Im Dienste des Klimas: Rentiere sind nicht nur treue Helfer des Weihnachtsmanns, sondern unterstützen uns auch im Kampf gegen den Klimawandel. Wie Forschende herausgefunden haben, verlangsamen die nordischen Hirsche durch ihre Weideaktivitäten das Auftauen des Permafrosts und beeinflussen auch die Kohlenstoff-Speicherkapazitäten der Böden zum Positiven.
Die dauerhaft gefrorenen Böden der Arktis sind eine klimatische Zeitbombe. Denn in ihnen sind enorme Mengen an Kohlenstoff gespeichert – mehr als in der gesamten weltweiten Biomasse. Wenn der Permafrost in der Folge des Klimawandels taut, können Kohlendioxid und andere klimaschädliche Gase aus den Böden der Arktis in die Atmosphäre gelangen und dort den Klimawandel noch weiter vorantreiben.
Warum Abweiden dem Permafrost hilft
Doch es gibt unerwartete Helfer, die diesen Prozess zumindest verlangsamen könnten: Rentiere. „Indem sie die Vegetation kurz halten, verhindern sie die durch den Klimawandel hervorgerufene Verbuschung, welche die Isolation der Böden verstärkt“, erklärt Carsten Müller von der TU Berlin. Denn wenn sich zwischen den Büschen Schnee sammelt, wirkt dies wie eine Decke und hält die kältere Luft vom Untergrund fern. Dadurch friert der Permafrost im Winter nicht so stark durch wie er eigentlich sollte.
Ist die Vegetation hingegen kurz, kann der Wind den fallenden Schnee wegblasen und der Boden liegt ungeschützt frei. „Außerdem befreien die Rentiere an einigen Stellen mit ihren Hufen den Boden vom Schnee“, so Müller weiter. Auch dadurch kann die Winterkälte besser in den Boden eindringen und das Auftauen des Permafrosts wird verlangsamt.
Hungrige Rentiere sind Klimaschützer
Müller erforscht gerade mit seinem Team, inwiefern Rentiere nicht nur treue Helfer des Weihnachtsmanns, sondern auch des Klimas und der Biodiversität sind. Erste Daten deuten zum Beispiel darauf hin, dass die nordischen Hirsche durch ihre Beweidung auch die Kohlenstoff-Speicherkapazität der Böden steigern oder zumindest erhalten können. Essenziell dafür sind demnach der punktuelle Eintrag von Stickstoff über den Dung der Tiere und die natürliche Bodenbearbeitung durch ihre Hufe.
„Auch wenn noch nicht abschließend geklärt ist, wie groß dieser Effekt ist, zeigt sich, dass der Erhalt von stabilen, funktionalen Ökosystemen durch Huftiere ein Schlüssel sein könnte, um die Kohlenstofffreisetzung zu verringern“, so Müller.
Pflanzenfresser steigern Artenvielfalt
Auch für die Artenvielfalt scheinen Rentiere und andere große Pflanzenfresser wie Moschusochsen und Wisente ersten Erkenntnissen zufolge ein wahrer Segen zu sein. Das konnten Müller und sein Team in Forschungsprojekten auf Grönland und in Polen, aber auch in der Döberitzer Heide in Brandenburg beobachten, wo Wisente, Wildpferde und Rothirsche auf ehemaligen Truppenübungsflächen für eine natürliche Beweidung sorgen.
An all diesen Orten schaffen die Pflanzenfresser durch ihren großen Hunger einzigartige Mosaike aus unterschiedlichen Landschaftstypen und halten dabei auch große, offene Flächen frei. Diese wiederum bieten Lebensraum für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten, wie Müller erklärt. Es wäre daher denkbar, große Pflanzenfresser in Zukunft noch gezielter als natürliche Helfer im Kampf gegen den Klimawandel und für mehr Biodiversität einzusetzen: zum Beispiel in Form von sogenanntem Rewilding, bei dem geschädigte Ökosysteme samt ihrer ehemaligen Bewohner wiederhergestellt werden sollen.
Quelle: Technische Universität Berlin