Psychologie

Video: Chatten mit der eigenen Zukunft

Chat mit KI-simuliertem Zukunfts-Ich stärkt Motivation und reduziert Ängste

Bei „Future Self“ kann man mit einer realistischen Zukunftsversion von sich selbst chatten. © Future You, Melanie Gonick/ MIT 

Selbstgespräche per Chat: Dank KI können wir uns mit einer simulierten, älteren Version des eigenen Ichs unterhalten. So ein Gespräch steigert die Motivation und reduziert Zukunftsängste. Gleichzeitig stärkt es das Gefühl der Verbundenheit mit dem zukünftigen Selbst, wie eine Studie zeigt. Derartige Chat-Interaktionen könnten eingesetzt werden, um jungen Menschen langfristige Entscheidungen zu erleichtern. 

Wer sich selbst am nächsten ist, wirkt schnell egoistisch – wer seinem zukünftigen Selbst nahe ist, kann hingegen viele Vorteile haben. Denn Menschen mit hoher sogenannter „Zukunftskontinuität“ treffen langfristigere Entscheidungen – sie sparen beispielweise häufiger ihr Geld oder fokussieren sich mehr auf ihren akademischen Erfolg. Eine bekannte Methode zur Steigerung der Zukunftskontinuität sind die sogenannten „Briefe an ihr zukünftiges Selbst“.  

Große Sprachmodelle wie ChatGPT bieten nun zudem die Möglichkeit, ein realistisches, zukünftiges Selbst zu simulieren. Forschende des Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelten beispielsweise mithilfe von ChatGPT 3.5 das Programm „Future You“. Basierend auf persönlichen Informationen erzeugt dieses ein virtuelles Selbst der eigenen Person im Alter von 60 Jahren, inklusive KI-generiertem Profilbild. Mit diesem „simulierten Ich“ können die Nutzer dann interaktiv chatten. Im Gegensatz zu den analogen Briefen erhalten Nutzer so eine direkte Antwort von ihrem Zukunfts-Ich. 

Test-Chat mit dem zukünftigen Selbst 

Doch inwiefern stärkt die Interaktion mit der KI-Version des älteren Selbst das Gefühl der Zukunftskontinuität? Diese Frage untersuchten Pat Pataranutaporn vom MIT und ihr Team. Dafür befragten sie 344 Testpersonen zwischen 18 und 30 Jahren zu ihrem Lebenslauf, ihren Werten und Zielen. Zudem gaben die Teilnehmer vor und nach der Intervention an, wie verbunden sie sich mit ihrem zukünftigen Selbst fühlten und wie stark sie bestimmte Gefühle wie etwa Zukunftsängste oder Optimismus verspürten.  

Für das Experiment teilten die Forschenden die Testpersonen in mehrere Gruppen ein: Die „Future You“-Gruppe füllte den autobiografischen Fragebogen aus und chattete mit ihrem KI-generierten Selbst – beispielsweise sprachen sie mit „Future You“ über Höhepunkte in ihrer zukünftigen Karriere oder darüber, wie sie eine bestimmte Herausforderung gemeistert haben werden. Eine andere Chat-Gruppe interagierte stattdessen mit einem gängigen GPT-Modell, eine weitere Gruppe beantwortete lediglich autobiografische Fragen. 

„Future You“ senkt Zukunftsängste 

Das Ergebnis: Die „Future You“-Gruppe und die Chat-Gruppe fühlten sich nach dem Experiment motivierter als vorher. Doch ausschließlich die Interaktion mit „Future You“ führte bei den Teilnehmenden außerdem zu geringeren Zukunftsängsten und einer stärkeren Verbindung zum zukünftigen Selbst. „Ratschläge von einer älteren Version von sich selbst zu erhalten, anstatt von einer generischen KI, scheint demnach eine stärkere positive Wirkung auf einen Nutzer haben“, so Seniorautor Hal Hersfeld von der University of California.  

Allerdings zeigte das Gespräch mit „Future You“ weder einen Effekt auf die Selbstreflexion noch auf das Selbstwertgefühl der Teilnehmer. Sie berücksichtigten die Zukunft in ihren Entscheidungen auch nicht stärker als vor der Intervention. „Sich die Zukunft nur vorzustellen, scheint nicht auszureichen, um Menschen davon zu überzeugen, ihre zukünftigen Ziele auch zu verfolgen“, schließen Pataranutaporn und ihr Team.  

„Future You“ als Berufsberater 

Laut den Forschenden könnte „Future You“ aber das Potenzial haben, Menschen zu motivieren und bei der Vorstellung ihrer Zukunft zu unterstützen. Zukünftig möchten die Forschenden spezifische Anwendungen von „Future You“ untersuchen – etwa indem sie Menschen ermöglichen, verschiedene Karrieren zu erkunden oder zu visualisieren, wie sich ihre täglichen Entscheidungen auf den Klimawandel auswirken könnten. (Preprint arXiv, 2024; doi: 10.48550/arXiv.2405.12514) 

Quelle: Massachusetts Institute of Technology 

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