Fast vier Jahrzehnte lang galten die europäischen Varianten der Maul- und Klauenseuche (MKS) als nahezu ausgerottet und Deutschland als frei vom MKS-Erreger. Die Erkrankung trat im Bundesgebiet zuletzt 1988 in Niedersachsen auf, wie das für Tierseuchen zuständige Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) erklärt. Zur Ausrottung der europäischen Varianten des MKS-Erregers trug auch eine prophylaktische Impfung bei, die bis 1991 allen deutschen Rindern verabreicht wurde.
Doch Anfang Januar 2025 erkrankten nun scheinbar aus dem Nichts 14 Wasserbüffel im brandenburgischen Hönow am Berliner Stadtrand an dem MKS-Erreger. Von der kleinen Herde eines Biobetriebes in Hoppegarten starben drei Weidetiere an der Krankheit, die elf weiteren Büffel waren ebenfalls alle infiziert und wurden vorsorglich getötet.
Auf einem Hof in der Nähe des brandenburgischen Werneuchen – rund 25 Kilometer von den Büffeln entfernt – wurden am 15. Januar weitere Tiere mit möglichen MKS-Symptomen festgestellt. Die vier Ziegen wurden getötet, noch bevor die Testergebnisse vorlagen, die sich jedoch als negativ erwiesen.
Woher kam der MKS-Erreger?
Laboruntersuchungen sollen jetzt klären, wie es dazu kam. Nach bisherigem Stand gehen die Forscher und Ermittler davon aus, dass die Büffel sich über illegal eingeführte Lebensmittel ansteckten, die Urlauber mitgebracht hatten und die eigentlich nicht das normale Futter der Herde darstellen. Denkbar wäre auch eine Infektion über Wildtiere, die solche Lebensmittel verzehrt haben. Woher genau der Erreger eingeschleppt wurde, ist noch unklar.
„Die MKS kommt in der Türkei, im Nahen Osten und in Afrika, in vielen Ländern Asiens und in Teilen Südamerikas nach wie vor endemisch vor“, erklärt das FLI. Diese Länder kommen demnach theoretisch alle als Quelle infrage, weil es dort regelmäßig Fälle von Maul- und Klauenseuche durch nicht in Europa heimische Varianten gibt. Die nun in Brandenburg identifizierte Variante des Erregers ist den Genanalysen zufolge mit Viren verwandt, die im Nahen Osten und in Asien vorkommen, insbesondere in der Türkei und dem Iran.
Wie wird eine Ausbreitung in Deutschland verhindert?
Damit die Seuche sich nicht weiter in Deutschland – oder wie beim Fall 2001 in Großbritannien in weiteren Ländern – ausbreitet, trat nun ein lange vorbereitetes Konzept in Kraft. Unter anderem wurde die betroffene Weide professionell desinfiziert und abgeriegelt. Im Umkreis von einem Kilometer um die Weide wurden vorsorglich alle gefährdeten Tiere direkt getötet, darunter 170 Schweine eines benachbarten Betriebes.
Vorübergehend gilt zudem eine Schutzzone von drei Kilometern rund um den betroffenen Betrieb. Innerhalb dieses Radius dürfen keine Tiere und Tierprodukte hinein- oder heraustransportiert werden. Gleiches gilt vorsorglich für die Zoos und Tierparks in Berlin, die für Besucher zeitweise geschlossen bleiben.
Mit diesen Isolierungsmaßnahmen soll Zeit gewonnen werden, um das Ausmaß des Ausbruchsgeschehens näher zu untersuchen. Dafür werden nun alle Tiere in der Umgebung des Büffelhofes, die sich theoretisch angesteckt haben könnten, getestet. Dazu zählen alle Nutz- und Wildtierbestände im Großraum Berlin, die bis zu zehn Kilometer von der Büffelweide entfernt liegen. Der Deutsche Jagdverband (DJV) hat Jägerinnen und Jäger bundesweit gebeten, auf mögliche Wildtiere mit Anzeichen auf MKS zu achten.
Kommt die Notimpfung?
Theoretisch kann auch innerhalb von rund sieben Tagen ein passender Notfall-Impfstoff hergestellt und den gefährdeten Tieren im Umkreis verabreicht werden. Für diesen Zweck lagern in einer eigens für solche Fälle eingerichteten tiefgefrorenen Biobank des Friedrich-Loeffler-Instituts MKS-Antigene. Das sind Proteinstücke abgeschwächter Viren, die dem Immunsystem als Erkennungsmerkmal dienen und die daher als Impfstoff geeignet wären.
Ob eine solche Impfung angeordnet wird, hängt aber von der Zahl der betroffenen Tiere ab. Bislang war keiner der Tests positiv, auch nicht im zweiten Verdachtsfall bei Werneuchen. Wenn es bei den elf infizierten Büffeln oder wenigen weiteren Fällen bleibt, werden lediglich die Schutzzonen ausgeweitet. Die Impfung wird dann nach Einschätzung der Experten unnötig oder gar kontraproduktiv sein.
Denn eine Impfung hat auch negative Folgen. „Die Notimpfung schützt nicht nur die Tiere vor einer Ansteckung, sondern bringt auch starke Handelsrestriktionen mit sich“, erklärt Carola Sauter-Louis vom FLI. Denn geimpfte Tiere werden von vielen Ländern ähnlich wie erkrankte Tiere ebenfalls als infiziert eingestuft.
Schaden für die Landwirtschaft
Für die deutschen Landwirte ist der Seuchenfall in Brandenburg schon jetzt eine Katastrophe. „Der wirtschaftliche Schaden für die Tierhalter ist erheblich, weil Exportmärkte wegfallen werden“, erklärte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, gegenüber der Rheinischen Post.
Tatsächlich haben erste Länder bereits Konsequenzen gezogen: Südkorea und Mexiko stoppten den Import von Schweinefleisch aus Deutschland und Großbritannien verbot die Einfuhr von lebenden Rindern, Schweinen und Schafen und deren Fleisch aus Deutschland. Die Niederlande schränkten nur den Transport für Kälber aus Deutschland ein.
Wie lange gelten die Verbote?
Das Bundeslandwirtschaftsministerium geht davon aus, dass Milch, Milchprodukte sowie Fleisch und Fleischprodukte aus Deutschland monatelang kaum noch in Länder außerhalb der EU geliefert werden können. Innerhalb der EU sind nur Importe aus betroffenen Regionen verboten – in diesem Fall dem Zehn-Kilometer-Radius um den Büffelhof.
Wie lange die Folgen des jetzigen Ausbruchs für die deutschen Bauern zu spüren sein werden, hängt vom weiteren Verlauf der Seuche ab. „Wenn das letzte positive Tier gekeult wurde, muss nach EU-Regeln eine Mindestzeit abgewartet werden und nachgewiesen werden, dass das Virus wirklich weg ist, bevor Schutzmaßnahmen zurückgefahren werden. Dann müssen noch weitere drei Monate vergehen, bevor der Status der MKS-Freiheit neu beantragt werden kann“, erklärt Sauter-Louis.