Nur ein Mythos ? Waldbäume sind über unterirdische Wurzelpilz-Geflechte miteinander verbunden und sollen darüber sogar kommunizieren und Nährstoffe austauschen. Doch ein Experiment widerlegt nun diese Vorstellung vom „Wood Wide Web“. Demnach gelangen kohlenstoffhaltige Nährstoffe zwar zu benachbarten Mykorrhiza-Pilzen, nicht aber in die Nachbarbäume, wie die Biologen ermittelten. Über das unterirdische Netzwerk kommunizieren demnach die Pilze, nicht aber die Bäume.
Viele Waldbäume leben in enger Symbiose mit Pilzen, die an und in ihren Wurzeln wachsen. Diese Mykorrhiza hat für beide Partner Vorteile: Der Baum profitiert von Wasser und Nährstoffen aus dem weitreichende Netzwerk feiner Pilzfäden, der Pilz bekommt Zucker aus der Photosynthese des Baumes – soweit die Fakten. Doch einige Bücher und Medien schreiben dem unterirdischen Netzwerk der Wurzelpilze darüber hinaus wahre Wunderdinge zu: Über dieses „Wood Wide Web“ sollen Nachbarbäume Nährstoffe austauschen und miteinander kommunizieren.
Baumpaare im Test
Aber sind Waldbäume tatsächlich über das Pilznetzwerk verbunden? Das hat nun ein Team der Universität Göttingen um Michela Audisio in einem Experiment überprüft. Dafür pflanzten sie junge Buchen und Douglasfichten jeweils paarweise in einer Testfläche ein. Einige Duos bestanden dabei aus artgleichen Bäumen, andere Paare waren gemischt. Für den Test erhielt jeweils einer der beiden Bäume einen Nährstoffcocktail mit isotopenmarkierten Kohlenstoffatomen.
Nach einer Zeit der Akklimatisierung entnahmen die Forschenden Proben von den Wurzeln der Spender- und Empfängerbäume sowie von den außen an den Baumwurzeln sitzenden Mykorrhiza-Pilzen beider Bäume. Über den Anteil des schweren Kohlenstoffisotops 13C konnte das Team ermitteln, ob das Pilznetzwerk Nährstoffe von einem Baum zum anderen transportiert hatte und ob diese Nährstoffe in das Gewebe des „Empfängerbaums“ gelangt war.
Übertragung nur zum Nachbarpilz, nicht zum Nachbarbaum
Das Ergebnis: Die Nährstoffe gelangen tatsächlich vom Wurzelgeflecht des Spenderbaums bis in die Pilzfäden des Nachbarbaumes. Dieser Transport war bei den Buchenpaaren am ausgeprägtesten, kam aber auch bei den artübergreifenden Paarungen vor: „Unsere Resultate stützen die Präsenz eines gemeinsamen Mykorrhiza-Netzwerks auch zwischen Buche und Douglasfichte“, berichten Audisio und ihre Kollegen. Obwohl beide Baumarten größtenteils unterschiedliche Wurzelpilzarten beherbergten, gab es einen Transport von isotopenmarkierten Nährstoffen von einem Pilzgeflecht zum anderen.
Doch anders als gerne angenommen, findet dieser Austausch offenbar nur zwischen den Wurzelpilzen statt, nicht zwischen den Bäumen. Denn in der Wurzel des Empfängerbaums konnten die Biologen keine Spuren des isotopenmarkierten Nährstoffs finden. „Es gab keine signifikante Translokation des markierten Kohlenstoffs in das Transportsystem des Baumes“, berichten Audisio und ihr Team. Demnach übertragen junge Buchen Kohlenstoff zwar an andere Mykorrhiza-Pilze, aber nicht an andere Bäume.
Pilznetz statt Baum-Kommunikation
„Die Ergebnisse befeuern eine seit langem bestehende Debatte in der Ökologie: Sind Bäume wirklich auf kooperative Weise miteinander verbunden?“, sagt Audisio. Ihrer Ansicht nach sprechen die Ergebnisse der aktuellen Experimente eher dagegen. Demnach bilden die Mykorrhizapilze zwar ein Netzwerk, nutzen es aber für ihre eigenen Zwecke – um beispielsweise in knappen Zeiten zusätzliche Kohlenstoffquellen zu erschließen.
Als Versorgungs- und Datenleitung für ihre Wirtsbäume dient das Pilznetzwerk hingegen eher nicht: „Es ist schwer vorstellbar, dass Ektomykorrhizapilze uneigennützig Kohlenstoff von einem Baum auf einen anderen übertragen würden“, sagt Audisio. Nach Ansicht der Forscherin und ihrer Kollegen ist das „Wood Wide Web“ demnach eher ein Pilznetz als ein Baumnetz. (New Phytologist, 2024; doi: 10.1111/nph.19943)
Quelle: Georg-August-Universität Göttingen