Zoologie

Video: Koralle beim Wandern ertappt

Pilzkoralle bewegt sich „hüpfend“ über den Meeresboden

Die hüpfenden Bewegungen der Pilzkoralle im Zeitraffer © Lewis et al., PLOS One, 2025 via ScienceAlert/CC-by 4.0

Wanderung am Meeresboden: Nicht alle Korallen sind riffbildend und unbeweglich. Manche gehen aktiv auf Wanderschaft – und nun ist auch klar, wie ihnen das gelingt. Korallen der Art Cycloseris cyclolites bewegen sich demnach fort, indem sie sich aufblähen und wieder zusammenziehen, was eine hüpfende Bewegung erzeugt. Auf diese Weise können sie mehrere Zentimeter am Tag zurücklegen. Diese Fähigkeit könnte die „Wanderkorallen“ auch fit für den Klimawandel machen, wie das Forschungsteam berichtet.

Pilzkorallen sind im Gegensatz zu vielen anderen Korallen nicht sessil und riffbildend, sondern liegen nur locker auf dem Untergrund auf. Das ermöglicht es ihnen, zu bevorzugten Lebensräumen zu wandern. Wie genau diese Korallen sich fortbewegen und dabei orientieren, ist allerdings noch weitgehend unbekannt.

Blaues oder weißes Licht?

Um herauszufinden, wie genau solche frei beweglichen Korallen auf Wanderschaft gehen, haben Forscher um Brett Lewis von der Queensland University of Technology nun fünf Pilzkorallen der Spezies Cycloseris cyclolites aus dem Meer vor Cairns in Australien entnommen und einzeln in abgedunkelte Aquarien gesetzt. In einem ersten Experiment ließen die Forscher eine einzelne Lichtquelle zuerst mit weißem, dann mit blauem Licht durch einen Schlitz an der Oberseite des Aquariums scheinen. Bei einem zweiten Versuch gab es je ein weißes und ein blaues Licht an den gegenüberliegenden Enden des Aquariums.

Die Korallen konnten sich dann für 24 Stunden frei im beleuchteten Aquarium bewegen. Um die zurückgelegte Strecke der einzelnen Korallen zu messen, machten die Forscher Zeitrafferaufnahmen und maßen mithilfe einer Software, wie weit sich der Mund der Koralle von seinem Startpunkt entfernt hatte. Wie genau sich die Korallen bewegten, beobachtete das Team wiederum mittels Zeitraffer-Mikroskopie.

Blaues Licht ebnet Weg in die Tiefe

Das Ergebnis: Die Korallen bewegten sich stets auf eine Lichtquelle zu – und zwar am liebsten auf die blaue. Wurden die Korallen gleichzeitig blauem und weißem Licht ausgesetzt, bewegten sich rund 87 Prozent von ihnen auf das blaue Licht zu und nur 13 Prozent in Richtung des weißen Lichts.

„Die Fähigkeit von Cycloseris cyclolites, sich auf bestimmte Lichtquellen zuzubewegen, ist eine faszinierende Parallele zu anderen marinen Arten wie Quallen, was darauf hindeutet, dass sie neurologisch anspruchsvoller sind als bisher angenommen“, betont Lewis. Er und seine Kollegen vermuten, dass blaue Lichtquellen mit 480 Nanometer Wellenlänge den Korallen in freier Wildbahn den Weg zu Sandbänken in tieferen Gewässern weisen, wo sich die Meerestiere am wohlsten fühlen. Deshalb bevorzugen sie diese auch in Gefangenschaft.

In Zeiten des Klimawandels könnte diese Vorliebe für Blau der Pilzkoralle sogar überraschend große Dienste leisten. Denn in tieferen Regionen erwärmt sich das Meer nicht ganz so schnell wie an der Oberfläche. Ihre Angepasstheit an tiefere Gewässer und ihre Fähigkeit, diese aktiv aufzusuchen, könnte Cycloseris cyclolites somit dabei helfen, die Erwärmung der Meere zu überstehen, wie das Team vermutet.

„Hüpfend“ zum Ziel

Wie aber gelingt der Koralle nun ihre Wanderschaft in die Tiefe? Wie Lewis und seine Kollegen beobachten konnten, verlief die Bewegung der Versuchskorallen nicht kontinuierlich. „Sie erfolgte vielmehr in periodischen Impulsen, die in der Regel ein bis zwei Stunden dauerten, gefolgt von einer Ruhephase“, schreibt das Forschungsteam.

Mechanismus Fortbewegung Cycloseris cyclolites
Cycloseris cyclolites bläht ihr Gewebe auf und „hüpft“ nach vorn. © Lewis et al., PLOS One, 2025 via ScienceAlert/CC-by 4.0

Um voranzukommen, bliesen die Korallen demnach ihr Gewebe auf, um ihr Volumen zu vergrößern und so Auftrieb zu gewinnen. Anschließend kontrahierten und verdrehten sie ihr peripheres Gewebe, um sich vorwärtszuziehen und voranzutreiben. Beides bewirkte eine koordinierte, pulsierende Aufblasbewegung, die einer Sprungbewegung ähnelte. Anschließend kehrten die Korallen zu ihrer ursprünglichen Größe zurück. Bei dieser Fortbewegungsform handelt es sich um einen bei Korallen weit verbreiteten Prozess namens „gepulstes Aufblähen“, wie Lewis und seine Kollegen berichten.

Innerhalb von 24 Stunden legten die Korallen dadurch durchschnittlich 44 Millimeter weite Strecken in Richtung des blauen Lichts zurück. Korallen, die in Richtung des weißen Lichts wanderten, legten in derselben Zeit hingegen nur maximal acht Millimeter zurück.

Multifunktionales Aufblähen

Bislang war nur bekannt, dass Korallen das gepulste Aufblähen nutzen, um ihre Symbionten abzustoßen, wenn es ihnen zu warm wird. Aber: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das pulsierende Aufblasen nicht nur eine Überlebensstrategie ist, sondern auch ein wichtiger Mechanismus für Migration und Navigation“, betont Lewis. (PLOS One, 2025: doi: 10.1371/journal.pone.0315623)

Quelle: Queensland University of Technology

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