Astronomie

Ist dieses Foto unseres Schwarzen Lochs inkorrekt?

Neuanalyse der EHT-Daten legt eine eher ovale Form und schrägen Blickwinkel nahe

EHT-Foto von Sagittarius A*
Wie korrekt ist dieses erste Foto des zentralen Schwarzen Lochs unserer Milchstraße? Eine Neuanalyse weckt Zweifel. © Event Horizon Telescope

Oval statt Kreis? Das erste Foto vom Schwarzen Loch der Milchstraße zeigt möglicherweise nicht sein wahres Aussehen, wie nun astronomische Neuanalysen nahelegen. Demnach geht die perfekte Kreisform der ikonischen Event-Horizon-Aufnahme primär auf nachträgliche Korrekturen und Bearbeitungen zurück. In Wirklichkeit könnte Sagittarius A* von uns aus gesehen eher oval erscheinen, weil wir im Winkel von rund 45 Grad auf die rotierende Materiescheibe am Ereignishorizont blicken, wie die Astronomen berichten.

Im Herzen der Milchstraße liegt ein verborgener Gigant – das supermassereiche Schwarze Loch Sagittarius A*. Lange war seine Präsenz nur indirekt über die Bewegungen naher Sterne nachweisbar. Doch im Mai 2022 enthüllten Aufnahmen der gekoppelten Radioobservatorien des Event Horizon Telescope (EHT) erstmals, wie Sagittarius A* aussieht: Das ikonische Foto zeigte einen hellen, kreisförmigen Lichtring um eine dunkle Mitte – das eigentliche Schwarze Loch.

Radiodaten im Bearbeitungsprozuess
Die Radiodaten der EHT-Kollaboration nach der ersten groben Kalibrierung (links) und nach dem ersten Verarbeitungsschritt des hybriden Mapping.© Miyhoshi et al./ MNRAS, CC-by 4.0

Wie realitätsgetreu ist das Bild?

Allerdings: Das berühmte Foto von Sagittarius A* ist keine direkte Abbildung des Gesehenen. Denn die rasend schnell um den Ereignishorizont kreisenden Gase lassen den im Radiobereich hell leuchtenden Ring stark flackern und schwanken – anders als beim größeren, weiter entfernteren Schwarzen Loch M87*. „Das ist ein bisschen wie der Versuch, ein klares Bild von einem Welpen zu machen, der schnell seinem Schwanz nachjagt“, erklärte damals Chi-kwan Chan von der University of Arizona. Für das Foto mussten die Astronomen daher mithilfe spezieller Modelle erst einen Durchschnitt der Einzelaufnahmen erstellen.

Das Bild beruht zudem auf den Aufnahmen von weit voneinander entfernt stehenden Radioteleskopen, wodurch große Lücken in den Daten entstehen. Um diese Lücken zu schließen, verwendete das EHT-Team Algorithmen, die auf gängigen theoretischen Modellen beruhen. So wurden beispielsweise einige Amplituden der Radiodaten so kalibriert, dass sie zum erwarteten Durchmesser des Schwarzen Lochs passten. Doch das bedeutet auch: Diese Funktionen gleichen die Daten den Modellen an – im Extremfall entspricht das resultierende Bild dadurch eher den Erwartungen als dem tatsächlich beobachteten.

Das neue Bild von SAgittarius A*
Das finale Bild von Sagittarius A* nach der Neuanalyse.© Miyhoshi et al./ MNRAS, CC-by 4.0

Gleiche Basisdaten, andere Analysemethode

Aus diesem Grund haben nun Astronomen um Makoto Miyoshi vom Nationalen Astronomischen Observatorium in Tokio die Daten des Event-Horizon-Teleskopverbunds noch einmal einer Neuanalyse unterzogen. Dafür nutzten sie einen von der EHT-Kollaboration veröffentlichten Datensatz der Sagittarius-A*-Beobachtungen, der die Verarbeitungsschritte noch nicht durchlaufen hat und nur in Bezug auf die Amplitude der Radiosignale leicht kalibriert wurde.

