Paläontologie

War dieser Dinosaurier schneller als ein Gepard?

Fossile Spur eines Microraptor-Verwandten verblüfft Paläontologen

Microraptor-Verwandter
War dieser Microraptor-Verwandte wirklich fast 40 Kilometer pro Stunde schnell? © Alex Boersma/ PNAS

Speedy Gonzales der Urzeit? Die versteinerten Fußspuren dieses kleinen, zweibeinigen Dinosauriers stellen Paläontologen vor Rätsel, denn ihnen zufolge müsste der Winzling mit erstaunlichen 37,8 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen sein. Berücksichtigt man seine Größe und gewinnt daraus einen dimensionslosen Parameter, dann wäre dieser Dino im Verhältnis sogar schneller als ein Gepard gewesen. Doch wie ist das möglich?

Dinosaurier haben uns längst nicht nur ihre versteinerten Knochen hinterlassen, sondern auch Fußspuren und Fährten. Dadurch wissen wir zum Beispiel, wo sich einst „Wildwechsel“ befanden, wie komplette Ökosysteme zusammengesetzt waren und dass sich manche Arten in „Reisegruppen“ zusammenschlossen. Auch die einstige Geschwindigkeit eines Dinosauriers lässt sich anhand einer hinterlassenen Fährte und deren Schrittlänge berechnen.

Ein Mini-Dino so schnell wie ein Rennkuckuck?

Eine besonders kuriose Geschwindigkeitsberechnung haben Paläontologen 2018 vorgenommen, und zwar anhand einer zweizehigen Dinosaurier-Fährte in der südkoreanischen Jinju-Formation. Die Spur stammt aus der frühen Kreidezeit vor 110 Millionen Jahren und wurde wahrscheinlich von einem Verwandten des Microraptors hinterlassen – eines kleinen, fleischfressenden, geflügelten Dinosauriers.

Das Verblüffende: Die Fußabdrücke sind gerade einmal einen Zentimeter lang, liegen aber bis zu 30 Zentimeter auseinander. Setzt man die Länge der Schritte und die der Fußabdrücke in Relation, dann muss der kleine Dino einst mit 37,8 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen sein – fast so schnell wie ein Rennkuckuck. Wenn man zusätzlich die geringe Größe des Raubdinosauriers miteinbezieht und daraus einen dimensionslosen Parameter gewinnt – die sogenannte Froude-Zahl – , dann war er im Verhältnis sogar schneller als ein Gepard. Wie ist das möglich?

Microraptor-Verwandter flattert mit den Flügeln
Womöglich flatterte der kleine Dino beim Laufen mit den Flügen und streckte so seine Schrittlänge. © Julius T. Csotonyi

Mit den Armen geschummelt

Paläontologen um Alexander Dececchi von der Dakota State University haben den kuriosen Fall des urzeitlichen Speedy Gonzales nun noch einmal neu aufgerollt. Dabei ist ihnen aufgefallen, dass bei der Berechnung von 2018 nur die Laufkraft der beiden Hinterbeine berücksichtigt wurde. Doch der kleine Microraptor-Verwandte besaß zusätzlich noch geflügelte Arme, die die Form seiner Fährte beeinflusst haben könnten.

Konkret gehen Dececchi und seine Kollegen davon aus, dass ein Herumflattern mit den Armen die Schrittlänge künstlich gestreckt hat – und zwar auf eine Länge, die der kleine Dinosaurier allein mit seinen Beinen wahrscheinlich nie hätte erreichen können. Das wiederum hatte Auswirkungen auf die Laufgeschwindigkeit, die aus seiner Fährte abgeleitet wurde. So schnell wie bislang angenommen war der Microraptor-Verwandte demnach wahrscheinlich längst nicht.

Von Flattern bis Gleiten

Wie genau der kleine Raubdinosaurier seine Flügel bewegte, während er vor über 100 Millionen Jahren die Spur im schlammigen Sediment hinterließ, bleibt allerdings unklar. Den Paläontologen zufolge könnte er zum Beispiel gerade zu einem (Gleit-)Flug aufgebrochen beziehungsweise von einem gelandet sein. Fossilfunde und Tests im Windkanal lassen vermuten, dass einige geflügelte Dinos jener Zeit, darunter der Microraptor, zu einem solchen Gleitflug fähig waren. Auch ein beschwingtes Herumflattern, während der kleine Dino gerade zu Fuß unterwegs war, ist denkbar.

So oder so verrät die Spur mehr über das einstige Verhalten geflügelter Dinosaurier: „Diese Fährte dokumentiert den Nachweis von flügelgestützter aerodynamischer Krafterzeugung während der Fortbewegung, was für eine größere Verbreitung dieses Verhaltens spricht als bisher bekannt“, erklären Dececchi und sein Team. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2413810121

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

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