Umgepolt: Physiker haben erstmals Strahlenpulse genutzt, um ein antiferromagnetisches Material magnetisch zu machen. Mithilfe eines Terahertz-Lasers klappten sie die einander entgegengesetzten Atom-Spins dieses Materials so um, dass sie in die gleiche Richtung zeigten. Diese neuartige, laserbasierte Kontrolle des Magnetismus könnte praktische Vorteile bieten, wie das Team in „Nature“ erklärt. Denn Antiferromagneten sind wenig störanfällig als Magneten und könnten sich so beispielsweise als robuste Datenspeicher eignen.
Ob in Datenspeichern, Stromgeneratoren oder anderer Elektronik – Magnete spielen für die moderne Technik eine entscheidende Rolle. Ihre Magnetkraft entfalten solche ferromagnetischen Materialien, weil die Spins ihrer Atome wie winzige Kompassnadeln alle in die gleiche Richtung zeigen. In klassischen Computer-Festplatten dient eine Beschichtung mit einem solchen Material als Datenspeicher: Der Magnetkopf der Festplatte polt gezielt einzelne Bits des Datenträgers um und kodiert so die digitale Information.
Antiferromagneten als Datenspeicher der Zukunft?
Das Problem jedoch: Gängige Magnetspeicher sind anfällig gegenüber externen Magnetfeldern. Kommt ihnen ein Magnet zu nahe, sind im Extremfall alle Daten gelöscht. Anders wäre dies, wenn man stattdessen Magnet-Bits in einem Antiferromagneten erzeugen könnte. In einem solchem Material wechseln sich die Richtungen der Atom-Spins ab und gleichen sich dadurch gegenseitig aus. Deshalb ist ein Antiferromagnet als Ganzes nichtmagnetisch und reagiert auch kaum auf äußere Magneteinflüsse.
„Antiferromagnetische Materialien sind dadurch sehr robust und unempfindlich gegenüber magnetischen Störfeldern“, erklärt Seniorautor Nuh Gedik vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Das könnte Antiferromagneten zu geeigneten Datenspeicher der Zukunft machen. „Aber ihre Robustheit hat auch einen Nachteil: Die Unempfindlichkeit gegenüber schwachen Magnetfeldern macht solche Antiferromagneten schwer zu manipulieren“, so Gedik.
Schwingende Spins im Gitter
Doch jetzt haben Gedik und sein Team einen Weg gefunden, die Magnetspins in einem Antiferromagneten doch kontrolliert zu verändern – mithilfe von Terahertz-Strahlung. Anders als bei gängigen Laserpulsen sind die Photonen dieser Submillimeter-Strahlung relativ energiearm. Sie heizen Substanzen beim Auftreffen nicht stark auf, können aber dennoch Atome im Material zum Schwingen anregen. Genau diese Eigenschaft haben nun Gedik, Erstautor Batyr Ilyas vom MIT und ihre Kollegen genutzt.
Für ihr Experiment nutzten die Physiker einen geschichteten Block aus Eisenphosphor-Trisulfid (FePS3), einem Material, das bei tiefen Temperaturen unter minus 150 Grad antiferromagnetisch ist. Das Besondere dabei: “ FePS3 zeigt eine besonders starke Spin-Gitter-Wechselwirkung“, erklärt das Team. Bringt man das Kristallgitter in Schwingung, überträgt sich diese Energie leicht auf die atomaren Spins.
„Man kann sich das wie kleine Sprungfedern zwischen den Atomen vorstellen. Wenn man an einem Atom zieht und es wieder loslässt, vibrieren diese Federn mit einer charakteristischen Frequenz“, erklärt Koautor Alexander von Hoegen vom MIT.
Terahertz-Puls als Manipulator
Der Clou dabei: Die Resonanzfrequenz dieser atomaren „Sprungfedern“ liegt im Bereich der Terahertz-Strahlung. Das macht es möglich, Bereiche in dem Material gezielt so anzuregen, dass die Vibrationen einzelne Spins oder Spingruppen aus ihrer bisherigen Ausrichtung schleudern und umpolen. In der Folge müsste der Antiferromagnet an dieser Stelle magnetisch werden – so die Theorie. Um das zu testen, bestrahlten die Forscher das Eisenphosphor-Trisulfid mit Terahertzpulsen zwischen 0,2 und sechs Terahertz.
Und tatsächlich: Messungen ergaben, dass die Terahertz-Pulse magnetische Bereiche im Material erzeugten. „Es ist, als wenn wir einen neuen Zustand in diese Probe eingeschrieben hätten“, sagt Ilyas. „Wir erzeugen einen neuen Magnetzustand, indem wir die Atome mithilfe des Terahertzlichts durchschütteln.“ Die Tests zeigten zudem, dass der neue Magnetzustand mehrere Millisekunden lang anhielt – um Größenordnungen länger als in jedem früheren Versuch, Licht zur Magnetisierung zu nutzen, wie das Team erklärt.
Noch ist der Erfolg reine Grundlagenforschung. Die Physiker sehen darin aber einen wichtigen Schritt hin zu neuen Methoden, um antiferromagnetische Materialien mittels Strahlung zu kontrollieren. „Wir haben nun neue Hebel und Regler, mit denen wir sie manipulieren und anpassen können“, sagt Gedik. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-08226-x)
Quelle: Massachusetts Institute of Technology