Archäologie

Pyramiden, Gräber und noch mehr

Myonen-Bildgebung in der Archäologie

Eine besondere Rolle spielen Myonen in der Archäologie. Denn das Durchleuchten mithilfe der kosmischen Elementarteilchen kann gerade bei alten Monumentalbauten dabei helfen, unzugängliche Kammern aufzuspüren oder die Baustruktur einer Ruine enthüllen.

Pyramiden von Gizeh
Die Pyramiden von Gizeh gehören zu den ersten Testobjekten für archäologische Myonen-Scans. © Islam Moawad/ iStock

Erste Myonen-Durchleuchtung in Gizeh

Prominentestes Beispiel dafür sind die Pyramiden von Gizeh. Diese vor rund 4.5000 Jahren auf einem Kalksteinplateau bei Kairo erbauten Pharaonengräber gehören zu den größten von Menschenhand erschaffenen Bauwerke weltweit. Millionen Tonnen massiver Steinblöcke wurden in ihnen verbaut. Doch was sich im Inneren der Pyramiden verbirgt, ist bis heute erst in Teilen bekannt.

Schon in den 1960er Jahren kam daher der US-Physiker Louis Alvarez auf die Idee, das Innere der Chephren-Pyramide mithilfe von Myonen zu durchleuchten. „Anders als die benachbarte Cheops-Pyramide erschien ihm diese zweitgrößte Pyramide von Gizeh besser geeignet, denn sie besaß eine zentrale Kammer in ihren Unteren Bereich“, schildert ein Bericht der Internationalen Atomenergieagentur IAEA das damalige Projekt.

Im Jahr 1976, nach aufwendigen Vorbereitungen und bürokratischen Komplikationen, transportierten Alvarez und sein Team klobige Funkenkammer-Detektoren in diese Kammer und zeichneten mehrere Jahre lang die durch die Pyramide dringenden Myonen auf. Das Ergebnis: Zumindest diesen ersten Myonen-Messungen zufolge ist die Chephren-Pyramide im Inneren ziemlich massiv, Hohlräume konnten die Physiker nicht entdecken. „Für die Archäologen war aber auch das schon eine wertvolle Information“, so die IAEA.

CHEops-Hohlraum
Der neue Hohlraum ist ähnlich groß wie die Große Galerie und liegt über dieser. © ScanPyramids

Cheops-Pyramide: Der große Gang

Im Jahr 2015 nahm sich das internationale Projekt „ScanPyramids“ dann auch die Cheops-Pyramide vor – das größte und berühmteste altägyptische Bauwerk in Gizeh. Dafür wurden drei verschiedene Arten von Myonen-Detektoren – Emulsionsplatten, Gasdetektoren und Polymer-Szintillatoren – innerhalb und außerhalb der Pyramide installiert. Kein leichtes Unterfangen, denn die entlang der Pyramidenseiten stehenden Detektoren für die Myonen-Tomografie mussten 45 Grad Hitze und mehreren Sandstürmen standhalten. Im Inneren waren die Detektoren in der Großen Galerie und der Königinnenkammer angebracht. Die Instrumente mussten daher in einem hochgradig touristischen, engen Raum arbeiten.

Doch der Aufwand sollte sich lohnen: 2017 verkündete ScanPyramids das sensationelle Ergebnis ihrer Myonen-Scans – sie hatten tatsächlich einen zuvor unerkannten, großen Hohlraum im Inneren der Cheops-Pyramide aufgedeckt. „Wir haben einen unerwarteten und signifikanten Überschuss an Myonen in einer Region fast parallel zur Großen Galerie nachgewiesen“, berichteten die Forschenden. „Dies ist die erste größere Struktur, die seit dem 19. Jahrhundert im Inneren der Cheops-Pyramide entdeckt worden ist.“ Der Gang ist mindestens 30 Meter lang und rund acht Meter hoch. Was er enthält und wozu er einst diente, ist allerdings noch ungeklärt.

Das ScanPyramids-Projekt und die Entdeckung des neuen Gangs in der Cheops-Pyramide.© NPG Press

Myonen enthüllen noch eine Kammer

Allerdings gab es auch einige Zonen in der Cheops-Pyramide, für die die Myonen-Scans damals noch kein eindeutiges Resultat lieferten – die Auflösung war noch zu gering. Im Jahr 2022 rüstete das Team von ScanPyramids daher auf: „Wir wollen ein System installieren, das mehr als die 100-Fache Sensitivität des bisher bei der Pyramide eingesetzten Technologien aufweist“, erklärten Alan Bross vom Fermi Lab in den USA und sein Team. „Das System wird zudem Myonen aus fast allen Richtungen abbilden und damit zum ersten Mal ein echtes tomografisches Bild einer so großen Struktur liefern.“

Cheops-Kammer
Endoskopaufnahme aus der seit rund 4.500 Jahren verborgenen Kammer der Cheops-Pyramide. © ScanPyramids

Mit Erfolg: 2023 zeigte sich, dass es über dem alten Eingang der Cheops-Pyramide tatsächlich eine weitere verborgene Kammer gibt. Diese befindet sich oberhalb des Chevrons, einer massiven Konstruktion aus großen Steinblöcken, die den Eingang nach oben hin abschirmen. Den Myonen-Scans zufolge ist diese Kammer neun Meter lang und rund zwei Meter hoch. „Einen Hohlraum in einer Pyramide zu entdecken, ist schon etwas Besonderes. Aber dass diese Kammer groß genug ist, um mehrere Menschen aufzunehmen, macht es noch bedeutender“, sagt Teammitglied Christian Grosse von der TU München.

Hindutempel, Kaisergrab und Ruinen

Auch in anderen Regionen haben Archäologen bereits Myonen-Bildgebung eingesetzt. So scannten Forschende damit eine der Pyramiden im mittelamerikanischen Teotihuacan, andere Archäologen setzten die Technologie ein, um Hohlräume in einem alten Hindutempel auf Java aufzuspüren. In Japan wurden Myonen-Scans eingesetzt, um ein altes Kaisergrab zu durchleuchten, das 1596 bei einem Erdbeben kollabiert war.

Neben solchen primär oberirdischen Bauten analysieren einige Projekte auch unterirdische Strukturen wie die Fundamente, Keller oder unter der Oberfläche liegende Kammern von Ruinen mittels Myonen-Tomografie. „Sie eignet sich gut als Ergänzung zu gängigen Technologien wie dem Bodenradar oder der Magnetfeldmessung“, erklärt der IAEA-Forscher Andrea Giammanco von der Katholischen Universität Louvain.

„Insgesamt zeigt die Myonen-Bildgebung herausragendes Potenzial auf dem Feld der Archäologie“, heißt es im IAEA-Bericht. „Sie kann dazu beitragen, viele Geheimnisse alter Zivilisationen und historischer Stätten zu lüften.“ Doch Myonen können nicht nur Objekte durchleuchten und Strukturen abbilden – sie verraten auch einiges über die Grundlagen der Physik…

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Myonen - Fenster ins Verborgene
Was die schweren "Brüder" des Elektrons über unsere Welt verraten

Was sind Myonen?
Strahlung, Einstein und die Zeitdehnung

Mehr Durchblick mit kosmischen Teilchen
Myonen durchleuchten Vulkane, Tunnel und Co

Streuung statt Absorption
Die Myonen-Tomografie und ihre Einsatzzwecke

Pyramiden, Gräber und noch mehr
Myonen-Bildgebung in der Archäologie

Mysteriöse Diskrepanzen
Myonen rütteln an den Grundlagen der Physik

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