Quantenmechanik trifft Zeitmessung: Physiker haben Atome so manipuliert, dass sie genauer und schneller „ticken“ als gängige optische Atomuhren. Möglich wird dies mithilfe der quantenphysikalischen Verschränkung und „Schrödingers Katze“ – dem Zustand der Überlagerung. Im Experiment erreichten verschränkte Strontium-Atome dadurch eine Frequenz-Stabilität jenseits des bisherigen Quantenlimits, wie das Team in „Nature“ berichtet. Das könnte in Zukunft eine schnellere und präzisere Zeitmessung ermöglichen.
Atomuhren sind die Taktgeber der Weltzeit. Die genauesten von ihnen nutzen ultrakalte, in einem optischen Lasergitter gehaltene Strontium- oder Ytterbium-Atome als Zeitmesser: Ihre von einem Laser angeregten Wechsel des Energiezustands und die dafür nötige Frequenz fungieren als das „Ticken“ der Uhr. Solche optischen Atomuhren sind präzise genug, um beispielsweise die Einsteinsche Zeitdehnung durch Gravitation zu messen – selbst bei nur wenigen Millimetern Höhenunterschied.
Mit Quantentricks zum Quantenlimit
Doch auch optische Atomuhren stoßen an ihre Grenzen: Weil ihre Messwerkzeuge Atome sind, limitieren quantenphysikalische Phänomene wie Quantenfluktuationen und die Heisenbergsche Unschärferelation die erreichbare Messgenauigkeit – die Atomuhren stoßen an das Quantenlimit. Ein genauer Wert für ihre „Tickfrequenz“ kann dadurch erst nach längerer Messung ermittelt werden, weil die einzelnen Messungen immer ein wenig voneinander abweichen.
Jetzt ist es US-Physikern gelungen, dieses Quantenlimit für optische Atomuhren auszutricksen. Dafür kombinierten sie die lasergestützte Zeitmessung mit Technologien, die bereits bei Quantencomputern und Quantengattern zu Einsatz kommen. „Die Überschneidung von programmierbaren Atomanordnungen mit optischen Atomuhren bietet eine neue Möglichkeit, die Messgenauigkeit dem Heisenberg-Limit anzunähern“, erklärt das Team um Alec Cao vom JILA-Institut der University of Colorado und des National Institute of Standards and Technology (NIST).
Verschränkung aufgeblähter Atome
Der erste „Trick“ besteht darin, die Uhrenatome miteinander zu verschränken. Diese quantenphysikalische Kopplung macht die Atome weniger anfällig für störende Quanteneffekte, weil sie nicht einzeln, sondern im Verbund reagieren, wie Cao und seine Kollegen erklären. Im Experiment erreichten sie dies, indem sie die im Lasergitter gefangenen Strontium-Atome durch Laserpulse in Rydberg-Atome umwandelten – Atome mit riesig aufgeblähten Elektronenorbits.
„Durch diese aufgeblähten, ‚wattigen‘ Orbits kommen sich die Atome näher als sonst“, erklärt Seniorautor Adam Kaufman vom JILA. „Dadurch können sich die Elektronen benachbarter Atome gewissermaßen ‚fühlen‘ und dies resultiert in einer starken Interaktion zwischen ihnen.“ Im Experiment erzeugten die Physiker auf diese Weise Gruppen von zwei, vier oder acht miteinander verschränkten Uhrenatomen.
Schrödingers Katze mit Uhrenatomen
Dann folgt der zweite „Trick“: die quantenphysikalische Überlagerung. In diesem durch das Gedankenexperiment von „Schrödingers Katze“ bekannt gewordenen Quantenphänomen bleibt der Zustand eines Teilchens so lange unbestimmt, bis eine Messung die Überlagerung beendet. „Die Erzeugung und Nutzung von Schrödingers Katzen – kohärenten Überlagerungen zweier makroskopisch verschiedener Quantenzustände – ist für präzisere Atomuhren besonders interessant“, so die Physiker.
Das Team erzeugte diese Überlagerung bei ihren verschränkten Strontium-Rydberg-Atomen und testete dann, wie sich das „Ticken“ dieser Einheiten auf die Genauigkeit der Zeitmessung auswirkte. „Dies markiert die erste Umsetzung solcher Zustände in einer optischen Atomuhr mit neutralen Atomen und das erste Mal, dass ihre Quantenlimit-Performance mittels Lasermessung verglichen wurde“, erklären die Physiker.
Präziser und schneller als gängige Uhren
Die Vergleiche ergaben: Die durch Verschränkung und Überlagerung manipulierten Strontium-Atome erzeugten ein deutlich präziseres, weniger durch Quantenrauschen gestörtes Zeitsignal. „Das bedeutet, dass wir im Vergleich zu gängigen Strontium-Atomuhren die gleiche Präzision in kürzerer Zeit erhalten“, erklärt Kaufman. Ihre durch „Schrödingers Katze“ optimierten Uhrenatome demonstrierten eine Frequenzstabilität, die über das bisherige Quantenlimit hinausging, wie das Team berichtet.
„Unsere Resultate zeigen damit Kernbausteine für Atomuhren, durch die wir dem Heisenbergschen Limit der Präzision optischer Atomuhren nahekommen“, konstatieren Cao und seine Kollegen. Allerdings hat ihr Ansatz bisher noch ein großes Manko: Im Experiment konnten sie die Verschränkung und Überlagerung der Uhrenatome nur rund drei Millisekunden aufrecht erhalten. Das reichte zwar für ihre Messungen, wäre aber für eine optische Atomuhr wenig praktikabel.
Doch Kaufman und sein Team sind zuversichtlich, dass dieses Problem lösbar ist. Ihrer Ansicht nach bietet die Verbindung von Quantencomputer-Technologien und Atomuhren viel Potenzial, auch die Zeitmessung weiter zu verbessern. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07913-z)
Quelle: Nature, University of Colorado at Boulder