Medizin

Mit Antikörpern gegen akute Asthma-Anfälle

Neues Antikörper-Präparat hilft besser gegen akute Atemnot als Cortison

Illustration einer Spritze, aus der Antikörper kommen
Eine Antikörper-Spritze hilft Menschen bei einem akuten Asthma- oder COPD-Anfall besser als Steroid-Medikamente. © wildpixel /GettyImages

Alternative gefunden: Ein Antikörper-Präparat könnte künftig akute Asthma- und COPD-Anfälle lindern und ihr Wiederauftreten verhindern – wirksamer als gängige Cortison-Präparate, wie eine klinische Studie belegt. Demnach kann schon eine Spritze mit dem Antikörper-Wirkstoff Benralizumab akute Anfälle beenden und weitere verzögern. Die Antikörper senken so das Risiko für tödliche Verläufe, ohne dass Nebenwirkungen wie bei Cortison auftreten. Das könnte die Überlebenschancen und die Lebensqualität für Millionen Menschen mit Asthma und COPD verbessern.

Millionen Menschen weltweit leiden unter Asthma oder einer Chronisch Obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Typisch für diese bislang unheilbaren Erkrankungen sind entzündliche Veränderungen von Lungen und Bronchien und damit einhergehend chronische Atembeschwerden sowie wiederkehrende Anfälle akuter Atemnot. Im Extremfall kann ein solcher Anfall sogar tödlich enden. Auslöser für rund die Hälfte der Asthmaanfälle und ein Drittel der COPD-Anfälle sind akut aufflammende Entzündungsprozesse durch eosinophile Granulozyten. Diese Unterform der weißen Blutkörperchen dient eigentlich der Abwehr von Parasiten, greift aber bei Asthma und COPD das körpereigene Gewebe an.

Um die akuten Entzündungsschübe zu behandeln und die Häufigkeit der Anfälle zu senken, erhalten die Betroffenen bisher Cortison-Präparate wie Prednisolon. Diese hemmen die fehlgeleitete Immunreaktion und lindern die Entzündungen in Lunge und Bronchien, haben aber oft schwere Nebenwirkungen wie Diabetes und Osteoporose. Bei rund einem Drittel der Patienten wirken diese Präparate zudem nicht. „Bisher gibt es aber gerade für Patienten mit hohen Eosinophil-Werten im Blut und dem damit höchsten Anfallsrisiko keine Alternative zu systemischen Glucocorticoiden“, erklären Sanjay Ramakrishnan von der University of Western Australia und seine Kollegen.

Cortison und Antikörper-Präparat im Vergleichstest

Das könnte sich nun ändern – durch das Antikörper-Präparat Benralizumab. Dabei handelt es sich um einen im Labor hergestellten Antikörper, der gezielt an einem Rezeptor der Eosinophilen andockt und deren Aktivität hemmt. Das Präparat ist bereits für schwere Asthmatiker zugelassen, um Anfällen vorzubeugen, wird aber derzeit nur wenigen Patienten verschrieben. Seine Wirksamkeit gegen Akutanfälle bei Asthma und COPD war jedoch bisher unklar, ebenso die beste Darreichungsform.

Ramakrishnan und sein Team haben nun getestet, ob schon eine Spritze mit Benralizumab reicht, um Akutanfälle bei Menschen mit Asthma und COPD zu behandeln und weitere Anfälle zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Studienteilnehmer waren 158 über britische Krankenhäuser akquirierte Testpersonen mit diagnostizierter Erkrankung und mindestens einem durch hohe Eosinophilen-Werte ausgelösten Akutanfall in den letzten zwölf Monaten.

Für ihre Studie teilte das Team die Testpersonen zufällig in drei Gruppen ein. Die erste Gruppe erhielt eine Benralizumab-Spritze und Placebo-Tabletten, die zweite Gruppe eine Placebo-Spritze und Cortison-Tabletten und die dritte Gruppe eine Benralizumab-Spritze und Cortison-Tabletten. Die Dosierung des Cortison-Präparats Prednisolon entsprach der bisher üblichen Behandlung von akuten Atemnotschüben. Weder die Mediziner noch die Patienten wussten, in welcher Gruppe sie waren.

Weniger Therapieversagen mit Antikörper-Mittel

Das Ergebnis: „Die einmalige Dosis von 100 Milligramm subkutanem Benralizumab senkte das Risiko für ein Therapieversagen im Zeitraum von 90 Tagen um das Vierfache“, berichten die Forschenden. „Drei Viertel der nur mit Cortison behandelten Patienten mussten in dieser Zeit erneut behandelt werden.“ Dies bestätigt die oft geringe Wirksamkeit der gängigen Therapie mit Cortison-Präparaten für Patienten mit eosinophilen Entzündungen und zeigt, dass die Antikörper einen besseren Langzeitschutz bieten.

Auch gegen akute Anfälle wirkten die Antikörper effektiv: Die Gabe von Benralizumab während eines akuten Asthma- oder COPD-Anfalls reduzierte die Zahl der aktiven Eosinophilen schnell und linderte dadurch die akuten Beschwerden und entzündlichen Veränderungen besser als die gängige Cortisontherapie. Nebenwirkungen durch Benralizumab traten keine auf, sodass die Mediziner das Präparat als sicher einstufen.

Gute Alternative zu Cortison

Nach Ansicht von Ramakrishnan und seinem Team unterstreichen diese Ergebnisse, dass das Antikörper-Präparat Benralizumab nicht nur in seltenen Einzelfällen wirkt, sondern sich sowohl für Asthma- als auch COPD-Patienten mit eosinophilen Entzündungsprozessen eignet – als vorbeugendes Mittel und als Notfallmittel bei Akutanfällen. Die Antikörper könnten sogar dazu beitragen, die nebenwirkungsreiche Behandlung mit Cortison in Zukunft überflüssig zu machen, schreiben die Forschenden.

„Dies könnte für Menschen mit Asthma und COPD ein Gamechanger sein“, sagt Seniorautorin Mona Bafadhel vom King’s College London. „Wir hoffen, dass unsere Studie künftig die Art und Weise, wie Asthma und COPD-Exazerbationen behandelt werden, verändern und letztendlich die Gesundheit von über einer Milliarde Menschen mit Asthma und COPD auf der ganzen Welt verbessern werden.“

Dafür müsste das Antikörper-Medikament Benralizumab nun auch für Notfallsituationen und für COPD zugelassen werden, damit alle Betroffenen diesen Wirkstoff statt Cortison erhalten können. (The Lancet Respiratory Medicine, 2024; doi: 10.1016/S2213-2600(24)00299-6)

Quelle: King’s College London

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Form eines Photons

Physiker enthüllen Form des Photons

Gab es einst heiße Quellen auf dem Mars?

Mit Antikörpern gegen akute Asthma-Anfälle

Wissenschaftler bringen Holz zum Leuchten

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Allergien im Griff - von Ines Landschek

Top-Clicks der Woche