Geowissen

Blitze lösen „Elektronen-Flipper” im All aus

Irdisches Wetter beeinflusst auch das Wetter im Weltraum

Diese Illustration zeigt, wie magnetische Feldlinien, die die Erde umkreisen, geladene Teilchen einfangen und so schützende Strahlungsgürtel aufbauen können.
Diese Illustration zeigt, wie magnetische Feldlinien (dünne cyanfarbene Linien), die die Erde umkreisen, geladene Teilchen (dünne gelbe Linien) einfangen und so schützende Strahlungsgürtel aufbauen können. © UCLA EPSS/NASA SVS

Kosmisches Wetter: Wenn ein Blitz auf der Erde einschlägt, regnet es manchmal Elektronen aus dem Weltraum, wie Satellitendaten enthüllen. Gewitter können demnach besonders hochenergetische Elektronen im inneren Strahlungsgürtel anstoßen und aus ihm herausschleudern – einem mit Teilchen gefüllten Schutzschild der Erde. Damit haben die Forscher einen neuen Zusammenhang zwischen dem Wetter auf der Erde und dem Weltraumwetter aufgezeigt. Die neu entdeckten „heißen“ Elektronenschauer könnten für die Raumfahrt gefährlich sein und sollen künftig in Wetterberichten erfasst werden.

Das Magnetfeld der Erde erzeugt zwei Strahlungsgürtel, die unseren Planeten umkreisen: Der innere Gürtel beginnt rund 1.000 Kilometer, der äußere etwa 20.000 Kilometer über der Erdoberfläche. Diese Zonen im Weltraum fangen geladene Teilchen ein, die von der Sonne auf unseren Planeten zuströmen. Die Gürtel bilden so eine Art Barriere für Protonen und Elektronen zwischen der Erdatmosphäre und dem Rest des Sonnensystems.

Illustration der beiden Strahlungsgürtel um die Erde.
Illustration der beiden Strahlungsgürtel um die Erde. © NASA

Elektronenschauer aus dem Weltall

Doch dieser Schutzschild ist nicht ganz dicht. Zum Beispiel können hochenergetische Elektronen aus dem äußeren Strahlungsgürtel auf die Erde oder zurück ins Weltall fallen, wenn sie von natürlichen Plasmawellen angestoßen werden. Zudem kann ein Blitz an unserem Himmel auch elektromagnetische Wellen in den Weltraum schleudern. Wenn diese Wellen auf Elektronen im inneren Gürtel treffen, können sie sie losstoßen, so dass es im Weltall und auf der Erde Elektronen „regnet“. In einigen Fällen kann ein solcher „blitzinduzierter Elektronenniederschlag“ auch die Chemie der Erdatmosphäre beeinflussen.

Aus dem inneren Strahlungsgürtel wurden allerdings bislang nur Schauer aus „kalten“ Elektronen mit niedriger Energie von einigen Kiloelektronenvolt beobachtet. Einige Forscher gingen daher bisher davon aus, dass es im inneren Gürtel keine hochenergetischen Elektronen im Bereich von Megaelektronenvolt gibt. „Normalerweise wird der innere Gürtel als langweilig angesehen“, sagt Lauren Blum von der University of Colorado in Boulder.

Satellitendaten offenbaren „heiße” Elektronen im inneren Gürtel

Ein Team um Blum und ihren Kollegen Max Feinland hat nun jedoch durch Zufall erstmals einen ähnlichen Regen aus „heißen“ Elektronen im inneren Gürtel beobachtet. Bei der Auswertung von Satellitendaten entdeckte Feinland etwas Seltsames: Klumpen von hochenergetischen Elektronen, die sich durch den inneren Gürtel bewegten. Nach tiefergehenden Analysen zählte er insgesamt 45 Schübe solcher hochenergetischen Elektronen im inneren Gürtel, die zwischen 1996 bis 2006 aufgetreten waren. Ihre Signale traten dabei plötzlich auf und flachten dann vergleichsweise langsam ab.

Doch wie kam es zu diesen unverhofften Ereignissen im All? Sind wie bei den „kalten“ Elektronen auch die irdischen Blitze schuld? Um das herauszufinden, verglichen die Forschenden die identifizierten Ereignisse mit Wetteraufzeichnungen von der Erde, insbesondere zu Blitzeinschlägen in Nordamerika. Dabei zeigte sich, dass einige der Elektronenschauer tatsächlich weniger als eine Sekunde nach einem Blitzeinschlag auf dem Boden aufgetreten waren.

Blitze spielen Flipper mit Elektronen

Das Team schließt daraus, dass Blitze auf der Erde die Auslöser der Elektronenschauer im inneren Strahlungsgürtel sind. Ihre Annahme: Die Blitze lösen elektromagnetische Wellen aus, die nicht nur „kalte“, sondern auch „heiße“ Elektronen im inneren Gürtel treffen. Diese „heißen“ Elektronen springen dann wie bei einem Flipper-Spiel zwischen dem Gürtel der nördlichen und südlichen Hemisphäre der Erde hin und her. Die Messdaten legen nahe, dass die einzelnen Sprünge nur 0,2 Sekunden dauern.

„Die Elektronen bewegen sich in einem großen Klumpen, der (vom Gürtelrand) abprallt und zurückkehrt und dann wieder abprallt und so weiter“, erklärt Blum. Allerdings fallen bei jedem Aufprall auch einige Elektronen aus dem Gürtel raus und auf die Erdatmosphäre. So befinden sich mit der Zeit immer weniger Elektronen im kosmischen „Flipper“ bis der Elektronenschauer schließlich vorbei ist.

Wetterbericht fürs All

Die Ergebnisse zeigen, dass Blitze nicht nur das irdische, sondern auch das Wetter im All beeinflussen. Feinland und seine Kollegen gehen allerdings davon aus, dass für solche Wetterphänomene nicht nur Gewitter, sondern auch Sonnenstürme nötig sind. Sie vermuten, dass die blitzinduzierten Elektronenschauer vor allem zu Zeiten auftreten, in denen die Sonne hochaktiv ist und viele „heiße“ Elektronen auf die Strahlungsgürtel schleudert. Wann und wie oft sie tatsächlich auftreten, will das Team nun in Folgestudien untersuchen.

Das soll dann auch einen Wetterbericht fürs All ermöglichen, an dem sich Raumfahrtbehörden orientieren können. Denn für Astronauten und Satelliten könnte der Teilchenregen gefährlich sein. „Manche Leute nennen diese Teilchen ‚Killerelektronen‘“, sagt Feinland. „Sie können Metall auf Satelliten durchdringen, Leiterplatten treffen und beschädigen sowie für Menschen im Weltraum krebserregend sein.“ (Nature Communications, 2024; doi: 10.1038/s41467-024-53036-4)

Quelle: University of Colorado at Boulder

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