Sozialer Spieltrieb: Der Mensch ist offenbar nicht das einzige Wesen, das auch als Erwachsener noch gerne spielt. Denn auch erwachsene Schimpansen vertreiben sich noch überraschend oft die Zeit mit Spielen, wie Forscher herausgefunden haben. Besonders häufig kommt ein solches spaßhaftes Verhalten unter befreundeten Schimpansen vor, aber auch, bevor die Tiere als Gruppe kollektiv jagen oder ihr Revier verteidigen. Das Spielen trägt dazu bei, die sozialen Bindungen und das Gruppengefühl zu stärken.
Spielen ist ein soziales Verhalten, das Forscher bereits bei zahlreichen Tierarten beobachtet haben. Allerdings spielen in der Regel nur die Jungtiere und Heranwachsenden miteinander. Auch wir Menschen haben als Kinder einen ausgeprägten Spieltrieb, spielen aber auch noch als Erwachsene, wenn auch seltener. Das ist ein seltenes Verhalten im Tierreich, das sonst beispielsweise nur von Krokodilen bekannt ist. Die Interaktion stärkt bei uns nachweislich die sozialen Bindungen, fördert den Gruppenzusammenhalt und Toleranz und erleichtert so Kooperationen.
Wie spielen wilde Schimpansen?
Auch bei Schimpansen (Pan troglodytes) und anderen in Zoos gehaltenen Menschenaffen wurden soziale Spiele und Neckereien noch im Erwachsenenalter beobachtet. Aber ist das ein reines Langeweile-Verhalten im Zoo oder spielen die Primaten auch in ihrem natürlichen Lebensraum noch als Erwachsene zusammen?
Ein Team um Liran Samuni vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen hat nun erstmals untersucht, ob und wie wilde Schimpansen miteinander spielen. Dafür haben die Biologen sechs Jahre lang drei zusammenhängende Gruppen von Schimpansen beobachtet, die im Taï-Nationalpark an der Elfenbeinküste leben. Darunter waren 57 erwachsene Tiere.
Alle Schimpansen spielen, aber alte weniger
Die Beobachtungen ergaben, dass erwachsene Männchen und Weibchen in diesen Schimpansen-Gruppen tatsächlich in jedem Alter spielen – und das sogar relativ regelmäßig. Spielpartner sind dabei meist die Jungtiere, aber oft auch andere Erwachsene oder Jugendliche. „Der Dominanzrang hatte keinen klaren Einfluss auf die Spielwahrscheinlichkeit von Erwachsenen, aber das soziale Spiel mit erwachsenen Partnern nahm mit zunehmendem Alter ab“, so die Verhaltensforscher.
Meist genügen den Schimpansen ein oder mehrere Mitspieler, manchmal nehmen sie aber auch Spielzeug zur Hand: „Obwohl dies weniger üblich ist, wurden bei sozialen Spielen unter erwachsenen Schimpansen auch Gegenstände und Materialien wie Stöcke, Früchte, Schneckenhäuser, Sand und Wasser verwendet“, schreibt das Team. Auch interessant: Die Menschenaffen spielten häufiger, wenn mehr Früchte in ihrem Lebensraum reif waren. Das könnte daran liegen, dass sie dann mehr Zucker aufnehmen und mehr Energie zum Spielen haben.
„Spielgesicht“ verrät Spaßkämpfe
Das bei den Schimpansen beobachtete Spielverhalten war oft ziemlich rabiat, führte aber selten zu Verletzungen. Beispielsweise ringen die Menschenaffen zum Spaß miteinander, ziehen sich an den Haaren, kitzeln, schubsen und beißen sich oder verpassen sich gegenseitig Ohrfeigen. Zudem jagen sie sich und spielen Fangen, wie Samuni und ihre Kollegen feststellten.
Dass diese Interaktionen nicht aggressiv, sondern positiv gemeint sind, äußern die Schimpansen durch spezielle „Spielgesichter“ und keuchende Laute. Diese Mimik und Geräusche der Menschenaffen ähneln dem menschlichen Lächeln und Lachen, berichtet das Team. Die Primaten haben demnach genau wie wir sicht- und hörbar Freude am Spielen.
Spielen fördert den sozialen Zusammenhalt
Doch warum spielen die Schimpansen miteinander? „Obwohl das soziale Spiel zwischen Erwachsenen nicht alltäglich war, fand es immer wieder unter bestimmten Bedingungen statt“, sagt Samuni. Beispielsweise nahmen erwachsene Schimpansen, die sich an sozialen Spielen beteiligten, anschließend auch häufiger an komplexen und gefährlichen Gruppenaktivitäten wie der gemeinsamen Jagd oder der Verteidigung ihres Reviers teil. Das legt nahe, dass die Affen durch das Spielen ihre Bereitschaft zur Kooperation signalisieren und dass das Spielen die kollektive Zusammenarbeit fördert.
Doch die Schimpansen spielten nur in 18 Prozent der Fälle in größeren Gruppen miteinander. Ansonsten fanden sie sich paarweise zusammen, wobei sich die Beteiligten oft nahestanden und gegenseitig das Fell pflegten. Manchmal handelte es sich aber auch um Schimpansen, die um Sexualpartner konkurrierten oder die kurz vor dem Spiel noch miteinander gestritten hatten. Samuni und ihre Kollegen schließen daraus, dass Spielen einerseits ein Zeichen von Vertrautheit und Vertrauen ist und zugleich soziale Spannungen abbauen und Konflikte innerhalb der Gruppe lösen kann.
Spielen Erwachsene nur in toleranten Gesellschaften zusammen?
Dass die erwachsenen Schimpansen miteinander spielen und das zu einem sozialen Zweck, könnte darauf hinweisen, dass „Gesellschaften, die durch Zusammenhalt und Toleranz gekennzeichnet sind, auch eine höhere Häufigkeit des Spielens von Erwachsenen aufweisen“, sagt Samuni. Ob nur die untersuchten Schimpansen im Taï-Wald oder auch andere wilde Schimpansengruppen auf diese Weise miteinander spielen, ist jedoch noch unklar. Denn verschiedene Populationen dieser Art verhalten sich mitunter sehr unterschiedlich.
Wie sehr sich das Spielverhalten mehrerer wilder Schimpansengruppen ähnelt, sollen nun Folgestudien klären. Dabei wollen Samuni und ihre Kollegen auch untersuchen, ob die Primaten sich bewusst für das Spielen entscheiden, um das soziale Engagement der Gruppe zu fördern, oder ob dies eine unbeabsichtigte Folge des natürlichen Spieltriebs ist. (Current Biology, 2024; doi: 10.1016/j.cub.2024.10.058)
Quelle: Cell Press