlaufen würden. Da sich Samen und Nüsse durch Dürren noch schwerer knacken lassen, würde sich auch die durchschnittliche Schnabelgröße der betroffenen Population mit der Zeit erhöhen – und damit ihren Gesang verändern.

Das verzerrte Paarungslied, das dabei herauskäme, haben die Biologen männlichen Mittel-Grundfinken vorgespielt und dabei ihre Reaktion beobachtet. Würden sie den Gesang als Konkurrenten wahrnehmen und aggressiv herumflattern? Oder würden sie ihn schlichtweg ignorieren, weil er nicht mehr nach einem Artgenossen klingt?

Neuer Gesang als Paarungs-Barriere

Das Ergebnis: „Als Reaktion auf die Gesänge nach den sechs Dürren flogen die Vögel 31 Prozent seltener auf als bei den Kontrollgesängen“, berichten Podos und Schroeder. Auch kamen sie dem Lautsprecher – dem vermeintlichen Eindringling – weniger nah, wenn die Forschenden ihnen nur die verzerrten Gesänge vorspielten. Daraus schließt das Team, dass die Finkenmännchen die digital veränderten Paarungslieder kaum noch mit ihrer eigenen Art in Verbindung brachten und deshalb nicht als Bedrohung wahrnahmen.

Das bedeutet: Wenn Vögel im Rahmen der evolutionären Anpassung ihre Schnabelform und damit auch ihren artspezifischen Gesang verändern, erkennen Angehörige anderer, benachbarter Populationen diesen Gesang womöglich nicht mehr – und reagieren dann auch nicht mehr auf Werbe- und Paarungsrufe. Als Folge kommt es seltener zu Paarungen, was wiederum die genetische Trennung beider Gruppen fördert.

Im Falle der Darwin-Finken hat dieser Umstand wahrscheinlich einst die Artbildung beschleunigt, wie Podos und Schroeder vermuten. Die verschiedenen Populationen konnten sich dadurch „in Ruhe“ den Begebenheiten ihrer Region anpassen, ohne sich immer wieder gegen kontraproduktive Gene anderer Finkengruppen durchsetzen zu müssen. (Science, 2024; doi: 10.1126/science.adj4478

Quelle: Science, American Association for the Advancement of Science (AAAS)

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