Die Nase läuft, die nächste Taschentuch-Packung ist aufgebraucht, und dazu noch dieser lästige Husten. Als wäre das alles nicht schlimm genug, dröhnt der Kopf und man kann sich zu nichts aufraffen. Appetitlosigkeit, Müdigkeit und schlechte Laune machen das Gefühl eines Infekts perfekt. Solch eine Situation hat sicher jede und jeder schon erlebt. Wenn wir uns körperlich krank fühlen, drückt das auch auf die Stimmung.
Wechselwirkung von Immunsystem und Psyche
„Das klingt negativ, ist aber eigentlich eine sinnvolle Anpassungsreaktion unseres Körpers, um uns und andere zu schützen: Man schont sich, vermeidet Kontakte und bleibt zuhause“, erklärt Harald Engler. Er ist Experte für Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen, das mit der Ruhr-Universität Bochum kooperiert. Den Forscher interessiert, wie das Immunsystem auf die Psyche und mentale Prozesse wirkt.
So ist bereits bekannt, dass Stress, Einsamkeit oder traumatische Erfahrungen die Funktion unseres Immunsystems beeinträchtigen können. Umgekehrt beeinflussen Immunprozesse aber auch unsere Psyche und mentale Gesundheit im Positiven und Negativen. „Unser Immunsystem ist quasi unser sechster Sinn“, sagt Engler. „Es nimmt Dinge wahr, die wir nicht sehen, hören oder riechen können, weil sie zu klein sind – etwa Krankheitserreger und Entzündungsprozesse –, die aber trotzdem eine Bedrohung für unseren Körper darstellen.“ Wenn das Immunsystem das psychische Wohlbefinden bremst, ist das demnach ein Schutzmechanismus.
Wenn die Abwehr uns runterzieht
„Problematisch wird es, wenn Menschen chronische Entzündungen haben, wie es beispielsweise bei Arthritis oder Darmentzündungen der Fall ist“, erklärt Engler. „Sie können als Folge davon an einer Depression erkranken, deren Ursache nicht primär im Hirnstoffwechsel liegt, sondern in der Entzündung.“ Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Extinktionslernen, der an der Ruhr-Universität Bochum koordiniert wird, erforscht Engler zusammen mit Kolleginnen und Kollegen, wann der Schutzmechanismus zum Problem wird.
„Irgendwo wird ein Schalter umgelegt. Dann ist der Immunmechanismus, der unsere Stimmung und unser Verhalten beeinflusst, nicht mehr adaptiv, sondern schädlich“, schildert Engler. Die Zusammenhänge sind allerdings komplex und wechselseitig. Daher umfassen Englers Arbeiten die volle Bandbreite von Tierversuchen über Studien mit gesunden Menschen bis hin zu Tests mit Patientinnen und Patienten. Aus den vielen Puzzlestücken wollen die Forschenden eines Tages ein besseres Verständnis des Zusammenspiels zwischen Entzündungsprozessen, Lernvorgängen und Psyche erlangen.
Eine wichtige Rolle scheint dabei dem Extinktionslernen zuzukommen, wie das Team herausgefunden hat…