Astronomie/Kosmologie

Tanz der Spiralnebel

Vesto Slipher und die Rotverschiebung

Für Albert Einstein ist die Sache im Jahr 1917 noch klar: Das Universum ist statisch. Es dehnt sich weder aus, noch kollabiert es. Ein Uranfang kommt in seiner Vorstellung nicht vor, schon gar nicht in Form eines Urknalls. Auch seine Kollegen gehen damals von einem statischen Universum aus – es fehlen Beobachtungen, die das Gegenteil nahelegen.

Allerdings wecken Einsteins Feldgleichungen erste Zweifel: Sie scheinen nahezulegen, dass der Kosmos nicht ewig „stabil“ bleiben kann. Das jedoch passt nicht ins vorherrschende Weltbild. Um seine Gleichungen mit den gängigen Vorstellungen zu vereinbaren, ergänzt Einstein sie durch die kosmologische Kontante λ. Sie soll verhindern, dass das Universum den Berechnungen nach auseinanderfliegt oder kollabiert. Auch andere Physiker übernehmen diese Konstante in ihre Berechnungen.

Vesto Slipher und Kollegen
Der US-Astronom Vesto Slipher (Pfeil) mit Kollegen am Clark Telescope des Lowell Observatory in Arizona. © historisch

Slipher und die Spiralnebel

Auf der anderen Seite des Atlantiks bahnt sich indessen eine Revolution an. Ihr erstes Vorzeichen ist eine Beobachtung des jungen Astronoms Vesto Slipher vom Lowell Observatorium in Flagstaff, Arizona. Er arbeitet daran, ein Verfahren zu optimieren, um die Bewegungen von Spiralnebeln genauer zu messen. Das soll Aufschluss darüber geben, um was es sich bei diesen Nebeln handelte: Sind es Formationen innerhalb unserer Milchstraße oder verbirgt sich etwas anderes dahinter?

Schon länger ist den Astronomen bekannt, dass sich am Lichtspektrum eines kosmischen Objekts erkennen lässt, ob und wie schnell sich dieses auf uns zu oder von uns weg bewegt. Nähert sich uns beispielsweise ein Stern, werden die von ihm ausgehenden elektromagnetischen Wellen leicht gestaucht – ähnlich wie beim akustischen Dopplereffekt. Das Lichtspektrum des Sterns erscheint dadurch in den kurzwelligen, blauen Bereich verschoben. Umgekehrt wird die Strahlung eines sich entfernenden Sterns gedehnt und dadurch in den langwelligeren roten Bereich verschoben.

Fraunhofers Spektrum
Von Joseph von Fraunhofer gezeichnetes Sonnenspektrum mit Absorptionslinien. © Deutsches Museum/ CC-by-sa 4.0

Dunkle Linien im Spektrum

Das Problem jedoch: Wenn man nicht weiß, wie das Lichtspektrum des Sterns ursprünglich aussah, kann man nicht feststellen, wie stark es ins Rote oder Blaue verschoben wurde. Doch Slipher kennt eine Lösung dafür. Sie geht auf ein schon 1814 von Joseph von Fraunhofer entdecktes Phänomen zurück: Der Optiker und Teleskopkonstrukteur hatte im Spektrum des Sonnenlichts dunkle Linien beobachtet.

Die Bedeutung dieser Spektrallinien erkannten jedoch erst die Chemiker Robert Bunsen und Gustav Kirchhoff im Jahr 1860: Die dunklen Linien stammen von Elementen, die diesen Teil der Strahlungsspektrum absorbieren. Die Position der Linie im Spektrum ist dabei für jedes Element und Ion spezifisch. Für die Astronomie bedeutet dies: Weil bekannt ist, bei welchen Wellenlängen die Linien normalerweise auftreten, lässt sich dies als Vergleich und Referenz für die spektrale Verschiebung kosmischer Objekte heranziehen.

Sliphers Spektrograf
Diesen von ihm selbst entwickelten Spektrografen nutzte Slipher, um damit die spektrale Verschiebung im Licht von Spiralnebeln zu untersuchen. Heute wird es im Museum des Lowell Observatory aufbewahrt. © brewbooks/ CC-by-sa 2.0

Im Jahr 1912 arbeitet Slipher daran, die Messung der Rotverschiebung mit Hilfe eines am Teleskop installierten Spektrografen zu optimieren. Dies soll die Messung der Lichtspektren schneller und genauer machen als bisher. Nachdem ihm das gelungen ist, nimmt der Astronom den Andromedanebel M31 ins Visier. Zu seiner Zeit ist noch nicht bekannt, dass es sich hierbei um eine eigene Galaxie handelt.

Die Bewegungen der Spiralnebel

Mit seiner neu entwickelten Messtechnik schafft Slipher wichtige Voraussetzungen dafür, das Geheimnis der Spiralnebel endlich zu lösen. So entdeckt er als erster, dass sich diese Nebel um sich selbst zu drehen scheinen. Sichtbar wird dies an subtilen Verschiebungen der Spektrallinien im Lichtspektrum: Auf einer Seite des Nebels erscheinen sie leicht blauverschoben, auf der anderen leicht rötlich.

Für den Andromedanebel ermittelt der Astronom zudem erstmals, dass dieser sich mit einer Geschwindigkeit von 300 Kilometern pro Sekunde auf das Sonnensystem zubewegt. Allerdings scheint dieser Spiralnebel damit eher eine Ausnahme zu sein, wie Slipher bei der Vermessung weiterer 14 Spiralnebel feststellt: Die meisten dieser Objekte entfernen sich mit teils hoher Geschwindigkeit von uns. Was das jedoch für die Kosmologie und die wahre Natur der Spiralnebel bedeutet, erkennt Slipher noch nicht…

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Eine Rotverschiebung mit Folgen
Die Entdeckung der kosmischen Expansion und ihre Konsequenzen

Tanz der Spiralnebel
Vesto Slipher und die Rotverschiebung

Hubble und die "Insel-Universen"
Die Entdeckung der kosmischen Expansion

Aus für das statische Weltbild
Einsteins "Eselei" und Lemaîtres Urknall

Rätselhafte Beschleunigung
Was treibt die kosmische Expansion voran?

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