Traditionshandwerk: Das Backen der italienischen Brotspezialität Focaccia reicht bis in die Steinzeit zurück – schon vor mehr als 8.000 Jahren wurden diese flachen, fettigen Brote gebacken, wie Archäologen entdeckt haben. Der Beleg dafür sind Rückstände in flachen Tonbackschalen aus der Jungsteinzeit, die von Brot und Foccacias mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen stammen. Der Fund dieser Formen in Syrien und der Türkei enthüllt zudem, dass die Focaccias ihren Ursprung nicht in Italien haben, sondern von Bauern im Nahen Osten entwickelt wurden.
Im Nahen Osten, im Gebiet des einstigen Mesopotamiens, haben Forscher in den vergangenen Jahren immer wieder Überreste von flachen Tonschalen gefunden. Diese Artefakte stammen aus der Zeit zwischen 6400 und 5900 vor Christus und damit aus der Jungsteinzeit, einige Jahrhunderte bevor in Mesopotamien die ersten Städte entstanden. Die tablettartigen Behälter hatten einen großen ovalen Boden und niedrige Wände. Auf der Innenseite befand sich ein regelmäßiges Muster aus groben Abdrücken oder Einschnitten.
Backbleche aus Ton?
Vermutungen zufolge dienten diese Tonschalen den damals in der Gegend heimischen Vieh- und Getreide-Bauern als Backbleche. Experimente mit Nachbildungen hatten bereits nahelegt, dass sich darauf etwa drei Kilogramm schwere Brotlaibe aus Wasser und Mehl backen lassen. In den damaligen Kuppelöfen wurden diese Brote wahrscheinlich zwei Stunden lang bei 420 Grad Celsius gebacken. Die Rillenmuster auf der Innenseite der Tontabletts verhinderten dabei ein Anbacken des Teiges und erleichterten nach dem Backen die Entnahme des Brotes.
Ein Team um Sergio Taranto von der Universität La Sapienza in Rom hat nun überprüft, ob diese Vermutungen stimmen und die Tonschalen wirklich Backbleche waren. Dafür analysierten die Archäologen anhand von Scherben dieser Tabletts und den darauf konservierten organischen Rückständen, welche Substanzen sich einst darauf befanden und aus welchen Zutaten die Brote bestanden haben könnten. Zudem wiederholten sie die Backversuche mit Nachbildungen der Tonschalen und verschiedenen Zutaten.
Die 13 untersuchten Scherben stammen von Tonschalen aus den archäologischen Stätten von Mezraa Teleilat, Akarçay Tepe und Tell Sabi Abyad, die im Grenzgebiet von Syrien und der Türkei liegen.
Brot aus Getreide, Gewürzen und Fett
Die Analysen ergaben, dass die Rückstände in den Tonschalen Kieselsäurerückstände von Pflanzen enthalten, die von Getreide wie Weizen oder Gerste stammen. Auch Rückstände von pflanzlichen Gewürzen sowie pflanzlichen und tierischen Fetten identifizierten Taranto und seine Kollegen in den Rückständen einiger Tonscherben. Daraus schließen sie, dass diese Formen einst tatsächlich als Backunterlage für Brote dienten.
Anders als die ältesten bekannten Brote enthielten die Backwaren auf den Tontabletts aber neben Wasser und Mehl zumindest teilweise auch Öl oder Schmalz, möglicherweise auch Pflanzensamen oder Fleisch. Die Oberfläche der Backformen wies zudem Gebrauchs- und Abnutzungsspuren auf, die zu fetthaltigen Brot- und Focaccia-Resten passen, wie das Team erklärt. Ähnliche Spuren waren auch bei Backversuchen mit Nachbildungen entstanden.
Der Zustand und die chemische Zusammensetzung der Lebensmittelrückstände legen zudem nahe, dass die jungsteinzeitlichen Backunterlagen einst ähnlich hohen Temperaturen von über 300 Grad ausgesetzt wurden, wie sie in den Rekonstruktions-Experimenten nachgewiesen wurden.
Focaccia: Eine jungsteinzeitliche Backtradition
Die Archäologen schließen daraus, dass die in Syrien und der Türkei gefunden Tonartefakte zum Backen von Focaccia-ähnlichen Broten genutzt wurden. Der Ursprung der Focaccia liegt demnach nicht in Italien, sondern in Mesopotamien. Schon dort gab es Frühformen dieser fetthaltigen, aromatischen Brotspezialität in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen. Verschiedene Rezepte für Foccacia gab es demnach schon lange, bevor sie schriftlich festgehalten wurden.
„Unsere Studie bietet ein anschauliches Bild von Gemeinschaften, die das von ihnen angebaute Getreide zur Zubereitung von Brot und Focaccias verwenden, die mit verschiedenen Zutaten angereichert und in Gruppen verzehrt werden“, erklärt Taranto. „Die Verwendung der von uns identifizierten Gefäße lässt vermuten, dass sich diese jungsteinzeitliche kulinarische Tradition über etwa sechs Jahrhunderte entwickelt hat und in einem weiten Gebiet des Nahen Ostens praktiziert wurde“, so der Forscher. (Scientific Reports, 2024; doi: 10.1038/s41598-024-78019-9)
Quelle: Autonome Universität Barcelona