Medizin

Entzündungsblocker als Krebsschutz

Neuen Therapieansätzen auf der Spur

Das Wissen darüber, dass die Fresszellen des Immunsystems von den Krebszellen manipuliert werden und zu ihnen „überlaufen“, lässt sich auch in der Krebstherapie nutzen. Der Tumorbiologe Florian Greten von der Geothe-Universität Frankfurt hat die Anfänge dieser Forschung während seiner Zeit als Postdoktorand zu Beginn der 2000er Jahre an der University of California in San Diego miterlebt.

Darmkrebs
Blockiert man den Entzündungssignalweg, schreitet Darmkrebs langsamer voran. © peterschreiber.media/ Getty Images

Entzündungswege blockieren, Krebswachstum hemmen

Damals war bekannt, dass Menschen, die regelmäßig Aspirin nehmen, ein geringeres Darmkrebsrisiko haben. Man führte dies auf die entzündungshemmende Wirkung des Medikaments zurück, wusste aber nicht, warum dies funktioniert. Greten untersuchte deshalb einen für Entzündungen zentralen Signalweg, der über ein Protein läuft, das die Herstellung anderer Proteine steuert, den Transkriptionsfaktor NF-Kappa-B. Er reguliert die Ausschüttung proinflammatorischer Botenstoffe (Zytokine). Unterbricht man den Signalweg, kann keine Entzündung entstehen.

2004 konnte Greten an Mäusen mit Darmkrebs tatsächlich zeigen, dass die Ausschaltung von NF-Kappa-B das Krebswachstum hemmt – und zwar egal, ob der Signalweg in den Tumorzellen selbst oder in den umgebenden Makrophagen unterbrochen wurde. „Das war das erste Mal, dass wir zeigen konnten: Es hat einen Einfluss auf das Tumorwachstum, wenn wir einen Zelltyp aus seiner Umgebung, der ja nicht mutiert ist, behandeln“, erinnert sich Greten.

„Die Forschung ist dann quasi explodiert. Leute haben angefangen, immer mehr Signalwege in Makrophagen anzuschauen. Es gab mehr und mehr genetische Modelle, die untersucht haben, was Makrophagen machen, wenn sie in die eine oder in die andere Richtung differenziert werden.“

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Fatales Duo: Entzündungen und Krebs
Wie das Tumor-Mikromilieu neue Ziele für die Therapie bietet

Wenn das Immunsystem die Seiten wechselt
Wie hängen Krebs und Entzündungen zusammen?

Entzündungsblocker als Krebsschutz
Neuen Therapieansätzen auf der Spur

Neue Medikamente gegen Krebs?
Wie die Entzündungsforschung die Heilungschancen verbessert

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Das Mikromilieu im Visier

Inzwischen werden nicht mehr nur Makrophagen untersucht, sondern das gesamte Mikromilieu des Tumors. Dazu gehören alle inflammatorischen Zellen, Blutgefäße und Bindegewebszellen (Fibroblasten), die auch bei einer Wundheilung aktiviert werden. Durch die Krebszellen werden jedoch weitreichende Veränderungen dieses Milieus in Gang gesetzt, die sich gegenseitig beeinflussen und auf die Tumorzelle zurückwirken.

Ziel ist es, dieses Mikromilieu in die Therapie mit einzubeziehen, anstatt nur die mutierte Zelle anzugreifen. „Wenn man ehrlich ist“, sagt Greten, „war das Prinzip gar nicht so neu. Denn schon in den 1990er Jahren hatte man angefangen, Zellen aus dem Mikromilieu ins Visier zu nehmen, indem man die Neubildung von Blutgefäßen medikamentös unterdrückte.“

Tumor-Mikromilieu stört Reparaturmechanismen

Greten und seine Gruppe wollen ihre Kenntnisse über das Tumor-Mikromilieu nutzen, um einerseits das Ansprechen auf Chemotherapien zu verbessern und andererseits effektivere Immuntherapien zu entwickeln. Denn T-Zellen, die Teil des körpereigenen Reparaturmechanismus sind, verlieren bei Krebs die Fähigkeit, mutierte Zellen zu erkennen und zu vernichten.

Krebszelle
Ob eine Krebstherapie wirkt, hängt auch vom Mikromilieu des Tumors ab. © peterschreiber.media/ Getty Images

Es gibt bereits Medikamente, sogenannte Checkpoint-Inhibitoren, die die Ausschaltung der T-Zellen durch den Krebs verhindern. Allerdings ist nicht bekannt, warum diese Immuntherapeutika bisher nur bei bestimmten Krebsarten wie schwarzem Hautkrebs gut funktionieren. Auch hier vermutet Greten die Ursache im Mikromilieu, und zwar im Bindegewebe, das die Einwanderung von T-Zellen in den Tumor unterdrückt. „Wenn wir den Prozess verstehen, können wir ihn möglicherweise auch wieder rückgängig machen“, hofft er.

Weil die Tumorzellen und ihr Milieu immer wieder Möglichkeiten finden, der körpereigenen Abwehr und der Chemotherapie zu entgehen, wird sich die Therapie zukünftig auf mehrere Ziele richten müssen. „Wahrscheinlich braucht es eine eigene Kombination für jeden einzelnen Tumor“, vermutet Greten. „Das heißt, wir müssen auf der einen Seite Krebszellen eliminieren. Und auf der anderen Seite das Milieu beeinflussen, insbesondere die körpereigenen Immunzellen aktivieren und stärken.“

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