Medizin/Genetik

Molekulare Ursache des Jojo-Effekts gefunden

Fettzellen „erinnern“ sich epigenetisch an "dicke Zeiten" – und kehren leicht dazu zurück

Übergewicht udn Jojo-Effekt
Anhänge an der DNA der Fettzellen könnten eine wichtige Rolle für den Jojo-Effekt spielen. © Delpixart, Kirsty Pargeter/ iStock

Fettzellen mit Gedächtnis: Warum folgt auf eine Diät oft der berüchtigte Jojo-Effekt? Die molekulare Ursache dafür haben Forschende nun identifiziert. Demnach „erinnern“ sich die Zellen unseres Fettgewebes an ihren früheren „dicken“ Zustand. Verantwortlich dafür sind epigenetische Anhänge an der DNA der Fettzellen, die deren Verhalten „umprogrammieren“: Die Fettzellen nehmen mehr Zucker und Fett als normal auf und fördern so die erneute Gewichtszunahme nach der Diät, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Übergewichtigen Menschen fällt es meist schwer, ihr Gewicht dauerhaft zu reduzieren. Selbst nach einer erfolgreichen Diät sorgt der Jojo-Effekt dafür, dass die mühsam verlorenen Pfunde rasch wieder zurückkehren. Doch worauf beruht dieser Effekt? Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass die Darmflora dabei eine Rolle spielt. Zusätzlich sollen Veränderungen im Gehirn für ein übersteigertes Hungergefühl nach einer Diät sorgen.

Epigenetische Erinnerung an „dicke Zeiten“

Nun hat ein Team um Laura Hinte von der ETH Zürich einen weiteren Einflussfaktor identifiziert – direkt in den Fettzellen. In Experimenten mit Mäusen stellten die Forschenden fest, dass fettleibige Tiere im Vergleich zu normalgewichtigen Artgenossen andere epigenetische Anlagerungen an ihrer DNA aufwiesen. Diese chemischen Anhängsel beeinflussen die Aktivität der Gene und spielen auch bei fettleibigen Menschen eine Rolle, wie eine Studie im Jahr 2023 ermittelte.

Das aktuelle Experiment demonstriert nun, welche Rolle diese DNA-Anlagerungen beim Jojo-Effekt spielen. Die Adipositas-typischen Anlagerungen blieben auch erhalten, wenn Hinte und ihr Team die dicken Mäuse auf Diät setzten, bis diese ebenfalls Normalgewicht erreichten. Stellten die Forschenden den Mäusen dann wieder fettreiches Futter zur Verfügung, nahmen die ehemals dicken Tiere schneller wieder zu als Artgenossen, die nie zuvor übergewichtig waren.

„Die Fettzellen erinnern sich an den übergewichtigen Zustand und können leichter in diesen zurückversetzt werden“, beschreibt Hintes Kollege Ferdinand von Meyenn den Effekt.

Umprogrammierte Fettzellen als Treiber des Jojo-Effekts

Aus Sicht der Forschenden legen diese Ergebnisse nahe, dass das epigenetische Fettgedächtnis eine molekulare Grundlage für den Jojo-Effekts darstellt. Die Schwierigkeit, nach einer Diät schlank zu bleiben, hat ihren Ursprung demnach direkt in den Zellen des Fettgewebes. Wie die DNA-Anlagerungen dies konkret bewirken, fanden Hinte und ihr Team durch nähere Analysen der epigenetisch veränderten Fettzellen heraus.

Es zeigte sich: Die epigenetisch auf „dick“-programmierten Fettzellen nahmen selbst bei gleicher Nährstoffzufuhr mehr Zucker und Fett auf und lagerten es ein als die Fettzellen der Kontrollmäuse.Zudem waren bei den ehemals übergewichtigen Tieren mehrere Gene herunterreguliert, die für die normale Funktion der Fettzellen wichtig sind. Stattdessen waren Gene überaktiv, die Entzündungen fördern und zur Bildung von Fibrosen, also steifem, narbigem Gewebe beitragen.

Fettgedächtnis trotz Magenverkleinerung

Auch beim Menschen fanden die Forschenden Hinweise auf diesen Mechanismus. Dazu analysierten sie Fettgewebs-Biopsien von ehemals übergewichtigen Personen, die sich einer Magenverkleinerung oder einer Magenbypass-Operation unterzogen hatten und ihren Body-Mass-Index (BMI) um mindestens 25 Prozent reduziert hatten.

Doch wie Hinte und ihr Team feststellten, schien sich das Fettgewebe dieser ehemals übergewichtigen Testpersonen nach wie vor an das frühere Übergewicht zu „erinnern“: Auch zwei Jahre nach der Operation wurden in ihren Fettzellen nach wie vor die gleichen, mit Übergewicht assoziierten Gene abgelesen – obwohl diese Menschen längst Normalgewicht erreicht hatten.

Frühzeitig vorbeugen

Wie lange die epigenetischen Muster bestehen bleiben, ist noch unklar. „Fettzellen sind langlebige Zellen. Sie werden im Schnitt zehn Jahre alt, bevor unser Körper sie durch neue Zellen ersetzt“, sagt Hinte. Mit bisher bekannten Wirkstoffen lässt sich dieses Fettgedächtnis leider noch nicht löschen. „Vielleicht wird das in Zukunft möglich werden“, meint Hinte. „Aber vorerst müssen wir mit diesem Gedächtniseffekt leben.“

Umso wichtiger ist es den Forschenden zufolge, Übergewicht frühzeitig vorzubeugen. Das sei einfacher, als es später zu bekämpfen. Zugleich hoffen sie, dass ihre Ergebnisse dazu beitragen, die Stigmatisierung übergewichtiger Personen zu verringern. „Es ist nicht Ihre Schuld“, sagt Hinte.

Ob tatsächlich eine kausale Beziehung zwischen den epigenetischen Veränderungen und dem Jojo-Effekt besteht, ist allerdings noch nicht vollständig geklärt. „Bisher können wir nur eine Korrelation nachweisen“, sagt von Meyenn. (Nature, 2024, doi: 10.1038/s41586-024-08165-7)

Quelle: Nature; ETH Zürich

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