E-Auto ist nicht gleich E-Auto: Viele Elektroautos verbrauchen mehr Strom und haben eine geringere Reichweite als die Hersteller angeben, wie ein Vergleich enthüllt. Trotz des Technologiefortschritts sind die E-Autos in den vergangenen Jahren zudem weniger effizient geworden. Schuld ist der Trend hin zu größeren Autos mit schwereren Batterien. Besonders die E-SUVs sind Stromfresser. Abhilfe könnte nach Ansicht der Forscher ein Energielabel eigens für E-Autos bieten. Denn das könnte den Herstellern Anreize geben, Elektroautos mit geringerem Stromverbrauch zu entwickeln.
Elektroautos sollen helfen, unseren Verbrauch von fossilen Rohstoffen zu senken und damit weniger klimaschädliche Treibhausgase auszustoßen. Autohersteller weltweit produzieren daher seit einigen Jahren vermehrt Elektroautos. Dabei verbessern sie auch stetig deren Eigenschaften wie Stromverbrauch, Reichweite und Leistungsfähigkeit und bringen immer neue Modelle auf den Markt.
Dabei den Überblick zu behalten, welches E-Auto nun das beste ist, ist jedoch gar nicht so einfach. Denn eine leicht verständliche und begründete Klassifizierung speziell von Elektroautos gibt es bislang nicht. Derzeit fallen alle E-Autos pauschal unter die beste Label-Stufe für Autos, weil sie kein CO2 ausstoßen. Doch das heißt nicht, dass alle Elektroautos gleich effizient sind.
E-Autos im Vergleich
Ein Team um Martin Weiss von der Hochschule Trier hat nun 342 aktuell in Europa käufliche Elektroauto-Modelle hinsichtlich ihrer Energieeffizienz beim Fahren verglichen. Es handelt sich um rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge, keine Hybrid-Modelle oder Wasserstoffantriebe. Die Ingenieurswissenschaftler prüften den vom Hersteller angegeben Stromverbrauch und den realen Verbrauch im deutschen Straßenverkehr, basierend auf Daten der Webseite „Spritmonitor“.
Die Ergebnisse verglichen die Forschenden zudem mit den Effizienzwerten von E-Autos aus früheren Studien. Aus Daten über die jeweiligen Fahrzeugeigenschaften ermittelten sie auch, von welchen Faktoren der Stromverbrauch von Elektroautos abhängt.
E-Autos brauchen mehr Strom als angegeben
Die Analysen ergaben, dass die Elektroautos zusammengenommen im Schnitt 20,7 Kilowattstunden Strom auf 100 Kilometer benötigen. Damit verbrauchen die E-Modelle etwas mehr Strom als in ihren Zertifikaten angegeben, in denen von durchschnittlich 19,4 Kilowattstunden die Rede ist. Zudem betrug die Reichweite einer Stromladung nicht wie angegeben 438 Kilometer im Durchschnitt, sondern real rund 383 Kilometer.
„Wir stellen fest, dass der tatsächliche Energieverbrauch etwa sieben Prozent höher ist als der zertifizierte Energieverbrauch. Dieses Ergebnis lässt darauf schließen, dass beim europäischen Zertifizierungstest der durchschnittliche Energieverbrauch systematisch unterschätzt wird“, berichten die Forschenden. Die Differenz kommt durch Faktoren wie das Verhalten der Fahrer, die Struktur der Fahrbahn und die Umgebungstemperatur zustande, erklären Weiss und seine Kollegen. Dennoch müsse der Zertifizierungstest möglicherweise angepasst werden.
Gewicht und Form bestimmen über Stromverbrauch
Zwischen den einzelnen E-Automodellen gibt es aber auch Unterschiede. Wie viel Energie sie beim Fahren verbrauchen, hängt unter anderem von ihrem Gewicht ab: Ein E-SUV ist größer und schwerer als ein elektrischer Kleinwagen und benötigt daher mehr Strom. „Je 100 Kilogramm Fahrzeugmasse erhöhen den Energieverbrauch um 0,2 ± 0,1 Kilowattstunden pro 100 Kilometer“, schreiben Weiss und Kollegen.
Auch die Form und Größe der Autofront bestimmt wegen des Luftwiderstands den Stromverbrauch. „Je 0,1 Quadratmeter Stirnfläche erhöhen den Energieverbrauch um 0,9 ± 0,1 Kilowattstunden pro 100 Kilometer“, so das Team. Darüber hinaus wiesen E-Autos mit Allradantrieb einen höheren realen Stromverbrauch auf als solche mit Zweiradantrieb.
Leistung und Preis der E-Autos sind hingegen kein Hinweis auf deren Stromverbrauch, zumindest nicht direkt. Teurere Autos sind demnach nicht automatisch ineffizienter, der Preis spiegelt aber unter anderem eine leistungsfähigere Batterie wider, die zwar die Reichweite erhöht, jedoch das Auto ineffizienter macht. Denn umso höher die Kapazität der Batterie, desto schwerer ist sie, was wiederum den Stromverbrauch in die Höhe treibt. Im Schnitt macht das Batteriegewicht rund die Hälfte des gesamten Autogewichts aus, wie die Analyse ergab.
Größer statt effizienter
Die drei Automarken mit dem derzeit niedrigsten durchschnittlichen Energieverbrauch ihrer E-Autos sind der Studie zufolge Dacia, DS und Lucid. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass die Elektroautos aller Hersteller trotz des technologischen Fortschritts in den vergangenen Jahrzehnten nicht effizienter, sondern hinsichtlich ihres Energieverbrauchs beim Fahren sogar ineffizienter geworden sind.
Die Forschenden führen das darauf zurück, dass die neueren Autos so konzipiert wurden, dass sie größer und leistungsfähiger und damit schwerer sind als ihre Vorgängermodelle. Dabei wurden die Antriebe zwar technisch effizienter, jedoch das Auto als Ganzes nicht.
Kommt das Energielabel für E-Autos?
Basierend auf ihren Befunden haben Weiss und seine Kollegen Vorschläge für ein neues Energielabel entwickelt, das künftig die in der EU verfügbaren E-Autos nach ihrem zertifizierten Stromverbrauch einteilen und kennzeichnen könnte. Ähnlich wie bei Haushaltsgeräten und Elektronik könnte dieses Label den Effizienzgrad eines E-Autos auf einer Skala mit Buchstaben von A bis G und einer Kennzeichnung in Ampelfarben angeben. Weil nur die wenigsten der aktuellen E-Autos dann noch die Klasse A erreichen würden, würde das Hersteller animieren, Autos mit geringerem Verbrauch zu entwickeln, so die Annahme der Forscher.
Ähnlich könnten dann auch Label für andere Elektrofahrzeuge wie E-Scooter, E-LKW und E-Busse aussehen, sofern für diese ebenfalls Effizienzvergleiche durchgeführt werden. Ob die EU solche Label für Elektrofahrzeuge einführen will und wird, ist unklar. Derzeit sind den Forschern zufolge keine solche Pläne bekannt. Bis Ende 2024 muss die EU-Kommission aber zumindest die Label für alle Autos überarbeiten. (Sustainability MDPI, 2024; doi: 10.3390/su16177529)
Quelle: Hochschule Trier