Biologie

Neuer Wert für die globale Phytoplankton-Biomasse

Argo-Tauchbojen enthüllen große Lücken der gängigen Satellitenmessungen

Phytoplankton
Mikroskopisch kleine Meeresalgen wie diese sind die Basis aller marinen Nahrungsnetze. Doch wie viel Biomasse umfasst dieses Phytoplankton? © Wirestock/ iStock

Die Hälfte war verborgen: Wie viel Phytoplankton lebt in den irdischen Meeren – und wie viel Biomasse produzieren diese einzelligen Meeresalgen? Eine neue, genauere Antwort liefern nun Messdaten von Tauchbojen. Sie enthüllen, dass gut die Hälfte der rund 314 Millionen Tonnen Phytoplankton-Biomasse von den gängigen Satellitenmessungen nicht erfasst wurde. Auch die räumliche und zeitliche Verteilung dieser winzigen, als CO2-Senke wichtigen Meeresbewohner ist anders als gedacht, wie Forschende berichten.

Das Phytoplankton bildet die Basis aller marinen Nahrungsnetze, durch ihre Photosynthese sind diese mikroskopisch kleinen Meeresalgen zudem eine wichtige CO2-Senke im Klimasystem: Ohne das marine Phytoplankton wäre der CO2-Gehalt der Erdatmosphäre noch 200 parts per million (ppm) höher als jetzt. Entsprechend wichtig ist es, die Menge und Produktivität dieser winzigen Klimahelfer möglichst genau zu kennen. Doch direkte Messungen sind angesichts der enormen Größe der Weltmeere schwierig. Deshalb wurde die Phytoplankton-Biomasse bisher mittels Satellitenmessungen des Photosynthese-Farbstoffs Chlorophyll-a abgeschätzt.

Argo-Boje
Eine biogeochemische Argo-Boje wird in der Labradorsee ausgesetzt. © Adam Stoer

Das Problem jedoch: „Diese Satellitenmessungen haben zwei bekannte Beschränkungen: Erstens sind sie auf die Oberflächenschicht des Wassers begrenzt und zweitens ist Chlorophyll-a kein idealer Messwert für die Phytoplankton-Biomasse“, erklären Adam Stoer und Katja Fennel von der Dalhousie University im kanadischen Halifax. Denn je nach Algenart und Wachstumsbedingungen kann die Menge an Chlorophyll-a in den einzelnen Phytoplanktonzellen stark schwanken. Außerdem leben einzellige Meeresalgen auch in tieferen, nicht von den Messungen erfassten Wasserschichten.

Flotte autonomer Tauchbojen misst vor Ort

Daher konnten bisherige Studien die Phytoplankton-Biomasse in den Ozeanen nur grob schätzen: Ihre Ergebnisse variierten zwischen 250 und 2.400 Millionen Tonnen Phytoplankton-Kohlenstoff. Inzwischen gibt es jedoch Abhilfe: die sogenannten Argo-Floats. Diese sensorbestückten autonomen Messbojen sind so programmiert, dass sie im Laufe bestimmter Zeitabstände Messungen in verschiedenen Meerestiefen durchführen. In regelmäßigen Abständen tauchen sie auf und funken ihre Messdaten über Satelliten an zentrale Datenzentren. Zurzeit schwimmen in den Weltmeeren fast 4.000 solcher Argo-Floats.

Stoer und Fennel haben nun die Daten von 903 speziell für biogeochemische Messungen ausgelegten Argo-Bojen in Pazifik, Atlantik und Indischem Ozean ausgewertet, darunter fast 99.350 sogenannte biooptische Profile, die Auskunft über Phytoplanktondichte und -Beschaffenheit geben. Das Team ermittelte mithilfe dieser Daten die Phytoplankton-Biomasse im Wochenabstand für verschiedene Tiefen und Breitengrade und verglichen die Werte mit satellitenbasierten Chlorophyll-a-Messungen.

Vertikale Verteilung
Vertikale Verteilung des in Phytoplankton-Biomasse gebundenen Kohlenstoffs (links) und des Chlorophyll-a. Deutlich ist zu erkennen, wie viel davon unterhalb der Messtiefe der Satelliten (gestrichelte Linie) und der obersten, durchmischten Wasserschicht (durchgezogene Linie) liegen. © Stoer und Fennel/ PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Die Hälfte verbirgt sich in der Tiefe

Das Ergebnis: Die Phytoplankton-Biomasse in den Weltmeeren liegt bei rund 314 Millionen Tonnen Phytoplankton-Kohlenstoff. „Unsere Messungen zufolge macht das ozeanische Phytoplankton damit nur rund 0,06 Prozent der gesamten Biomasse der irdischen Biosphäre aus“, schreiben Stoer und Fennel. „Das ist ein winziger Bruchteil, gemessen an ihrer enormen Bedeutung für die Erhaltung der marinen Ökosysteme und ihrer wichtigen Rolle für den Kohlenstoffkreislauf.“

Umso wichtiger sei es, die Verteilung des Phytoplanktons auch in den tieferen Ozeanschichten zu kennen. So enthüllten die neuen Messwerte, dass rund die Hälfte des gesamten Phytoplankton-Kohlenstoffs und des Chlorophyll-a unterhalb der durchmischten Oberflächenschicht der Meere zu finden ist. „Ein noch größerer Anteil liegt unterhalb der von den Satellitenmessungen erfassten Tiefe – er entspricht 85 Prozent des Phytoplankton-Kohlenstoffs und 88 Prozent des Chlorophyll-a“, berichten die Forschenden.

Zeitlich-räumliche Verteilung
Zeitliche und räumliche Verteilung der Phytoplanktonblüten. © Stoer und Fennel/ PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Fehleinschätzungen auch bei der Verteilung

Die Bojenmessungen ergaben zudem, dass die Satellitenmessungen des marinen Chlorophylls auch die saisonale Entwicklung der Meeresalgenblüten in zwei Dritteln der Meeresgebiete nicht korrekt erfassen. So legt das Oberflächen-Chlorophyll eine besonders umfangreiche und lange Algenblüte in subtropischen Regionen nahe, mit zu den Polen hin stark abnehmenden Dauern und Intensitäten. Berücksichtigt man aber die Phytoplankton-Biomasse auch in tieferen Meereschichten, zeigen deutlich geringere Unterschiede und regionale Schwankungen, wie das Team feststellte.

„Die Fehleinschätzung bei den Satellitendaten hat potenzielle Auswirkungen darauf, wie man die Algenblüten mit der Produktivität und dem Überleben der höheren trophischen Ebenen wie dem Zooplankton oder Fischlarven verknüpft“, erklären die Forschenden. Auch mögliche Entkopplungen von Räuber-Beute-Zyklen durch den Klimawandel könnten demnach allein durch Satellitendaten nur schwer korrekt erfasst werden.

Die Kombination bringt’s

Nach Ansicht von Stoer und Fennel ist es daher künftig wichtig, Daten sowohl von Satelliten als auch von Argo-Floats zu berücksichtigen. „Die Kombination beider Technologien ist ein wichtiger Schritt für die Langzeit-Überwachung des irdischen Phytoplanktons“, schrieben sie. „Es wird helfen zu verstehen, wie die Meeresalgen durch den anthropogenen Klimawandel und potenzielle Geoengineering-Projekte im Meer beeinflusst werden.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2405354121)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

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