Geowissen

Ältestes Eis der Erde erbohrt

Eisbohrkern vom antarktischen Plateau reicht bis zu 1,2 Millionen Jahre zurück

Eisbohrkern
Infrarotblick auf den längsten lückenlosen Eisbohrkern der Erde. Das Eis in diesem unteren Teil des antarktischen Eisbohrkerns ist bis zu 1,2 Millionen Jahre alt. © PNRA/IPEV

Meilenstein für die Klimaforschung: Ein Bohrprojekt in der Antarktis hat den bisher längsten und tiefsten Eisbohrkern gewonnen – und das älteste Eis der Erde. Der 2.800 Meter lange Eisbohrkern erlaubt erstmals den lückenlosen Rückblick auf 1,2 Millionen Jahre Klimageschichte. Der Bohrkern ist damit wertvoller Zeitzeuge einer entscheidenden Umbruchsphase im Erdklima und könnte ein großes Rätsel der Klimageschichte lösen helfen. Bisher reichten die eisigen Klimaarchive nur bis in die Zeit vor rund 800.000 Jahren zurück.

Die irdischen Gletscher und Eisschilde sind wichtige Zeitzeugen der Vergangenheit. Denn in ihren Eisschichten sind Gase und Teilchen konserviert, die Auskunft über die Klima- und Umweltbedingungen bei ihrer Entstehung geben. Eisbohrkerne machen diese Daten zugänglich. Der bisher längste lückenlose Eisbohrkern, erbohrt vor rund 20 Jahren vom Projekt EPICA, stammt vom Hochplateau der Antarktis. Seine Schichten dokumentieren mehr als 800.000 Jahre Klimageschichte.

Bohrcamp
Bohrcamp „Little Dome C“ in der unwirtlichen Weite des antarktischen Plateaus. © PNRA/IPEV

Bohrkern vom kältesten Ort der Erde

Noch weiter zurück reicht nun der neue Eisbohrkern des Nachfolgeprojekts „Beyond EPICA“: Dem internationalen Team ist es gelungen, das bisher älteste Eis der Erde zu gewinnen. Es reicht bis in die Zeit vor 1,2 Millionen Jahren zurück. „Dies markiert einen historischen Moment für die Klima- und Umweltwissenschaft“, sagt Projektkoordinator Carlo Barbante von der Universität Ca‘ Foscari in Venedig. „„Dies ist die längste kontinuierliche Aufzeichnung unseres vergangenen Klimas aus einem Eiskern.“

Der neue, rund 2.800 Meter lange Eisbohrkern stammt aus dem Eispanzer am Dome C auf dem antarktischen Plateau – einem der kältesten Orte der Erde. Selbst im Sommer liegt die Mitteltemperatur dort bei minus 35 Grad. Für das Projekt verbrachte das Team vier Südsommer lang mehr als 200 Tage in einem Bohrcamp am Dome C, um eine geeignete Bohrstelle zu finden und den Kern zu erbohren.

„Die Identifizierung des richtigen Ortes in der ersten Phase von Beyond EPICA mit modernsten Radio-Echolot-Technologien und der Modellierung des Gletscherflusses hat hervorragend geklappt“, berichtet Kampagnenleiter Frank Wilhelms vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Es ist faszinierend, dass wir jetzt genau dort Eis im Alter zwischen 800.000 und 1,2 Millionen Jahren erbohren konnten, wo wir es aufgrund unserer Vorerkundungen vorhergesagt hatten.“

Verlauf Beyond EPICA
Zeitlicher Ablauf des Bohrprojekts „Beyond EPICA – Oldest Ice“ und erreichte Tiefen. © Beyond EPICA – Oldest Ice

Blick auf 1,2 Millionen Jahre Klimageschichte

Der neue Eisbohrkern liefert nun erstmals lückenlose Klimadaten aus den letzten 1,2 Millionen Jahren. „Die vorläufigen Analysen von Little Dome C deuten stark darauf hin, dass die obersten 2.480 Meter eine Klimaaufzeichnung enthalten, die bis zu 1,2 Millionen Jahre zurückreicht, und zwar in einer hochauflösenden Aufzeichnung, bei der bis zu 13.000 Jahre in einem Meter Eis komprimiert sind“, berichtet Julien Westhoff von der Universität Kopenhagen.

Die unteren Eisschichten des Bohrkerns reichen damit in eine klimageschichtlich entscheidende Zeit zurück. Denn damals wechselte die zeitliche Abfolge der Eiszeiten erstmals von zuvor 41.000 Jahre langen Abständen auf Intervalle von rund 100.000 Jahren. Warum sich der Eiszeitzyklus damals so stark verlangsamte, ist eines der größten Rätsel der Klimageschichte. Erklärungsansätze dazu reichen von einer Strömungsänderung im Südozean bis zur Pyritverwitterung am Grund der Schelfmeere.

Eisbohrkern kommt nach Bremerhaven

Der „Beyond EPICA“-Eisbohrkern könnte helfen, das Rätsel des eiszeitlichen Taktwechsels endlich zu lösen. Doch bis die Schichten und Einschlüsse im uralten Eis analysiert werden können, muss der wertvolle Eisbohrkern erst einmal von der Antarktis nach Europa geschafft werden. Das Forschungskonsortium hat extra dafür spezielle Kühlcontainer konstruiert, die das Eis kontinuierlich bei minus 50 Grad halten. Diese Container werden nun an die antarktische Küste transportiert, wo sie dann mit dem Eisbrecher „Laura Bassi“ nach Europa verschifft werden.

„Wenn die Kerne im Frühsommer am AWI zur weiteren Bearbeitung in unserem Eislabor in Bremerhaven eintreffen, werden wir gemeinsam sicher noch viele spannende ungeplante Entdeckungen machen“, sagt AWI-Glaziologe Matthias Hüther. Neben dem Eis aus der Zeit vor 1,2 Millionen Jahren könnte in den untersten Abschnitten des Bohrkerns sogar noch älteres Eis vorhanden sein. Ob das tatsächlich der Fall ist, werden die künftigen Analysen zeigen.

Quelle: Beyond EPICA, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

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