Von wegen harmlos: Nahe Verwandte unserer Eichhörnchen knabbern nicht nur Nüsse, sie töten und fressen auch andere Kleinsäuger, wie Biologen in Kalifornien entdeckt haben. Es ist der erste Nachweis eines fleischfressenden Verhaltens bei dieser Tiergruppe. Die Kalifornischen Ziesel wurden regelmäßig dabei ertappt, wie sie Wühlmäuse jagten und verspeisten – selbst die Forschenden waren vom Ausmaß des carnivoren Verhaltens überrascht. Ob auch andere Hörnchen diese „dunkle“ Seite haben, ist jedoch bisher unbekannt.
Ob Eichhörnchen, Streifenhörnchen oder Ziesel: Die Nagetiere aus der Gruppe der Hörnchen sind beliebt und gelten oft als „putzig“. Aber obwohl viele Hörnchenarten Kulturfolger sind und in unseren Parks und Gärten leben, ist längst nicht alles über ihr Verhalten bekannt. So entdeckten Biologen erst vor wenigen Jahren, dass bei Eichhörnchen die „Vielmännerei“ durchaus gängig ist und dass sich Fuchshörnchen (Sciurus niger) bei Frust ähnlich ärgern wie wir Menschen. Die ebenfalls zu den Hörnchen gehörenden Präriehunde töten sogar unliebsame Nahrungskonkurrenten in ihrem Revier.
Bei der Wühlmausjagd ertappt
Jetzt haben Biologen eine weitere „dunkle “ Seite der Hörnchen aufgedeckt. Im Rahmen eines Langzeit-Beobachtungsprojekts von Kalifornischen Zieseln (Otospermophilus beecheyi) studieren Jennifer Smith von der University of Wisconsin und ihre Kollegen das Verhalten dieser Erdhörnchen in einem Naturschutzgebiet nördlich von Oakland in Kalifornien. Dabei machten sie immer wieder eine überraschende Beobachtung: Die Hörnchen machten Jagd auf Wühlmäuse, töteten sie und verzehrten sie anschließend.
„Das war schockierend“, sagt Smith. „Wir trauten unseren Augen kaum. Ein solches Verhalten hatten wir nie zuvor gesehen, obwohl die Hörnchen uns so vertraut sind und wir sie direkt vor unseren Fenstern beobachten können.“ Doch wie die Auswertungen von Videofallen belegten, war dieses fleischfressende Verhalten der Erdhörnchen kein keineswegs ein Einzelfall, sondern die Regel: Von 74 beobachteten Interaktionen mit Wühlmäusen endeten 42 Prozent mit dem Jagen und Töten der Mäuse durch die Hörnchen.
„Nachdem wir dieses Verhalten einmal erkannt hatte, sahen wir es fast jeden Tag und nahezu überall“, sagt Koautorin Sonja Wild von der University of California in Davis.
Opportunistische Prädatoren
Ein solches fleischfressendes und räuberisches Verhalten war bisher von Hörnchen nicht bekannt, wie das Team erklärt. Doch die neuen Beobachtungen belegen nun, dass zumindest die Kalifornischen Erdhörnchen keineswegs reine Samen- und Nussfresser sind wie zuvor angenommen. Stattdessen scheinen sie eher opportunistische, flexible Allesfresser zu sein, die bei Gelegenheit auch zum Prädator werden.
Dafür spricht, dass das carnivore Verhalten der Hörnchen im Hochsommer 2024 besonders ausgeprägt war, wie die Biologen beobachteten. Zu dieser Zeit hatten sich die Wühlmäuse in ihrem Lebensraum stark vermehrt und waren daher leicht verfügbare Beute. „Die Erdhörnchen sind offenbar sehr flexibel und reagieren auf Veränderungen in der Nahrungsverfügbarkeit – das könnte ihnen helfen, in sich schnell verändernden, vom Menschen geprägten Umgebungen zu überleben“, sagt Wild.
Haben auch andere Hörnchenarten eine „blutige“ Seite?
Nach Ansicht von Smith und ihrem Team wirft dies Fragen auch zum Speiseplan anderer Hörnchenarten auf. Noch ist unklar, ob auch andere Erdhörnchen-Populationen und -Arten bei Gelegenheit zu Fleischfressern werden und ob dies beispielsweise auch für die Eichhörnchen gilt. Auch ob die Jagd auf Wühlmäuse ein angeborenes Verhalten ist oder ob junge Ziesel es erst von ihren Eltern lernen müssen, ist noch offen.
„Dieses noch nie zuvor von der Wissenschaft dokumentierte Verhalten unterstreicht erneut, wie wenig wir selbst über die Natur um uns herum wissen und wie viel wir noch lernen müssen“, sagt Wild. (Journal of Ethology, 2024; doi: 10.1007/s10164-024-00832-6)
Quelle: University of California – Davis