Zellbiologie

Häufige DNA-Mutation ist doch kein Zufall

Ursache für irrtümlichen Austausch der DNA-Base Cytosin gegen Thymin aufgeklärt

Illustration eines DNA-Stranges und seiner per Sequenzierung ermittelten Basenabfolge
Die C-zu-T-Basenaustausche treten besonders häufig an methylierten Cytosinen (C) auf, die in der Basenabfolge vor einem Guanin (G) stehen. © ktsimage / iStock

Gängige Hypothese widerlegt: Eine der häufigsten Mutationen im Buchstabencode unseres Erbguts entsteht meist anders als bisher angenommen. Der Austausch der DNA-Base Cytosin (C) durch Thymin (T) kommt demnach nicht nur durch eine zufällige chemische Reaktion zustande, sondern vor allem durch Fehler bei der Zellteilung. Schuld ist offenbar ein Enzym, das die DNA kopiert und dabei Kopierfehler normalerweise erkennt und beseitigt. Doch an bestimmten Stellen „stolpert“ dieses Enzym, wie Forschende in „Nature Genetics“ berichten. Die Erkenntnisse könnten nun die Krebsforschung voranbringen.

Der Code des Lebens liegt in den vier Basen unserer DNA begründet. Die Mutation, die darin am häufigsten auftaucht, ist der fehlerhafte Austausch eines Cytosins (C) durch ein Thymin (T). Das kann schwere Folgen haben und ist die Ursache vieler genetischer Krankheiten, einschließlich mehrerer Krebsarten. Bisher nahm die Forschungswelt an, dass dieser Basenaustausch durch eine zufällige und spontane chemische Reaktion mit Wasser zustande kommt, bei der vom Cytosin eine Aminogruppe abgespalten und durch ein Sauerstoffatom ersetzt wird – eine Desaminierung.

Was verursacht die C-zu-T-Mutation?

Bekannt ist, dass dieser C-zu-T-Basenaustausch häufiger auftritt, wenn das Cytosin einen chemischen Anhang in Form einer Methylgruppe trägt. Mithilfe solcher reversiblen epigenetischen Anhänge wird in unseren Körperzellen reguliert, welche Gene wann abgelesen werden sollen. Sie tragen daher wesentlich zum Funktionieren unserer Zellen bei. Beim Cytosin wird die Methylgruppe besonders oft dann angehängt, wenn diese DNA-Base vor einem Guanin (G) liegt, an sogenannten CpG-Positionen im Erbgut.

Schon länger gibt es den Verdacht, dass diese Methylanhänge am Cytosin dessen zufällige Desaminierung und Umwandlung in Thymin wahrscheinlicher machen – und damit eine Mutation an dieser Stelle des DNA-Codes. Doch vor einigen Jahren kamen Zweifel an der Zufälligkeit dieser Reaktion auf. Ein Team um Marketa Tomkova von der University of Oxford entdeckte, dass im Erbgut von bestimmten Krebszellen noch häufiger als sonst C-zu-T-Mutationen an methylierten CpG-Positionen vorkommen – ein auffälliges Muster.

Ist ein Enzym schuld?

Tomkova und ihre Kollegen gingen dieser Spur nun nach und überprüften, was für das auffällige Mutationsmuster in den Krebszellen verantwortlich ist. Im Verdacht hatten sie ein Enyzm, das am Kopieren der DNA vor der Zellteilung beteiligt ist: die DNA Polymerase epsilon (Pol ε). Sie erstellt nicht nur neue DNA-Kopien, sondern prüft diese normalerweise auch auf Fehler und korrigiert sie. Doch in den Krebszellen, in denen das Team vermehrt C-zu-T-Mutationen gefunden hatte, ist dieses Enzym defekt. Könnte hier ein Zusammenhang bestehen?

