Phänomene

Der Pfusch der Geisterjäger

Was wissenschaftlich aussieht, ist es nicht immer

Gruseliges gehört längst nicht für jeden nur ins Reich der Fiktion. In Europa und den USA geben rund 60 Prozent der Bevölkerung an, schon einmal eine unerklärliche Situation erlebt zu haben. Das reicht vom Hören unheimlicher Stimmen über Gegenstände, die sich scheinbar von selbst bewegen, bis hin zu Begegnungen mit Verstorbenen. Könnte an Geistern und anderen paranormalen Phänomen also tatsächlich etwas dran sein?

Geist
Gibt es Geister? © urbazon/ iStock

„Weder übernatürlich noch irreal“

„Wer so ein Ereignis schildert, wird oft viel zu schnell als Spinner, Wichtigtuer oder psychisch kranker Mensch abgetan. Dabei wissen die Menschen meist genau, was sie erlebt haben – und es verunsichert sie oft zutiefst, dass das Erlebte nicht in ihr Weltbild passt. Ich halte solche Ereignisse weder für übernatürlich noch für irreal“, erklärt der Physiker und Psychologe Walter von Lucadou im Interview mit „Geo“.

Er leitet die deutschlandweit einzige Beratungsstelle für Parapsychologie. Jedes Jahr wenden sich rund 3.000 Betroffene an die Mitarbeiter und suchen gemeinsam mit ihnen nach Erklärungen für erlebte Begegnungen der dritten Art – oft mit Erfolg. „In einem typischen Fall meldete sich eine Frau bei mir, deren Mann vor Kurzem verstorben war. An diesem Tag war sie abends nach Hause gekommen – und sah ihren Mann im Sessel vor dem Fernsehapparat sitzen, ganz wie er es zu Lebzeiten zu dieser Tageszeit üblicherweise tat“, berichtet von Lucadou.

„Die Frau war vollkommen entsetzt und hat die Polizei verständigt. Die Beamten sahen niemanden. Sie boten der Frau an, sie in die Psychiatrie zu begleiten, haben dann aber zunächst mich hinzugezogen. Ich konnte die Frau beruhigen – denn ich wusste: So ein Vorfall muss mitnichten Zeichen einer psychischen Krankheit sein. Nach Trauerfällen mit sehr nahe stehenden Menschen ist eine solche Wahrnehmung keineswegs selten, wir kennen viele solche Berichte.“ Bei Erscheinungen dieser Art handelt es sich also nicht um Geister, sondern um Halluzinationen – Täuschungen, die unser eigenes Gehirn erzeugt.

Einsamer Junge
Der Hang zum Paranormalen wird früh geprägt. © David-de Lossy/ iStock

Paranormale Neigung wird früh geprägt

Auch Caroline Watt von der University of Edinburgh beschäftigt sich beruflich mit paranormalen Erlebnissen beziehungsweise mit der Psychologie dahinter. Ihre Forschungseinheit hat zum Beispiel bereits herausgefunden, dass bestimmte Kindheitserfahrungen den Glauben an Paranormales beeinflussen. Demnach glauben Menschen, die als Kind häufig umgezogen oder in einer Familie mit vielen Geschwistern beziehungsweise dominanten Eltern aufgewachsen sind, eher daran, dass sie übernatürliche Fähigkeiten besitzen.

„Diese Überzeugung vermittelt ein Gefühl der Kontrolle und erlaubt dem Einzelnen, sich weniger verloren und hilflos zu fühlen“, erklärt Watt gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung. Menschen mit paranormaler Neigung scheinen außerdem kreativer zu sein als andere, wie Experimente von Watt und ihrem Team nahelegen.

Auf Geisterjagd

Nicht jeder, der sich mit paranormalen Phänomenen beschäftigt, arbeitet jedoch mit denselben wissenschaftlichen Standards wie Watt und vergleichbare Forschende. Das beste Beispiel dafür sind vermeintliche Geisterjäger, die mit wissenschaftlich anmutenden Gerätschaften Belege für die Präsenz von Gespenstern liefern.

