Bedrohte Vielfalt: Fast ein Viertel der bekannten Arten von Süßwassertieren ist gefährdet, wie eine Analyse für die Rote Liste der bedrohten Arten enthüllt. Die neue Erhebung umfasst den Gefährdungsstatus von mehr als 23.000 Spezies, darunter Fischen, Krebstieren und Insekten mit wasserlebenden Larven wie Libellen. Zu den größten Bedrohungen zählen Wasserverschmutzung, Staudämme, Landwirtschaft und invasive Arten, wie das Team in „Nature“ berichtet.
Seit Jahrzehnten veröffentlicht die International Union for Conservation of Nature (IUCN) Rote Listen der bedrohten Arten, auf der sie für zahlreiche Organismengruppen und Spezies angibt, inwieweit diese gefährdet sind. Immer wieder zeigen diese und andere Erhebungen einen alarmierenden Schwund der Artenvielfalt für viele Organismengruppen auf.
Rote Liste für bedrohte Süßwassertiere
Doch Tiere, die überwiegend im Süßwasser leben, blieben dabei oft unbeachtet, auch wenn für viele dieser Organismen ebenfalls schon dramatische Rückgänge festgestellt wurden. Bisherige Schutzgebiete und Maßnahmen orientierten sich jedoch eher an den bekannten Informationen über Landtiere oder an abiotischen Faktoren wie der Wasserqualität.
„Diese Daten sind jedoch unzureichend, um die spezifischen Bedürfnisse von Süßwasserarten widerzuspiegeln und Biodiversitätsziele zu erreichen“, erklären Catherine Sayer von der IUCN in Cambridge und ihre Kollegen. Sie haben daher nun den Gefährdungsstatus von 23.496 Arten von Süßwassertieren analysiert. Dabei berücksichtigte das Team Fische, Insekten mit wasserlebenden Larven wie die Libellen sowie Krebstiere wie Krabben, Krebse und Garnelen.
Ein Viertel ist akut gefährdet
Das Ergebnis bestätigt: Auch in den weltweiten Seen, Flüssen und Bächen geht die tierische Artenvielfalt zurück. „Unsere Analyse zeigt, dass 24 Prozent der untersuchten Arten gefährdet, stark gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits in freier Wildbahn ausgestorben sind“, berichten die Forschenden. „Dieser Wert ist vergleichbar mit dem von Landtieren, von denen 23 Prozent bedroht sind.“
Den höchsten Prozentsatz an bedrohten Arten verzeichneten Sayer und ihr Team mit 30 Prozent für Krebstiere, gefolgt von 26 Prozent für Süßwasserfische und 16 Prozent für Libellen. Für 23 Prozent aller untersuchten Arten fehlen allerdings zuverlässige Daten. Besonders hoch ist der Anteil gefährdeter Spezies der Studie zufolge in einigen Biodiversitäts-Hotspots wie dem Viktoriasee in Afrika, dem Titicacasee in Südamerika, den Ghat-Feuchtgebieten in Indien sowie auf den Azoren.
Verschmutzung, Dämme und Landwirtschaft
Als wichtigste Bedrohung identifizierte das Forschungsteam die Wasserverschmutzung, durch die 54 Prozent der bedrohten Süßwasserspezies gefährdet sind. 39 Prozent sind durch Dämme und Wasserentnahmen beeinträchtigt, 37 Prozent durch Landnutzungsänderungen und Auswirkungen der Landwirtschaft. Invasive Arten und Krankheiten tragen bei 28 Prozent der bedrohten Arten zur Gefährdung bei.
Diese Faktoren wirken sich spezifisch auf die im Süßwasser lebenden Arten aus, so dass sie durch allgemeine Schutzbemühungen, die sich an Landtieren orientieren, nur unzureichend abgedeckt werden, wie Sayer und ihre Kollegen erklären. Beispielsweise überschneiden sich die Gebiete, in denen besonders bedrohte Landtiere vorkommen, kaum mit den Lebensräumen besonders bedrohter Süßwassertiere.
Auch abiotische Faktoren wie die Wasserqualität sind den Forschenden zufolge als Maßstab für Schutzbemühungen ungeeignet. „Schutzbemühungen, die sich auf abiotische Faktoren verlassen, können zu suboptimalen oder sogar schädlichen Ergebnissen führen und sollten deshalb neu bewertet werden“, schreiben Sayer und ihr Team. „Wir hoffen, dass unser globaler IUCN-Rote-Liste-Datensatz für Süßwasserarten dazu beitragen kann, evidenzbasierte Strategien einzuführen, um den weiteren Verlust der Artenvielfalt im Süßwasser einzudämmen.“ (Nature, 2025, doi: 10.1038/s41586-024-08375-z)
Quelle: Nature