Um das zu prüfen, haben Tomkova und ihr Team eine neue und hochsensitive Methode entwickelt, um DNA-Moleküle zu sequenzieren. Das sogenannte Polymerase Error Rate Sequencing (PER-seq) kann genauer als zuvor jene Mutationen anzeigen, die durch das Pol-ε-Enzym entstehen. Mit dieser Methode analysierten die Forschenden über 130 Millionen methylierte und nicht-methylierte DNA-Moleküle, bestehend aus über 28 Milliarden Basen, die entweder mit einem intakten oder einem defekten Korrekturenzym entstanden waren.

Fehler beim Kopieren der DNA

Die Auswertung ergab: Tatsächlich beeinflusst das Enzym Pol ε, wie häufig C-zu-T-Mutationen im Erbgut auftreten. „Wir haben festgestellt, dass die häufigste Krebs-assoziierte Pol-ε-Mutante P286R einen Überschuss an CpG zu TpG-Fehlern erzeugt“, berichten Tomkova und ihre Kollegen. Dies erklärt, warum in Krebszellen besonders viele dieser C-zu-T-Mutationen auftreten.

Überraschenderweise erzeugte aber auch das intakte Pol-ε-Enzym solche Mutationen – und zwar vorwiegend an methylierten Cytosinen, die im DNA-Code vor einem Guanin standen. An diesen methylierten CpG-Positionen erzeugte das Enzym siebenmal häufiger Mutationen als an anderen Cytosinen im Erbgutstrang, wie die Forschenden berichten.

Demnach macht nicht nur das Krebsenzym, sondern auch unser normales Pol-ε-Enzym Fehler beim Korrekturlesen während der DNA-Replikation. Die Forschenden schließen daraus, dass das auch die Hauptursache für die vielen C-zu-T-Mutationen im Erbgut von gesunden Menschen ist.

Erkenntnis mit Aha-Effekt

Entgegen bisherigen Annahmen gehen somit die meisten C-zu-G-Mutationen nicht auf zufällige chemische Reaktionen der DNA zurück. Stattdessen sind Korrekturfehler eines wichtigen Enzyms während der Zellteilung an diesem Austausch der DNA-Basen schuld. „Die Mutation entsteht in erster Linie, wenn die Zelle ihr Genom kopiert, um sich zu teilen, und wird hauptsächlich durch die Tendenz einer Schlüsselkomponente der DNA-Kopiermaschinerie verursacht, Bearbeitungsfehler zu machen, wenn sie auf methylierte Cytosine trifft“, fasst Tomkova zusammen.

Das erklärt auch, warum C-zu-T-Mutationen mit dem Alter immer häufiger auftreten: Mit jeder Zellteilung steigt die Wahrscheinlichkeit, dass beim Kopieren der DNA Fehler passieren. Weil sich verschiedene Typen von Körper- und Krebszellen zudem unterschiedlich häufig teilen, variiert auch die Anzahl der C-zu-T-Mutationen zwischen den einzelnen Geweben und Tumoren.

Hilfreiches Wissen für die Krebsforschung

„Das bedeutet auch, dass die Akkumulation von CpG- bis TpG-Mutationen wie eine Uhr genutzt werden kann, um das Alter von Zellen zu bestimmen“, erklärt Seniorautor Skirmantas Kriaucionis von der University of Oxford. „Damit lässt sich beispielsweise untersuchen, wie schnell verschiedene Krebsarten wachsen, bevor sie eine Resistenz gegen verschiedene Behandlungen entwickeln.” Die Erkenntnisse über die Herkunft der C-zu-T-Mutationen könnten daher die Krebsforschung voranbringen.

Darüber hinaus könnte das Wissen helfen, die Krebsgefahr zu beurteilen, die von Umweltfaktoren ausgeht. Denn nur wenn bekannt ist, wie häufig solche Mutationen in gesunden Zellen auftreten, lässt sich schließen, wie viele krankmachende Mutationen durch potenzielle Krebstreiber hinzukommen. (Nature Genetics, 2024; doi: 10.1038/s41588-024-01945-x)

Quelle: Ludwig Institute for Cancer Research

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