Neurobiologie

Schuppiger Sauron mit sechstem Sinn

Geckos können mit ihrem Innenohr Vibrationen wahrnehmen

Tokeh-Gecko
Geckos können nicht nur Luftschall, sondern auch Vibrationen hören. © Duncan Leitch /CC-by-nc-sa 4.0

Mit seiner tiefgoldenen Iris und der schlitzförmigen Pupille macht dieser Tokeh-Gecko dem flammenden Auge Saurons aus „Der Herr der Ringe“ Konkurrenz. Doch zu den besonderen Talenten dieses Reptils gehört nicht etwa die Jagd auf Hobbits und andere Ringträger, sondern ein ungewöhnlicher Hörsinn, der gerade erst entdeckt und noch bei keinem anderen Reptil beobachtet wurde.

Geckos haben viele Talente: Dank spezieller Hafthaare an ihren Füßen können sie sich zum Beispiel kopfüber an nahezu allen Oberflächen festhalten und haben damit schon zahlreiche Erfindungen inspiriert. Manche Geckos können sogar im Dunkeln leuchten oder bei Gefahr ihr Schuppenkleid abwerfen.

Geckos hören Vibrationen

Als wären das noch nicht genug Superkräfte, haben Gawei Han und Catherine Carr von der University of Maryland gerade eine weitere, bislang verborgene Gabe der flinken Reptilien aufgedeckt: Tokeh-Geckos (Gekko gecko) können niederfrequente Vibrationen zwischen 50 und 200 Hertz wahrnehmen. Wie die Forschenden herausgefunden haben, gelingt ihnen das mithilfe des kleinen Vorhofsäckchens (Sacculus) – einem Teil des Gleichgewichtsorgans im Innenohr.

„Das Ohr, wie wir es kennen, hört den Luftschall. Aber dieser uralte innere Weg, der normalerweise mit dem Gleichgewicht in Verbindung gebracht wird, hilft Geckos dabei, Vibrationen wahrzunehmen, die durch Medien wie den Boden oder Wasser übertragen werden“, erklärt Carr. Da Geckos zusätzlich Außenohren besitzen, kombinieren sie wahrscheinlich beide Hörmethoden, um ihre Umgebung möglichst detailliert wahrzunehmen.

Im Falle anderer Reptilien ohne Außenohren könnte das Hören per Vibration allerdings eine deutlich entscheidendere Rolle spielen. „Viele Schlangen und Eidechsen galten als ‚stumm‘ oder ‚taub‘ in dem Sinne, dass sie keine Laute von sich geben oder Geräusche nicht gut hören können“, sagt Carr. Doch sollten sie ihr Sacculus ebenfalls zum Hören benutzen, wovon die Forschenden ausgehen, dann wären diese Annahmen endgültig widerlegt.

Rockkonzerte offenbaren evolutionäres Erbe

Bislang war das Vibrationshören per Sacculus nur von Fischen und Amphibien bekannt – den evolutionären Vorgängern der Reptilien. Aber auch bei Säugetieren wie uns Menschen könnte sich der Signalweg zumindest in Ansätzen erhalten haben: „Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem Live-Rockkonzert“, sagt Carr. „Es ist so laut, dass Sie spüren, wie Ihr ganzer Kopf und Körper im Schallfeld vibrieren. Man kann die Musik fühlen, anstatt sie nur zu hören. Dieses Gefühl deutet darauf hin, dass das menschliche Gleichgewichtssystem bei diesen lauten Konzerten stimuliert wird, was bedeutet, dass unser Gehör und unser Gleichgewichtssinn eng miteinander verbunden sind.“

Han und Carr gehen daher davon aus, dass ihre Entdeckung nun auch neue Wege für die medizinische Forschung eröffnen könnte – zum Beispiel hinsichtlich der Verbindung zwischen dem menschlichen Gehör und Gleichgewichtsstörungen. (Cell Press, 2024; doi: 10.1016/j.cub.2024.09.016)

Quelle: University of Maryland

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