Sonnensystem

„Dunkle Kometen“ geben Rätsel auf

Wie sind die Kometen ohne Koma und Staubschweif zu erklären?

Oumuamua
Dunkle Kometen sind rätselhafte Objekte ohne Schweif, aber mit kometenähnlicher Bewegung. Auch der hier abgebildete interstellare Komet Oumuamua zeigte ähnliche Merkmale. © NASA/ESA, Joseph Olmsted (STScI), Frank Summers (STScI)

Mysteriöse Brocken: Astronomen haben weitere „Dunkle Kometen“ im Sonnensystem entdeckt – Objekte mit kometenähnlichem Flugverhalten, aber ohne Staubhülle und Schweif. Bisher sind insgesamt erst 14 dieser rätselhaften Himmelskörper bekannt. Die Neuentdeckungen liefern nun erste Informationen darüber, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten diese Dunklen Kometen aufweisen. Doch wo ihr Ursprung liegt und wie sie beschaffen sind, ist weiter ungeklärt.

Anders als Asteroiden haben Kometen ihren Ursprung in den eisigen äußeren Gefilden des Sonnensystems wie dem Kuipergürtel. Wenn diese eisreichen Brocken dann auf ihren exzentrischen Bahnen bis ins innere Sonnensystem gelangen, heizt die Sonnenwärme sie auf. Als Folge gasen Eise und andere flüchtige Komponenten aus und reißen Staubteilchen mit sich – es entsteht der typische Kometenschweif.

Komet Hale-Bopp
So sehen „normale“ Kometen aus – hier Hale-Bopp: Sie haben eine Staubhülle um ihren Kern und zwei Schweife, einen aus Staub, den anderen aus ionisierten Gasen. © tpuerzer/ iStock

Verborgene Schubkraft

Doch in den letzten Jahren haben Astronomen mehrere Objekte entdeckt, die sich zwar verhalten wie Kometen, aber ganz anders aussehen. So deutet die Bewegung dieser „Dunklen Kometen“ darauf hin, dass sie durch Ausgasungen zusätzlichen Schub erhalten müssen. Denn ihre Bahnen und Geschwindigkeiten passen nicht zu einem rein passiven, höchstens durch Strahlungseffekte beeinflussten Flug. Das erste Objekt mit dieser Eigenart war der auf Höhe des Asteroidengürtels entdeckte Brocken (523599) 2003 RM.

„Wenn man solche Bewegungsmuster bei einem Himmelskörper sieht, bedeutet dies normalerweise, dass es sich um einen Kometen handelt“, erklärt Co-Erstautor Davide Farnocchia vom Jet Propulsion Laboratory der NASA. „Aber so sehr wir auch suchten, konnten wir keinerlei Anzeichen eines Kometenschweifs finden. 2003 RM sah aus wie ein Asteroid, er war einfach ein Lichtpunkt.“ Und er blieb nicht der einzige: Bis 2023 hatten Astronomen bereits sieben solcher Objekte entdeckt – genug um für sie eine eigene Kategorie zu schaffen: Dunkle Kometen.

Interessant auch: 2017 entdeckten Astronomen ein weiteres Objekt mit den Merkmalen eines Dunklen Kometen, doch dieses kam von außerhalb unseres Sonnensystems: Der zigarrenförmige Brocken Oumuamua erwies sich als der erste bekannte interstellare Komet – und auch er zeigte die seltsam schweiflose Beschleunigung.

Zahl Dunkler Kometen verdoppelt

Aber wie viele Dunkle Kometen gibt es im Sonnensystem? Um darüber mehr zu erfahren, hat das Team um Farnocchia und Darryl Seligman von der Michigan State University die Datensammlung des Minor Planet Center der NASA nach Hinweise darauf durchsucht. In dieser Datenbank sind die Informationen zu allen bekannten nichtplanetaren Himmelskörpern des Sonnensystems zusammengetragen. Die Astronomen fahndeten darin nach Objekten, die „verdächtige“ Abweichungen vom erwarteten Flugverhalten aufweisen.

