Aus eins mach drei: Die berüchtigte Sydney-Trichternetzspinne – eine der giftigsten Spinnen der Welt – besteht in Wirklichkeit aus drei verschiedenen Arten, wie Forschende nun herausgefunden haben. Neben der „echten“ Sydney-Trichternetzspinne Atrax robustus existiert demnach noch die weiter südlich und westlich von Sydney beheimatete Atrax montanus und die rund um Newcastle verbreitete Atrax christenseni. Die Entdeckung könnte nun unter anderem Folgen für die Spinnengift-Forschung haben.
Die Sydney-Trichternetzspinne (Atrax robustus) lebt im weiteren Umfeld der australischen Metropole Sydney und zählt zu den giftigsten Spinnen der Welt. Ihr Biss kann selbst für einen Erwachsenen tödlich enden. Doch die in der Vergangenheit untersuchten Exemplare wiesen häufig eine ungewöhnlich große Vielfalt in der Zusammensetzung ihres Giftes auf. Und auch äußerlich unterscheiden sich gefangene Tiere mitunter sehr stark voneinander. Wissenschaftler hegen daher schon länger den Verdacht, dass es sich bei der gefürchteten Giftmischerin um mehrere statt um nur eine einzige Art handeln könnte. Doch stimmt das wirklich?
Übersehene Vielfalt aufgedeckt
Um diese These zu prüfen, haben Forschende um Stephanie Loria vom Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Hamburg nun rund 60 vermeintliche Sydney-Trichternetzspinnen aus dem gesamten Verbreitungsgebiet miteinander verglichen – sowohl genetisch als auch hinsichtlich ihres Körperbaus. Dabei wurden unter anderem erhebliche Unterschiede in Sachen Größe, Bein-Anatomie, Genitalien-Aufbau und DNA deutlich.
„Unsere Studie belegt, dass es sich bei einer der berüchtigtsten Spinnen der Welt tatsächlich um einen Artenkomplex handelt“, schreiben Loria und ihr Team. Die Sydney-Trichternetzspinne besteht demnach in Wirklichkeit aus drei verschiedenen Arten. Da wäre zum einen die „echte“ Sydney-Trichternetzspinne (Atrax robustus), die sich von den anderen beiden Spezies unter anderem durch ihren kürzeren und breiter geöffneten Embolus – einen Teil der männlichen Genitalien bei Spinnen – abhebt.
„Diese Art ist in offenen und geschlossenen Waldgebieten zu finden, oft in der Nähe von Schluchten mit Regenwaldelementen. Sie scheint recht anpassungsfähig zu sein und ist auch in Gärten, Parks oder Industriegebieten anzutreffen, solange der Bereich teilweise beschattet ist, ein gewisses Maß an ständiger Feuchtigkeit aufweist und einen Schutz vor Feuer und übermäßiger Hitze bieten kann“, erklären die Forschenden.
Zwei Neuzugänge
Das Verbreitungsgebiet von Atrax robustus überschneidet sich in mehreren Gebieten mit der zweiten Art im Bunde: Atrax montanus. Diese Giftspinnen-Spezies kommt vermehrt südlich und westlich von Sydney vor und benötigt mehr Schatten und Feuchtigkeit als das „Original“. Männliche Exemplare dieser Trichternetzspinne zeichnen sich unter anderem durch einen Embolus mit gewundener Krümmung und schmaler Öffnung aus.
Die Idee, dass es sich bei Atrax montanus um eine eigene Spezies handelt, ist tatsächlich nicht neu. Ihr Name stammt bereits aus dem Jahr 1914, doch erst jetzt ist die Spinne auch offiziell als eigene Art anerkannt worden. Dass Atrax montanus und Atrax robustus zeitweise für dieselbe Spezies gehalten wurden, könnte auch daran liegen, dass die beiden womöglich Hybride miteinander zeugen. So fanden Loria und ihr Team bei einigen Weibchen Genitalien vor, die an eine Mischung aus beiden Arten erinnern.
Die dritte Spinne im Bunde ist der Wissenschaft gänzlich neu und wurde auf den Namen Atrax christenseni getauft. Sie ist erheblich größer als die anderen beiden Arten und zeichnet sich überdies durch einen sehr langen Embolus aus. Die Spezies ist nördlich von Sydney verbreitet, wobei alle Nachweise aus einem Radius von 25 Kilometern rund um Newcastle stammen. „Sie scheint ein enges Verbreitungsgebiet zu haben“, schreiben Loria und ihre Kollegen. Viel mehr ist über die als selten geltende Atrax christenseni allerdings nicht bekannt.
Gegengift wirkt universell
Wie eine Stammbaum-Analyse ergab, begann die Diversifizierung der Gattung Atrax wahrscheinlich bereits vor 30 Millionen Jahren. Vor rund 2,5 Millionen könnte dann eine anhaltende Trockenzeit den Lebensraum rund um Sydney fragmentiert und dafür gesorgt haben, dass sich die heute bekannten Arten bildeten. Sie unterschieden sich daraufhin optisch und auch hinsichtlich ihrer Giftzusammensetzung.
Doch ihre enge Verwandtschaft sorgt bis heute dafür, dass ein und dasselbe Gegengift bei einem Biss von allen drei Arten wirkt. Seit dieses Antitoxin in den 1980er Jahren auf den Markt gekommen ist, gab es keinen einzigen Todesfall mehr im Zusammenhang mit Atrax-Bissen. Ein detaillierter Gift-Vergleich zwischen den verschiedenen Arten könnte aber trotzdem interessante neue Erkenntnisse für die Gegengift-Forschung liefern, wie Loria und ihr Team betonen.
Gibt es weitere Artenkomplexe?
Die Forschenden hegen zudem den Verdacht, dass die Sydney-Trichternetzspinne nicht der einzige Fall in dieser Spinnenfamilie sein könnte, bei dem mehrere Arten fälschlicherweise zu einer einzigen zusammengefasst wurden: „Wir beobachteten eine tiefe Divergenz zwischen zwei Atrax sutherlandi-Exemplaren, die in unsere phylogenetische Analyse einbezogen wurden. Die Einbeziehung weiterer Proben aus dem gesamten Verbreitungsgebiet von A. sutherlandi in Kombination mit detaillierten morphologischen Untersuchungen könnte ebenfalls zeigen, dass A. sutherlandi ein Artenkomplex ist.“ (BMC Ecology and Evolution, 2025; doi: 10.1186/s12862-024-02332-0)
Quelle: Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels