Uhren-Rekord: Eine neuartige Atomuhr misst die Zeit mit bisher unerreichter Genauigkeit – sie tickt bis auf die 18. Nachkommastelle genau. Möglich wird dies, weil diese Ionen-Kristall-Uhr mehrere in einer Reihe gefangene Indium- und Ytterbium-Ionen als Zeitmesser nutzt, wie Physiker berichten. Diese Ionenreihe erlaubt die parallele Messung ihrer Quantensprünge und damit eine schnellere und genauere Bestimmung ihres „Tickens“. Als Folge geht diese Atomuhr noch genauer als bisherige Referenzuhren.
Bisher geben Atomuhren auf Basis von Cäsiumatomen die Länge einer Sekunde und den Takt unserer Weltzeit vor. In ihnen geben durch Mikrowellen ausgelöste Zustandswechsel der Atome den Takt vor. Noch genauer sind jedoch optische Atomuhren. In ihnen lösen Laserstrahlen den Quantensprung der Atome aus. Die Laserfrequenz, bei der dies geschieht, entspricht dem Ticken der Uhr. Weil das Laserlicht schneller schwingt als Mikrowellen, „ticken“ diese optischen Atomuhren schneller und erlauben so eine noch präzisere Zeitmessung. Die Messunsicherheiten liegen inzwischen bei nur noch rund 5,9 x 10-18.
Als besonders vielversprechend und genau gelten dabei optische Ionen-Uhren mit einem Argon- oder Indium-Ion als Zeitgeber. Allerdings gibt es einen Haken: Diese Uhren nutzen nur ein einzelnes, in einer Ionenfalle schwebendes Ion als Messobjekt. Um winzige Schwankungen auszugleichen, müssen diese Ionen daher über Wochen bis Monate gemessen werden. Um das volle Genauigkeitspotenzial auszuschöpfen, wären sogar Messzeiten von mehr als drei Jahren nötig.
Schwebende Ionenreihe als Messwerkzeug
Abhilfe schafft nun jedoch eine neuartige Ionen-Atomuhr, die Hartmut Hausser von der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig und seine Kollegen entwickelt haben. Diese Ionen-Kristall-Uhr nutzt zwei verschiedene Ionensorten zur Messung: „Wir verwenden Indium-Ionen (115In+) wegen ihrer günstigen Eigenschaften zum Erreichen hoher Genauigkeiten. Für eine effiziente Kühlung sind dem Kristall zusätzlich Ytterbium-Ionen (172Yb+) beigemischt“, erklärt Koautor Jonas Keller von der PTB.
Die stark heruntergekühlten Ionen werden in der Vakuumkammer der Atomuhr von elektromagnetischen Feldern in der Schwebe gehalten. Diese Felder gleichen zudem die Abstoßung zwischen den in einer Reihe schwebenden Ionen aus und machen diese Konfiguration besonders stabil – Physiker sprechen bei dieser kristallähnlichen Struktur von einem Coulomb-Kristall. „Dieses Konzept ermöglicht es, die Stärken verschiedener Ionen zu kombinieren“, erklärt Keller.
Neuer Rekordwert für die Genauigkeit
Der Clou dabei: Die kristallähnliche Ionen-Reihe ermöglicht es, das Ticken dieser Uhren-Ionen gleichzeitig zu messen. Diese Parallelisierung verkürzt die Messdauer und erhöht die Genauigkeit der Uhr, wie die Physiker erklären. Für den Test der neuen Ionen-Kristalluhr nutzte das Team Reihen mit zwei und vier Indium-Ionen und verglich die Genauigkeit der Zeitmessung mit der einer Strontium-Gitteruhr, einer Ytterbium-Atomuhr mit Einzel-Ionen sowie einer Cäsiumfontänen-Atomuhr.
Das Ergebnis: Die Ionen-Kristall-Uhr zeigte eine Instabilität von nur 1,6 x 10-16 für die Zustandswechsel der Indium-Ionen. Das bedeutet, dass die ausgelesene Frequenz der Einzelmessungen nur minimal voneinander abwich. Gleichzeitig lag die systematische Unsicherheit der Messung bei 2,5 x 10-18, wie Hausser und seine Kollegen ermittelten. Im Verhältnis zur Ytterbium-Uhr ist die Ionen-Kristall-Uhr demnach genauer und stellt einen neuen Rekord auf.
Auf dem Weg zur Neudefinition der Sekunde
Nach Ansicht der Physiker demonstriert dieser Vergleichstest, dass Ionen-Kristall-Uhren eine noch genauere und zuverlässigere Zeitmessung ermöglichen als gängige optische Atomuhren. „Multi-Ionen-Uhren könnten damit den Weg für eine Zeitmessung ebnen, deren Gesamtunsicherheit nur noch bei 10-19 liegt“, schreiben Hausser und sein Team. Dies könnte die Voraussetzung dafür schaffen, die SI-Einheit der Sekunde in Zukunft nicht mehr über Cäsium-Atomuhren, sondern über eine optische Atomuhr zu definieren.
Das Konzept ist zudem auch auf andere Ionenarten anwendbar und eröffnet damit die Möglichkeit ganz neuer Uhrenkonzepte, etwa den Einsatz von Quanten-Vielteilchenzuständen oder die kaskadierte Abfrage mehrerer Ensembles, wie das Team erklärt. (Physical Review Letters, 2025; doi: 10.1103/PhysRevLett.134.023201)
Quelle: Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)