Das Ergebnis: „Wir haben sieben weitere Objekte mit nichtgravitativen Beschleunigungen identifiziert“, berichten Seligman und seine Kollegen. Auch diese Brocken zeigen jedoch weder die typische Staubhülle (Koma) der Kometen noch ihren Staubschweif. Mit den sieben Neuzugängen verdoppelt sich die Zahl der bekannten Dunklen Kometen auf 14 – ohne den längst wieder aus dem Sonnensystem entschwundenen Oumuamua.

Die meisten sind noch unentdeckt

Die Neuentdeckungen unterstreichen damit zum einen, dass Dunkle Kometen kein Einzelfall sind und dass es im Sonnensystem vermutlich noch mehr Vertreter dieser mysteriösen Objekte gibt. „Diese Objekte repräsentieren eine potenziell weit verbreitete Klasse kleiner Himmelskörper, die im Kontinuum zwischen Asteroiden und Kometen angesiedelt sind“, erklären die Astronomen. Ob sie jedoch eine Übergangsform darstellen oder eine auch physikalisch ganz eigene Kategorie, ist noch offen.

Zum anderen ermöglichten es die neuen Funde aber auch, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der 14 Dunklen Kometen genauer zu untersuchen. „Wir hatten nun eine ausreichende Menge solcher dunkler Kometen, um uns zu Fragen, ob es vielleicht etwas gibt, dass sie unterscheidet“, sagt Seligman.

Kometenbahnen
Umlaufbahnen der äußeren (rot) und inneren Dunklen Kometen (grau). Die sieben neuentdeckten sind kursiv beschriftet. © Seligman et al./ PNAS, arXiV, CC-by 4.0

Zwei verschiedene Populationen

Tatsächlich wurden die Astronomen auch dabei fündig: „Die 14 Dunklen Kometen scheinen zwei verschiedenen Populationen anzugehören“, berichten sie. Die erste Gruppe, die äußeren Dunklen Kometen, besteht aus großen, meist mehrere 100 Meter messenden Brocken auf stark elliptischen Umlaufbahnen. Diese ähneln den Orbits den kurzperiodischen Kometen der Jupiterfamilie, die ihren sonnenfernsten Punkt auf Höhe der Jupiterbahn oder ein wenig weiter außen haben.

Die zweite Gruppe der Dunklen Kometen kreist im inneren Sonnensystem und besteht aus meist kleineren Objekten mit Abmessungen von maximal einigen Dutzend Metern. Unterschiede gibt es außerdem bei den Bewegungsanomalien der beiden Kometengruppen: „Die äußeren Dunklen Kometen zeigen alle eine seitliche nichtgravitative Beschleunigung, während die inneren Dunklen Kometen radiale, transverse oder gegen die Planetenebene gekippte Beschleunigungen aufweisen“, berichten Seligman und sein Team.

Viele Fragen bleiben

Wie diese beiden Populationen Dunkler Kometen zusammenhängen, ist jedoch noch unklar. „Die inneren und äußeren Dunklen Kometen könnten verschiedene evolutionäre Stadien von wasserreichen Planetesimalen darstellen“, erklären die Astronomen. „Es ist aber auch denkbar, dass nur die äußeren Kometen ein Spätstadium normaler Kometen darstellen, während die inneren eine ganz andere, zuvor nicht identifizierte Population von Objekten bilden.“ Letztere könnten dann neue Einblicke in wichtige, noch nicht verstandene Prozesse geben.

Klar ist aber schon jetzt: Die Entdeckung der Dunklen Kometen wirft eine ganze Reihe neuer Fragen auf. So ist noch immer unbekannt, woher die Dunklen Kometen ursprünglich kommen. Auch wie ihre zusätzliche Beschleunigung genau zustandekommt und warum sie trotz Ausgasungen weder Koma noch Staubschweif entwickeln, ist bisher ungeklärt. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2406424121)

Quelle: PNAS, NASA/ Jet Propulsion Laboratory

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