Premiere: Physiker haben erstmals die dritte Form des Magnetismus sichtbar gemacht – den erst Anfang 2024 nachgewiesenen Altermagnetismus. Ihre Aufnahmen enthüllen die magnetischen Wirbelstrukturen und Domänen, die der Altermagnetismus in einem Mangantellurid-Kristall erzeugt. Diese Kartierung ebnet den Weg zu einer gezielten Erzeugung und Nutzung dieser neuartigen Magnetismus-Form, die unter anderem die Spintronik voranbringen könnte, wie das Team in „Nature“ berichtet.
Lange gab es in der Physik nur zwei Formen des Magnetismus: Entweder die atomaren Spins eines Materials sind gleich ausgerichtet und machen es ferromagnetisch – es entsteht ein magnetisches Feld. Oder aber die Atomspins sind ungeordnet beziehungsweise jeweils entgegengesetzt, so dass das Material insgesamt nichtmagnetisch – antiferromagnetisch – ist.
Doch Anfang 2024 gelang Physikern erstmals der Nachweis einer dritten Form des Magnetismus. Bei diesem „Altermagnetismus“ sind die Spins benachbarter Kristallbereiche ebenfalls entgegengesetzt und das Material insgesamt antiferromagnetisch – wie in Antiferromagneten. Doch anders als bei diesen unterscheiden sich die Kristallbereiche mit entgegengesetztem Spin auch in ihrem elektronischen Zustand, sie zeigen eine sogenannte Bandaufspaltung. Diese wurde bereits nachgewiesen.
Erster Blick in ein altermagnetisches Material
Jetzt ist es erstmals gelungen, das neuartige Magnetphänomen auch sichtbar zu machen. „Wir haben die Ordnung der altermagnetischen Vektoren kartiert und demonstrieren die kontrollierte Bildung einer reichen Landschaft altermagnetischer Texturen vom Nano- bis zum Mikromaßstab“, berichten Oliver Amin von der University of Nottingham und sein Team. Als Basis für ihre Aufnahmen diente Mangantellurid (MnTe), ein Antiferromagnet, der bei tiefen Temperaturen altermagnetisch wird.
Die Physiker legten diese Probe in eine Vakuumkammer des Röntgensynchrotrons MAX IV in Schweden. Durch Erhitzen und anschließendes Abkühlen bis auf minus 170 Grad brachten sie das Mangantellurid in den altermagnetischen Zustand und beobachteten mithilfe einer Kombination zweier Verfahren der Röntgen-Photoemissions-Elektronenmikroskopie (PEEM), wie sich die magnetischen und elektronischen Strukturen im Inneren des Kristalls veränderten.
Paarige Wirbel, Wälle und Mikrodomänen
Die Aufnahmen enthüllten, wo im Material die Grenzen zwischen den entgegengesetzt gepolten Spins liegen und wie die jeweiligen Domänen geformt sind. Demnach bilden die Domänenwälle beispielsweise bevorzugt Winkel von 60 oder 120 Grad, wie das Team feststellte. Auch Paare von entgegensetzt gepolten Wirbeln zeigte die Kartierung. „Unsere Vektor-Bildgebung und kontrollierte Erzeugung altermagnetischer Konfigurationen enthüllt Strukturen von nanoskaligen Vortices und Domänenwällen bis hin zu mikroskaligen Domänen“, berichten Amin und seine Kollegen.
Nach Ansicht der Physiker eröffnen diese Kartierungen ganz neue Möglichkeiten, den Altermagnetismus zu erforschen und zu nutzen. „Die Fähigkeit, die Bildung der altermagnetischen Domänen abzubilden und zu kontrollieren, ebnet den Weg zu künftigen experimentellen Studien dieses Phänomens“, schreiben Amin und sein Team. Denn noch sind viele Eigenschaften und Wechselwirkungen altermagnetischer Materialien unerforscht.
Chance auf neuartige Elektronik
Langfristig könnten Altermagneten jedoch auch Vorteile für elektronische und magnetische Anwendungen bieten. Weil sie die Merkmale von Ferromagneten und Antiferromagneten in sich vereinen, könnten sie neuartige spintronische und elektronische Bauteile ermöglichen, vielleicht sogar Mikroelektronik und Computer effizienter und energiesparender machen. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-08234-x)
Quelle: University of Nottingham