Medizin

Neue Medikamente gegen Krebs?

Wie die Entzündungsforschung die Heilungschancen verbessert

Bei der Suche nach verbesserten Krebstherapien haben sich verschiedene Grundlagenforscher mittlerweile untereinander vernetzt. Ein Knotenpunkt dieser Zusammenarbeit ist unter anderem das chemotherapeutische Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus in Frankfurt am Main, das in enger Verbindung mit der Universitätsklinik Frankfurt steht. Beide sind unter dem Dach des Frankfurt Cancer Institute zusammengeschlossen, das vom Land Hessen gefördert wird. Der Fokus liegt auf Tumoren des Magen-Darm-Trakts, insbesondere des Rektums, auf Leukämien sowie Hirntumoren und seit Neuestem auch auf der Metastasierung von Tumoren.

Falsches Ziel im Fadenkreuz?

Als Beispiel für die erfolgreiche Kooperation nennt Tumorbiologe Florian Greten, Sprecher des Frankfurt Cancer Institute, die Zusammenarbeit mit Claus Rödel und Emmanouil Fokas aus der Strahlentherapie. Rödel, dem Leiter der Studiengruppe für Rektum-Karzinome in Deutschland, war aufgefallen, dass bestimmte Patienten besonders gut auf eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie vor einer Operation ansprechen, andere dagegen nicht.

Greten und seine Gruppe konnten eine mögliche Ursache finden, indem sie in der Maus ein Enddarm-Karzinom induzierten und anschließend bestrahlten. Es stellte sich heraus, dass ein entzündlicher Vorgang an den Bindegewebszellen um den Tumor dafür sorgte, dass die Mäuse schlechter auf Strahlentherapie ansprechen. „Es kam also auf die Bestrahlung der Bindegewebszellen und nicht auf diejenige der Tumorzellen an“, erklärt Greten das überraschende Ergebnis.

Krebszellen
Die Bindegewebszellen rund um den Tumor dürfen bei einer Strahlentherapie nicht außer Acht gelassen werden. © feja/ Getty Images

Ein neues Medikament gegen Enddarmkrebs?

Rückblickend hätten die Strahlentherapeuten diese Unterschiede auch bei ihren Patienten nachweisen können. Inzwischen weiß man, dass insbesondere der Botenstoff Interleukin-1 an der entzündlichen Veränderung des Bindegewebes beteiligt ist. IL-1 ist auch bei einer Reihe von chronischen Entzündungserkrankungen wie rheumatoider Arthritis hochreguliert. Dagegen gibt es ein bereits zugelassenes Medikament.

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Fatales Duo: Entzündungen und Krebs
Wie das Tumor-Mikromilieu neue Ziele für die Therapie bietet

Wenn das Immunsystem die Seiten wechselt
Wie hängen Krebs und Entzündungen zusammen?

Entzündungsblocker als Krebsschutz
Neuen Therapieansätzen auf der Spur

Neue Medikamente gegen Krebs?
Wie die Entzündungsforschung die Heilungschancen verbessert

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„Wir konnten sehen, dass eine Maus, die vorher nicht auf Strahlentherapie reagierte, dafür empfänglich wird, wenn wir IL-1 mit diesem Medikament blockieren“, so Greten. Dank der engen Zusammenarbeit mit der Klinik konnte das Medikament sehr schnell auch an Rektum-Karzinom-Patienten getestet werden.

Obwohl in dieser Phase-1-Studie zunächst nur überprüft wurde, ob es sicher ist, das Medikament in Kombination mit einer Chemotherapie und Bestrahlung anzuwenden, zeichnete sich ab, dass die Patienten auch besser auf die Strahlentherapie ansprachen. Deshalb soll das Medikament nun in einer größeren Phase-2-Studie an krebskranken Patientinnen und Patienten untersucht werden.

Tödliche Nachbarschaftshilfe

Gretens Gruppe hat kürzlich eine weitere überraschende Entdeckung gemacht. Es handelt sich um einen Mechanismus zwischen benachbarten Tumorzellen, der erklärt, warum man mit einer Chemotherapie nicht alle Krebszellen abtöten kann. Die sterbenden Zellen senden nämlich an ihre Nachbarn eine Warnung und zeigen ihnen, wie sie das Zellgift überleben können.

In Organoiden – in der Kulturschale gezüchteten, tumorähnlichen Geweben – hatten die überlebenden Krebszellen dadurch ihre Signalwege innerhalb weniger Stunden vollständig umprogrammiert und waren gegenüber der Chemotherapie resistent. Wenn man diesen Mechanismus medikamentös unterbinden könnte, wäre die Chemotherapie hochwirksam. Greten hofft, zeitnah einen vielversprechenden Wirkstoff in einer Phase-1-Studie testen zu können.

Tablette
Die Forschung von Greten und seinem Team könnte zu neuen Krebsmedikamenten führen. © AndreyPopov/ Getty Images

Neue Therapien womöglich schon ab 2035

Und wo will Greten in zehn Jahren stehen? „Idealerweise haben wir dann Therapien entwickelt, die die Patienten erreicht haben. Denn auch wenn ich selbst keine Patienten mehr behandle: Ich bin Mediziner. Deshalb möchte ich das translationale Konzept des Frankfurt Cancer Institute ausweiten und unsere Erkenntnisse schnell in klinische Studien überführen. Und vielleicht bekommen wir es hin, dass der Checkpoint-Inhibitor auch beim Kolon-Karzinom funktioniert. Bisher ist das nur in zehn bis 15 Prozent der Fälle so und wir wüssten gern, warum“, erklärt er.

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