Anders als die EHT-Kollaboration analysierten Miyoshi und sein Team diese Beobachtungsdaten mit einer in der Radioastronomie schon lange gängigen Methode der Bilddatenverarbeitung. Dabei wird eine hybride Kartierungsmethode verwendet, um einerseits mithilfe der sogenannten „Point Spread Function“ (PSF) die Lücken und Verzerrungen bei punktförmigen Quellen auszugleichen und andererseits die Radiodaten so zu kalibrieren, dass Unterschiede zwischen Teleskopen und Messzeiten ausgeglichen werden.

„Diese Methode erstellt nach und nach das astronomische Bild, indem es immer wieder zwischen beiden Schritten hin und her springt“, erklärt Miyoshi. Durch Abgleich mit der Point Spread Function überprüften die Astronomen zusätzlich, wie stark die Vorannahmen dieses Algorithmus das resultierende Bild beeinflussten. „Wir wählten dann das Bild aus, das am nächsten an den Beobachtungsdaten dran war“, so der Astronom.

Steht das Schwarze Loch schräg?

Die Neuanalyse enthüllte überraschende Unterschiede zum EHT-Bild von Sagittarius A*: „Wir erhalten eine Aufnahme, die in Ost-West-Richtung verlängert ist – und die sich deutlich von der Ringform des EHT-Bilds unterscheidet“, berichten die Astronomen. Ihren Auswertungen zufolge erscheint das Schwarze Loch demnach leicht oval, weil wir es nicht frontal sehen. Stattdessen blicken wir im Winkel von 40 bis 45 Grad auf den rotierenden Materiering um den Ereignishorizont, wie Miyoshi und sein Team ermittelten. Auch die Größe des Schwarzen Lochs selbst könnte abweichen.

Interpretation der Daten
So interpretieren Miyoshi und sein Team das neue Bild.© Miyhoshi et al./ MNRAS, CC-by 4.0

Für diesen schrägen Blickwinkel spricht nach Angaben der Astronomen auch, dass die östliche Hälfte der Aufnahme heller erscheint als die westliche. „Dieser Helligkeitsunterschied geht auf einen Doppler-Effekt der schnell rotierenden Akkretionsscheibe zurück“, erklärt Miyoshi. Dadurch erscheinen die heißen Gase dort heller, wo sie sich im Materiering auf uns zu bewegen. Aus diesem Effekt schließen die Astronomen, dass die Materiescheibe um Sagittarius A* mit rund 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit rotiert und uns gegenüber geneigt ist.

Weitere Überprüfungen der Rohdaten nötig

Nach Ansicht von Miyoshi und seinem Team repräsentiert die leicht ovale Darstellung von Sagittarius A* einen realistischeren Anblick des zentralen Schwarzen Lochs der Milchstraße als das Bild der EHT-Kollaboration. „Es ist eher unwahrscheinlich, dass das ringförmige, im Jahr 2022 veröffentlichte Bild eine akkurate Darstellung ist“, so die Astronomen. Dafür spreche auch, dass die Radioartefakte, sogenannte Residuals, beim EHT-Bild doppelt so groß sind wie beim neuen Bild.

„Das deutet darauf hin, dass unser Bild besser zu den Beobachtungsdaten passt und verlässlicher ist“, erklärt Miyoshi. Zudem habe man einige Mängel in der Datenqualität gefunden, deren Ursache aber bei den in ihrer zeitlichen Auflösung und Bandbreite reduzierten öffentlichen Datensätzen nicht erkennbar sei. „Es ist daher nötig, die Rohdaten zu überprüfen, um die Ursache dieser Diskrepanzen zu ermitteln“, so die Astronomen. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2024; doi: 10.1093/mnras/stae1158)

Quelle: National Astronomical Observatory Japan, JASMINE Project

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