Spektakulärer Fund: In Argentinien haben Paläontologen die älteste fossile Kaulquappe der Welt entdeckt. Die Froschlarve stammt aus der Zeit vor 161 Millionen Jahren und lebte damit zeitgleich mit den Dinosauriern. Sie belegt, dass Frösche auch damals schon eine Metamorphose vom rein aquatischen Jugendstadium zum landlebenden Frosch durchlebten. Gleichzeitig ist das Fossil der erste Larvenfund für urtümliche Froschlurche, wie das Team in „Nature“ berichtet. Dennoch ähnelt die Larve heutigen Kaulquappen schon sehr.
Ihre ersten Lebensmonate verbringen Frösche im Wasser: zunächst als Laich, dann als kleine Kaulquappen. Während sie zu einem adulten Frosch heranwachsen, durchlaufen die Amphibienlarven große Veränderungen. So wachsen ihnen zum Beispiel Beine. Gleichzeitig bilden sich die Kiemen zurück, mit denen sie als Kaulquappe unter Wasser atmen konnten.
Doch seit wann Frösche diese Metamorphose durchlaufen und ob die Transformation von Kaulquappe zu Frosch schon immer nach demselben Schema abgelaufen ist, ist unklar. Denn während die ältesten bekannten Froschfossilien schon 215 Millionen Jahre alt sind, stammen die bisher ältesten Zeugnisse urzeitlicher Kaulquappen erst aus der Kreidezeit vor 145 Millionen Jahren.
Versteinerte Froschlarve aus dem mittleren Jura
Ein ungewöhnlicher Fossilienfund aus Argentinien könnte nun allerdings Licht ins Dunkel bringen. In der patagonischen La-Matilde-Formation haben Paläontologen um Mariana Chuliver von der Universidad Maimónides in Buenos Aires gerade die älteste bekannte Kaulquappe entdeckt. Sie ist 161 Millionen alt und lebte damit zu Zeiten der Dinosaurier. Der Körper der fossilen Kaulquappe ist fast komplett erhalten und beherbergt sogar versteinerte Weichteile wie die Augen und einige Nerven. Sie sind jeweils als dunkle Abdrücke sichtbar.
Die Transformation der urzeitlichen Kaulquappe zu einem ausgewachsenen Frosch war zum Zeitpunkt ihres Todes bereits sehr weit fortgeschritten, wie Chuliver und ihre Kollegen berichten. Sie besaß bereits Vorder- und Hinterbeine und ihr Skelett war schon weitgehend verknöchert. Die Froschlarve stand demnach bei ihrem Tod kurz vor ihrem Übergang zum landlebenden Jungfrosch.
Urzeitliche Kaulquappe war ein „Riesenbaby“
Ungewöhnlich ist allerdings die Größe des Kaulquappenfossils: Die Froschlarve war zum Zeitpunkt ihres Todes 16 Zentimeter lang und damit ein wahres „Riesenbaby“. Auch der Frosch, der aus der Kaulquappe hätte entstehen sollen, – ein Notobatrachus degiustoi – wäre wahrscheinlich ähnlich groß geworden.
„Ein solcher Gigantismus hat sich in der Evolution der Froschlurche zwar mehrfach entwickelt, es gibt aber nur wenige Arten, bei denen sowohl die adulten Tiere als auch die Kaulquappen solche Riesen sind“, erklären die Paläontologen. Weil die fossile Kaulquappe einer eher urtümlichen Form der Froschlurche angehörte, hat sich ihre Riesenlarvenform aber wahrscheinlich unabhängig von denen der heutigen Frösche entwickelt.
Dass es sich bei der Kaulquappe um einen jugendlichen Notobatrachus degiustoi handelt, schließen die Paläontologen sowohl aus dem Körperbau der Larve als auch aus ihrem Fundort. Denn im Umfeld der fossilen Kaulquappe ist das Team auf hunderte erwachsene Notobatrachus gestoßen. Die Beschaffenheit des Sediments lässt vermuten, dass diese Tiere einst in einem Überschwemmungsgebiet gelebt haben. Diesen Lebensraum teilten sie sich unter anderem mit verschiedenen Pflanzen, Krebstieren, Muscheln und Insekten, die der Nachwelt ebenfalls ihre fossilen Überreste hinterlassen haben.
Lebensweise hat sich kaum verändert
Obwohl die Kaulquappe bereits im mittleren Jura-Zeitalter lebte, ist sie heutigen Froschlarven überraschend ähnlich, wie Chuliver und ihr Team festgestellt haben. „Mehrere anatomische Merkmale der Kaulquappe von N. degiustoi deuten darauf hin, dass sich wichtige Merkmale bereits in den Stammtaxa entwickelt haben, insbesondere die Strukturen des Hyobranchialskeletts, die am Ernährungsmechanismus beteiligt sind“, erklären die Paläontologen.
Bei dem Ernährungsapparat der Kaulquappe handelte es sich demnach bereits um eine Art Filtersystem, mit dem sie einst Nahrungspartikel aus Wasserströmungen herausfischen konnte – genau wie heutige Kaulquappen. „Diese neue Entdeckung zeigt, dass ein zweiphasiger Lebenszyklus mit filtrierenden Kaulquappen, die aquatische Umgebungen bewohnen, bereits in der frühen Evolutionsgeschichte der Frösche und Kröten vorhanden war und seit mindestens 161 Millionen Jahren stabil geblieben ist“, fasst das Team zusammen. (Nature, 2024, doi: 10.1038/s41586-024-08055-y)
Quelle: Nature