EMF-Detektor
EMF-Detektoren wie dieser können angeblich die Anwesenheit von Geistern offenbaren. © Batanagar Paranormal Society/CC-by-sa 4.0

„Jeder Geisterjäger, der etwas auf sich hält, trägt ein Messgerät für elektromagnetische Felder (EMF) mit sich herum. Es wird in dem Glauben benutzt, dass Geister elektromagnetische Felder abgeben, mit ihnen interagieren oder sie sogar manipulieren, und dass ein EMF-Detektor, der aufleuchtet, die Anwesenheit von Geistern anzeigen könnte“, berichtet Jonathan Jarry von der kanadischen
McGill University.

Allerdings gibt es keinen Grund zu glauben, dass Geister – so sie denn existieren – überhaupt mit elektromagnetischen Feldern interagieren. Die Idee dazu stammt wahrscheinlich aus dem Film „Ghostbusters“. Zudem geht Jarry davon aus, dass Geisterjäger das Gerät nicht einmal korrekt benutzen, denn die unter ihnen gängige Variante muss an jeder einzelnen Stelle um alle drei Achsen gedreht werden, bevor sie eine Messung vornehmen kann. „Viel Glück bei der Suche nach einem Geisterjäger, der das kann“, so Jarry.

Und: Wenn es wirklich Geister gäbe und diese wirklich mit elektromagnetischen Feldern interagierten, dann hätten Stromanbieter sie schon längst entdeckt. Denn deren Mitarbeiter verwenden EMF-Messgeräte, um Lecks aufzuspüren, ergänzt der Wissenschaftler.

Glaube versetzt Berge

Viele vermeintliche Geister-Belege sind wahrscheinlich einfach dem festen Glauben an sie geschuldet, wie Barry Markovsky von der University of South Carolina erklärt. „Wenn Geisterjäger an einem Ort, an dem es angeblich spukt, eine Nacht lang herumwandern und Messungen vornehmen, finden sie in der Regel etwas, das sie später als paranormal bezeichnen.“

„Es kann eine sich bewegende Tür sein (Luftzug?), ein Frösteln (Lücke im Fußboden?), ein Leuchten (von außen einfallendes Licht?), elektrische Schwankungen (alte Leitungen?) oder Geräusche und leise Stimmen (Menschen in anderen Räumen?). Was auch immer geschieht, die Geisterjäger werden es als ‚Beweis‘ interpretieren und nicht weiter nachforschen“, erklärt der Forscher.

Schwebende Lichtkugeln
Gespenstisches Schauspiel oder doch nur Staub? © Vectorig/ iStock

Spuk im Einzelhandel?

Eine ähnliche Erfahrung hat Markovsky auch mit einem Ladenbesitzer in seiner Stadt gemacht, der fest davon überzeugt war, in seinem Geschäft spuke es. Als vermeintliche Beweise dienten Videoclips der Sicherheitskamera, auf denen kleine Lichtkugeln durch den Raum schwebten, Produkte aus dem Regal fielen und nachts schwache Stimmen beziehungsweise polternde Geräusche zu hören waren.

Doch bei genauerer Betrachtung konnte Markovsky all diese paranormalen Aktivitäten logisch erklären. Bei den Lichtkugeln handelte es sich demnach um winzige Staubpartikel, die in der Nähe der Kamera schwebten und die durch das von ihr ausgehende Infrarotlicht aufleuchteten. Die Stimmen kamen von einem angrenzenden Einkaufszentrum sowie von Ladezonen und Parkplätzen.

Und die Gegenstände sind nur deshalb aus dem Regal gefallen, weil eine der Regalhalterungen nicht vollständig im dafür vorgesehen Schlitz saß, durch das Gewicht der Produkte aber irgendwann nachts mit einem sichtbaren Ruck hineinsprang. Dabei purzelte einiges aus dem Regal. „Ich kann nicht beweisen, dass es in dem ursprünglichen Video keinen Geist gab. Es geht darum, eine plausiblere Erklärung zu liefern als ‚es muss ein Geist gewesen sein‘“, betont Markovsky.

Ob Sie nun an Geister glauben oder nicht: Die scinexx-Redaktion wünscht all ihren Lesern ein schauriges Halloween!

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